Die amerikanischen Fachgesellschaften haben kürzlich ein Update der Leitlinie zur hypertrophen Kardiomyopathie (AHA/ACC/Multisociety HCM Guideline) publiziert. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hatte ihre 2023 aktualisiert. Bei beiden rücken nun Myosinhemmer in den Fokus.
In der aktualisierten ESC-Leitlinie wurde der phänotypische Ansatz zur Klassifikation der Kardiomyopathien beibehalten: dilatative Kardiomyopathie (DCM), hypertrophe Kardiomyopathie (HCM), restriktive Kardiomyopathie (RCM) sowie arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC). Neu hinzugekommen ist die nicht dilatierte linksventrikuläre Kardiomyopathie (NDLVC), die per Definitionem „das Vorhandensein einer nicht ischämischen linksventrikulären Narbe oder Ersatz des Myokards durch fibrolipomatöses Gewebe unabhängig vom Vorhandensein globaler oder regionaler Wandbewegungsstörungen oder einer isolierten globalen linksventrikulären Hypokinesie ohne Narbenbildung“ kennzeichnet. Mit dieser Kategorie sollen sich auch die bisher als DCM ohne linksventrikuläre Dilatation, arrhythmogene linksventrikuläre Kardiomyopathie, linksdominante ARVC oder arrhythmogene DCM (oftmals ohne die diagnostischen Kriterien für ARVC zu erfüllen) beschriebenen Phänotypen erfassen lassen.
Mit der Aktualisierung der bereits bestehenden klinischen Klassifikation soll eine Vereinfachung der Terminologie angestrebt und gleichzeitig ein konzeptueller Rahmen für Diagnose und Behandlung geschaffen werden. Innerhalb derselben Familie können allerdings verschiedene phänotypische Ausprägungen einer Kardiomyopathie koexistent auftreten und im Verlauf kann sogar ein und dieselbe Person einen Wechsel des Kardiomyopathie-Phänotyps durchlaufen. An dieser Stelle empfiehlt die ESC Task Force, den zum Zeitpunkt der Vorstellung dominierenden Phänotyp für die Klassifikation und Diagnose der Erkrankung heranzuziehen.
Diagnostik
Die HCM wird als das Vorliegen einer erhöhten linksventrikulären Wanddicke (mit oder ohne rechtsventrikuläre Hypertrophie) oder Masse definiert, die sich nicht ausschließlich durch abnorme Füllungsdrücke erklären lassen. Als Basisuntersuchung wird eine Kardio-MRT empfohlen. Diese umfasst die Beurteilung der maximalen Wanddicke, die Verteilung der Hypertrophie, die systolische und diastolische Funktion des linken Ventrikels sowie die Größe des linken Vorhofs. Zudem sollte erfasst werden, ob eine linksventrikuläre Ausflusstraktobstruktion (LVOTO) vorliegt, da dies für die symptomatische Behandlung und die Risikoeinschätzung eines plötzlichen Herztodes (sudden cardiac death, SCD) relevant ist. Für eine umfassende SCD-Risikostratifizierung wird der Einsatz eines validierten SCD-Algorithmus bzw. -Scores bei HCM empfohlen. So kann die Notwendigkeit einer primärpräventiven Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD) ermittelt werden.
Medikamentöse Therapie
Pharmakologisch wurde erstmals der Myosin-ATPase-Inhibitor Mavacamten in den Leitlinienempfehlungen berücksichtigt. Demnach soll bei trotz Basistherapie (Betablocker oder Calciumantagonisten) weiterhin persistenter Symptomatik bei Erwachsenen mit obstruktiver HCM Mavacamten erwogen werden. Es wird darauf hingewiesen, die Therapie unter echokardiografischer Aufsicht der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) und LVOTO aufzudosieren (Tab.).
Auch in der US-Leitlinie wird die zusätzliche Verabreichung eines Myosinhemmers (nur bei Erwachsenen) als Behandlungsoption bei obstruktiver HCM empfohlen, wenn unter Betablockern oder (Nicht-Dihydropyridin-)Calciumkanalblockern keine Besserung der LVOTO-assoziierten Symptome erreicht wird. Zudem wird der Stellenwert der körperlichen Aktivität für Patienten und Patientinnen mit Kardiomyopathie hervorgehoben, wobei die US-Leitlinienempfehlungen im Unterschied zur ESC-Leitlinie explizit darauf hinweisen, dass „für die meisten Individuen mit HCM eine generelle Einschränkung von anstrengender körperlicher Aktivität oder Leistungssport nicht angezeigt ist“.
Neuer Myosinhemmer in der Pipeline
Ein Myosinhemmer der zweiten Generation befindet sich mit Aficamten in fortgeschrittener klinischer Entwicklung. Angestrebt wurde eine optimierte Pharmakologie, was u. a. die Plasmahalbwertszeit, Pharmakodynamik, CYP-Wechselwirkungen, Option einer 1 × täglichen Dosierung, Reversibilität der Effekte innerhalb von 24 bis 48 Stunden sowie eine flache Expositions-Wirkungs-Beziehung betraf. Kürzlich wurden mit der publizierten SEQUOIA-HCM-Studie auch Phase-III-Studiendaten verfügbar, wonach sich bei symptomatischer obstruktiver HCM die Sauerstoffaufnahme unter körperlicher Belastung unter Aficamten nach 24 Wochen signifikant vs. Placebo verbessert zeigte.
Literatur bei der Autorin