Die im vergangenen Jahr veröffentlichte, revidierte PraxisLeitlinie „Tumorschmerz“ basiert – anders als bei der WHO – neben externer (Datenbankrecherche) und interner (Anwenderexpertise) Evidenz auch auf der direkten Beteiligung von Patienten (Haltungen und Wertungen).
In fortgeschrittenen Stadien geben 50–70 % der Tumorpatienten starke Schmerzen an. Die revidierte PraxisLeitlinie „Tumorschmerz“ enthalte viele Neuerungen gegenüber der Fassung von 2013 – etwa verstärkt Schwerpunkte zu Patientenautonomie und guter Patientenbegleitung sowie neue pharmakotherapeutische Optionen, so Prof. Dr. med. Johannes Horlemann (Kevelaer), einer der verantwortlichen Autoren. Die PraxisLeitlinie stellt auf knappe und sehr praxisnahe Weise 117 Empfehlungen vor, inkl. Grade der Evidenz und der Zustimmung der Autoren (> Onkologie).
Im Kapitel Patientenautonomie ist der Aspekt des Suizidwunschs aufgenommen: „Patientenautonomie umfasst grundsätzlich auch den ernsthaften Suizidwunsch des Patienten. Suizidalität bedarf der differenzialdiagnostischen Abgrenzung von Krankheitszuständen, die behandlungsfähig sind.“
Zu den Änderungen zur Pharmakotherapie von Tumorschmerzen gehört z. B. die Empfehlung von Oyxcodon mit hohem Evidenzgrad A. Das semisynthetische Opioid wirkt bei nozizeptiven, neuropathischen und viszeralen Schmerzen und kann in Kombination mit Naloxon bei opioidbedingter Obstipation vorteilhaft sein. Horlemann erläuterte weiter, dass sich die Qualität generischen Oxycodons z. T. erheblich von der Freisetzungsgalenik des Originals unterscheiden kann, wobei auch die Möglichkeit der Einmalgabe in 24-Stunden-Galenik besteht.
Die Einmalgabe in 24-Stunden-Galenik bietet auch Hydromorphon – und auch hier unterscheiden sich die Generika erheblich in den pharmakologischen Eigenschaften. Hydromorphon weist die niedrigste Eiweißbindung unter den gängigen Opioiden aus und bleibt aufgrund pharmakologischer Vorteile in der Verträglichkeit Präferenzsubstanz in der Tumorschmerztherapie.
Methadon sinnvoll oder nicht?
Ganz neu in die Leitlinie wurden das atypische Opioid Tapentadol und das vollsynthetische Opioid D (L-Methadon) als wirksame Therapieoptionen zur Behandlung von Tumorschmerzen aufgenommen. Zu den anhaltenden Diskussionen um D,L-Methadon sagte Horlemann, dass „eine antitumoröse Wirkung von Methadon bisher am Menschen nur kasuistisch, aber nicht in großen Studien ausreichend belegt ist, aber möglich sei. Der Patientenwunsch ist zu berücksichtigen, zumal damit auch eine effektive Tumorschmerztherapie möglich ist“.
Ob denn Methadon tatsächlich eine „Geheimwaffe in der Schmerztherapie und der Palliativmedizin“ ist, beantwortete Alexander Philipp (Ludwigsburg) zumindest in Hinsicht auf die analgetische Potenz: „D,L-Methadon ist ein hervorragendes Schmerzmittel, besonders beim neuropathischen Schmerz, wobei die Galenik positive wie negative Aspekte hat. Insgesamt ist die Nebenwirkungsrate gering – vor allem im Vergleich mit NSAR.“ Auch er stellte fest, dass die apoptotischen Wirkungen des synthetischen Opioids auf Tumorzellen zwar hoffen lassen, aber die Studienlage für klare Empfehlungen noch zu dünn ist.
Symposium „Opioide: Leitlinien und Realität“ (Veranstalter: Aristo Pharma GmbH)