Einer der wichtigsten Faktoren des Alterns ist die Verkürzung der Telomere. Mit dem Erhalt der Telomere könnten wir womöglich den Sprung von der präventiven zur regenerativen Anti-Aging Medizin schaffen.
Wie die biologische Uhr tickt, kann man durchaus beeinflussen. Denn Taktgeber der biologischen Uhr sind die sogenannten Telomere – jene DNA-Fragmente an den äußersten Enden der Chromosomen, die lange nutzloser Ballast zu sein schienen. Im Rahmen jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere um eine definierte Menge von Basenpaaren. Hat die Telomerenlänge eine kritische Untergrenze erreicht, finden keine weiteren Zellteilungen mehr statt. Die Uhr ist abgelaufen, die Zelle stirbt. Entdeckt wurde der Effekt von Leonard Hayflick in den 1960er-Jahren. Er postulierte auch, dass die Telomerlänge ein guter Biomarker für das Altern ist: Nach 60–80 Teilungen ist Schluss, das sogenannte „Hayflick-Limit“.
Es gibt Erkrankungen, bei denen der biologische Alterungsprozess enorm beschleunigt abläuft. Das bekannteste dieser sogenannten Progerie-Syndrome ist das Hutchinson-Gilford-Syndrom. Bedingt durch einen genetischen Defekt kommen diese Patienten mit bereits deutlich verkürzten Telomeren zur Welt. Sie haben schon mit drei bis vier Jahren faltige Haut und entwickeln eine Arteriosklerose, osteoporosebedingt brechen ihnen frühzeitig die Knochen. Woran andere Menschen in ihrem siebten oder achten Lebensjahrzehnt schwer erkranken, lässt die Betroffenen bereits im Teenageralter sterben. Ihre biologische Uhr ist schon abgelaufen, bevor sie noch den Kinderschuhen entwachsen sind. Das Bild von der biologischen Uhr hat aber auch Grenzen. Denn während eine Uhr unbarmherzig und gleichmäßig tickt, lassen sich die Telomere durchaus beeinflussen. Zellulärer Stress wie oxidative Belastung, niederschwellige Entzündung oder Glykosylierung können dafür sorgen, dass sich die Telomere schneller verkürzen. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Wer diese Effekte reduziert, kann die Verkürzung verlangsamen.
Und mehr noch: Telomere können auch wieder verlängert werden. Verantwortlich dafür ist ein Enzym namens Telomerase. Es sorgt dafür, dass sich bestimmte Zellen deutlich häufiger teilen und langsamer altern, etwa die Stammzellen. Stammzellen verfügen über hohe Konzentrationen an Telomerasen. In den Keimzellen ist die Telomerase so aktiv, dass sich die Telomere überhaupt nicht verkürzen. Die Folge: Keimzellen unterliegen keinerlei Alterungsprozessen. Sie können sich endlos teilen und, zumindest theoretisch, auch ewig leben. Elizabeth Blackburn und Carol Greider wurden für ihre grundlegenden Erkenntnisse zur Biologie der Telomere und die Entdeckung der Telomerase mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Über viele Jahre hinweg waren die Erkenntnisse über die Telomerenverkürzung reines Grundlagenwissen: Durchaus interessant, aber ohne jede praktische Bedeutung. Weder konnte man die Verkürzung der Telomere messen noch konnte man ihre Länge beeinflussen. Inzwischen kann man beides. Eines der führenden Labore, das eine Messung der Telomere anbietet, ist das Life-Length-Institut in Madrid (www.Iifelength.com). Der Telomerase-Aktivator TA-65 war lange das teuerste Nahrungssupplement der Welt. Heute sind die Preise gefallen und neue Ansätze wie TimeBlock auf dem Markt, aber hochpreisig ist das alles noch immer. Red.
Das Interview
Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk
ist Gynäkologe in Nürnberg
und Präsident der Deutschen Gesellschaft
für Anti-Aging Medizin (GSAAM)
Herr Prof. Kleine-Gunk, sind Telomerase-Aktivatoren tatsächlich schon ein Thema in der Sprechstunde?
Durchaus, wenn auch sicher nicht bei jeder Patientin. Aber viele Patientinnen, die sich mit Anti-Aging beschäftigen, sind im Internet aktiv und sprechen mich dann aktiv darauf an. Viele haben die Entschlüsselung des Alterns von Elizabeth Blackburn gelesen.
Wie belastbar ist denn die Datenlage?
Es gibt sehr belastbare Daten zur Telomerlänge und für Surrogat-Parameter, etwa im immunologischen Bereich. Ob man durch Telomerasen wirklich länger lebt und wie die Lebensqualität ist, wird man erst in Jahren bis Jahrzehnten sagen können.
Dann weiß man auch noch wenig über die Risiken, oder?
Stimmt, das mit den Risiken ist ja aber eher eine deutsche „Krankheit“ (lacht). Bei uns fragt man gleich: „Was ist das Risiko?“ Ich habe aber auch viele Patientinnen aus dem Ausland, da lautet die Frage eher: „Whats’s new and what’s best?“
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