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Allgemeinmedizin

Tendinosis calcarea

Wenn die Schultersehnen verkalken

Prof. Dr. med. Sven Ostermeier

30.9.2024

Wodurch eine Kalkschulter entsteht, ist nach wie vor wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Gut behandeln lassen sich die Ablagerungen an den Schultersehnen insbesondere durch die Stoßwellentherapie. Eine nachhaltige Aktivierung des Stoffwechsels verhindert die Neubildung des Kalkdepots.

Häufig steht der Begriff der Kalkschulter (Tendinosis calcarea) als Sammelbegriff für entzündliche und verschleißbedingte Veränderungen der Schulter. Dabei gibt es verschiedene andere Auslöser (Rotatorenmanschettenruptur, Impingement-Syndrom etc.) für diese Veränderungen, die mit einer Kalkschulter nicht verwechselt werden dürfen. Ursächlich für diese Erkrankung im Bereich der Schultersehnen, insbesondere der Supraspinatussehne, ist eine Minderdurchblutung der Rotatorenmanschette. Dadurch erhöht sich der Druck im Bereich des Sehnengewebes, was zu einer schlechteren Versorgung mit Sauerstoff führt.

Schätzungsweise 10 % der Bevölkerung sind von einer Kalkschulter betroffen. Meist treten die Verkalkungen im Schulterbereich erstmals im Alter von 35 bis 50 Jahren auf. Frauen leiden wesentlich häufiger darunter als Männer. Zur Risikogruppe zählen zudem Sporttreibende mit starker Belastung der Schulter sowie Menschen, die körperlich schwer arbeiten. Auslöser wie Stürze und Sehnenrisse, der allgemeine Alterungsprozess, Nikotin oder etwa Durchblutungsstörungen können die Entstehung begünstigen.

Die Beschwerden entwickeln sich häufig schleichend. Plötzlich einschießende Schulterschmerzen werden vor allem bei Drehbewegungen und beim Heben des Arms erlebt. Erst bei zunehmender Größe des Kalkdepots sind die Schmerzen dauerhaft. Dann verspüren die Betroffenen auch verstärkt Schmerzen beim Liegen auf der entsprechenden Seite.

Schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente sowie Kühlung der Schulter lindern die Schmerzen und bremsen die Entzündungsvorgänge. Auch eine Injektion mit leichten Betäubungsmitteln führt zu einer schnellen Schmerzreduktion.

Stoßwellentherapie löst Verkalkungen

Die Kalkdepots lassen sich am einfachsten mithilfe einer sonografischen Untersuchung der Schulter nachweisen. Je nach Größe des Kalkdepots und dem Grad der Kalzifizierung gelingt der Nachweis in der radiologischen Bildgebung.  

Ein MRT ist für die unmittelbare Diagnostik wenig hilfreich, da sich das Kalkdepot hiermit nur schlecht darstellen lässt. Für die Differenzialdiagnostik oder Diagnose von Begleiterkrankungen kann ein MRT dennoch sinnvoll sein.

Die bei Weitem erfolgreichste konservative Behandlung stellt die Stoßwellentherapie dar. Der Wirkmechanismus ist allerdings nicht vollständig geklärt. Neben der möglichen direkten Fragmentierung des Kalkdepots durch die hochenergetischen Ultraschallwellen wird durch sie möglicherweise ein das Kalkdepot abbauender Prozess gestartet. Der Kalk kann dann vom umgebenden Gewebe resorbiert und vom Körper ausgeschieden werden. In der Regel sind 1 bis 3 Behandlungen ausreichend. Die Rückbildung des Kalkdepots erfolgt danach innerhalb einiger Wochen. Leider wird die sehr wirksame Stoßwellentherapie von vielen gesetzlichen Kassen noch nicht erstattet.

Konnte das Kalkdepot aufgelöst werden, kommt es nur äußerst selten zu Rezidiven.

So lässt sich der Stoffwechsel aktivieren

Eine Kalkschulter ist möglicherweise Folge eines unzureichend funktionierenden Stoffwechsels im Schultersehnenbereich. Deshalb ist bei der Therapie eine ganzheitliche Aktivierung des Stoffwechsels wichtig. Bewährt hat sich hier unter anderem die zellbiologische Regulationstherapie. Durch eine Kombination von Vibrationstherapien, Wärmetherapien und badetherapeutischen Anwendungen („Basenwickel”) lassen sich die Kalkschulter, aber auch viele andere chronische Schmerzzustände und Störungen der Bewegungsorgane wirksam behandeln. Um nach der Stoßwellentherapie die sichere Rückbildung der fragmentierten Kalkdepots zu unterstützen, sind 6 äußerliche Behandlungen im Abstand von 2 bis 3 Tagen meist völlig ausreichend. Zugleich fördert die zellbiologische Regulationstherapie in der extrazellulären Matrix den Zellstoffwechsel und die Vitalität der Gewebe und wirkt dem lokalen Stoffwechseldefizit entgegen, das der Kalkeinlagerung in der Schulter zugrunde liegt.

Schulterarthroskopie als letzte Option

Bringen konservative Maßnahmen wie die physikalische oder Stoßwellentherapie über einen längeren Zeitraum keine Besserung oder ist das Kalkdepot bereits zu groß, sollte über eine Operation nachgedacht werden. Die Schulterarthroskopie ist eine sehr sichere Methode zur Entfernung der Kalkdepots. Zusätzlich eröffnet dieses minimalinvasive Verfahren die Möglichkeit, begleitende Pathologien der Kalkschulter zu sichten und zu behandeln. Sehnenrisse oder eine Enge unter dem Schulterdach können inspiziert und gegebenenfalls mitbehandelt werden. Auch bei begleitenden Entzündungen der Schulter oder der Schleimbeutel (Bursitis) kann eine Schulterarthroskopie vorteilhaft sein, weil das entzündete oder nach schwerer Entzündung oft vernarbte Gewebe entfernt werden kann.

Für die meisten Patienten und Patientinnen ist die Kalkschulter übrigens ein einmaliges Ereignis ohne Folgen. Nur bei sehr hartnäckigen und verhärteten Kalkdepots besteht die Gefahr einer dauernden Schwächung der Sehne. Hier muss die Schulterspezialistin oder der -spezialist die Gefahr einer Sehnenruptur einschätzen und überwachen.

Der Autor

Prof. Dr. med. Sven Ostermeier
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin und Chirotherapie
Leitender Orthopäde Gelenk-Klinik Gundelfingen
Instruktor der Gesellschaft für ­Arthroskopie und Gelenkchirurgie

Literatur beim Autor

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