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Allgemeinmedizin

Adipositas und Diabetes Typ 2

Besondere Therapiestrategien nötig

Richard Kessing

Adipositas geht dem Diabetes mellitus in den meisten Fällen voran und ist wohl der wichtigste Faktor in der weltweiten Zunahme des Typ-2-Diabetes. Daher hat das Gewicht als sekundärer Zielparameter bei der Auswahl der antidiabetischen Therapie und auch der Begleittherapien einen hohen Stellenwert.

Übergewicht und Adipositas sind hinsichtlich Inzidenz, Genese und auch Therapie so eng miteinander verknüpft, dass Zeitpunkt und Auftreten der Diabeteserkrankung im Wesentlichen vom individuellen Gewicht abhängt, auch wenn eine familiäre Diabetesbelastung besteht. Daten der Nurses’ Health Study an über 100.000 Krankenschwestern, belegen eine eindeutige Beziehung zwischen Körpergewicht und dem Typ-2-Diabetes. Demnach verdoppelt sich die Häufigkeit des Diabetes mellitus ab einem Body-Mass-Index (BMI) von > 30 kg/m² im Vergleich zu Übergewichtigen und verzehntfacht sich verglichen mit Normalgewichtigen.

Bei den Typ-2-Diabetikern sind 80 % adipös und bei bis zu 80 % der Adipösen findet sich eine gestörte Glucoseverwertung bis hin zu einem Diabetes. Störungen im Glucosestoffwechsel oder der Wirkung von Insulin konnten im Rahmen der Tübinger-Familien-Früherfassungs-Studie bereits bei „vermeintlich Gesunden“ nachgewiesen werden. Diese waren umso ausgeprägter, je höher der BMI der Untersuchten ausfiel.

Metabolische Auswirkungen von Übergewicht

Das Diabetesrisiko hängt entscheidend vom Fettverteilungsmuster ab. Insbesondere die Zunahme der viszeralen Fettmasse wird häufig von metabolischen Veränderungen begleitet, wie erhöhte Insulinspiegel, Glucosetoleranzstörung bis hin zu einem manifesten Typ-2-Diabetes.

Der Grund ist, dass die viszeralen Fettzellen stoffwechselaktiv sind und bioaktive Moleküle freisetzen, die an unterschiedlichen hormonellen Prozessen beteiligt sind und auch als proinflammatorische Zytokine direkt zu vaskulären Veränderungen führen. Insbesondere verstärken sie die Insulinresistenz und ebnen damit den Weg zum Diabetes mellitus. Darüber hinaus bewirken hohe Insulinspiegel über verschiedene Mechanismen ein Heißhungergefühl. Die Betroffenen sitzen dadurch in der sogenannten Insulinfalle. Wollen sie abnehmen, so fällt ihnen dies besonders schwer und es gelingt ihnen nur langsam.

Nicht medikamentöse Strategien

Es ist nachvollziehbar, dass bei Diabetikern mit Gewichtsproblemen besondere Therapiestrategien notwendig sind. Abnehmen ist dabei in der Regel eine wichtige Maßnahme, um die Krankheit in den Griff zu bekommen. Auch mehr körperliche Aktivität hat sich in der Behandlung des Diabetes als effektiv erwiesen. In der arbeitenden Muskulatur verbessert körperliches Training einerseits die Insulinsensitivität und anderseits die Glucoseaufnahmefähigkeiten der Zellen. Für das Bewegungsprogramm eines Diabetikers ist es wichtig, dass die drei Komponenten Ausdauer, Kraft und Koordination auf einfache Weise in den Alltag eingebaut werden. Koordination ist deswegen wichtig, weil beim Diabetiker die Ansteuerung der Muskulatur durch die Nerven nicht mehr gut funktioniert.

Hinsichtlich der richtigen Diät bei Diabetes und Übergewicht werden die unterschiedlichsten Konzepte propagiert, wobei oftmals die Empfehlungen diametral verlaufen. Grundsätzlich sollte eine ausgewogene Mischung aller Nährstoffe angestrebt werden, mit einer Gesamtenergiezufuhr von 55–60 % aus Kohlenhydraten, 25–30 % aus Fett und zu 10–15 % aus Eiweißen. Die Angaben decken sich auch mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE).

Medikamentöse Therapiemaßnahmen

Hinsichtlich der medikamentösen Therapie ist es das Ziel, dass das Körpergewicht unter der Behandlung nicht wieder zunimmt. Eine ambitionierte Aufgabe, denn durch die Normalisierung der Blutzuckerspiegel und die Verbesserung der Blutzuckerwerte wird keine Glucose mehr über den Urin ausgeschieden. Diese kann dann als zusätzliche Energie im Fettgewebe gespeichert werden.

In einer Studie basierend auf den Daten von DiaRegis, einem Register zur ambulanten Versorgung bei Diabetes Typ 2 in Deutschland, die Patienten mit Typ-2-Diabetes ≥ 40 Jahre einschließen, wurde untersucht, wie das Körpergewicht der Patienten die Art der Behandlung beeinflusst und welche Faktoren einen Gewichtsverlust begünstigen. Die Studienergebnisse zeigten, dass normalgewichtige Patienten häufiger mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin behandelt wurden, während übergewichtige oder adipöse Patienten häufiger Metformin oder GLP-1-Analoga erhielten. Als Prädiktoren für einen Gewichtsverlust wurden ein BMI ≥ 30 kg/m2 sowie jegliche Art von körperlicher Betätigung identifiziert. Während des Studienverlaufs nahmen normalgewichtige Patienten an Gewicht zu, Patienten mit einem BMI ≥ 25 kg/m2 verloren hingegen an Gewicht. In der Studie zeigte sich zudem eine Korrelation zwischen Gewichtszunahme und einer Sulfonylharnstoff- oder Insulintherapie sowie ein Trend in Richtung Gewichtsabnahme bei Patienten, die mit Metformin oder GLP-1-Analoga behandelt wurden.

Die Motivation dauerhaft Therapiemaßnahmen im Alltag selbstverantwortlich umzusetzen, stellt eine der größten Schwierigkeiten der Diabetestherapie dar und ist in der klinischen Praxis eine wiederkehrende Quelle von Frustrationen. Es bedarf einer intensiven Intervention durch Therapeuten, damit eine Änderung von Ernährung, körperlicher Aktivität und Verhaltensänderung langfristig nachwirkt. Erste Analysen zeigen dabei auch, dass sich positive kardiovaskuläre Effekte bemerkbar machen.

DER EXPERTENKOMMENTAR

Prof. Dr. med. Hans Hauner
Internist, Ernährungsmediziner
Institut für Ernährungsmedizin
Klinikum recht der Isar
80992 München

„Adipositas ist der entscheidende Treiber für die Diabetesentwicklung bei Menschen mit genetischer Vorbelastung. Durch eine Gewichts­kontrolle kann diese Entwicklung jedoch herausgezögert werden. Bei diagnostiziertem Diabetes sollte bei Vorliegen von Übergewicht oder Adipositas eine Gewichtssenkung von mindestens 5 % angestrebt werden. Dadurch bessern sich auch die Blutzuckerwerte deutlich. Bei massiver Adipositas ist eine chirurgische Behandlung in der Regel die wirksamste Therapiemaßnahme.“

Literatur beim Autor

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