Denk- und Wahrnehmungsvorgänge werden mit zunehmendem Alter anfälliger für Störungen. Da kann es sinnvoll sein, die Gehirnfunktion durch Supplementation ausgewählter Biofaktoren zu unterstützen. Besonders wichtig sind Vitamin B1 und B12, Vitamin D und Magnesium.
Leichte kognitive Störungen gehen in 10–20 % pro Jahr in eine Demenz über. Entsprechend begrenzt ist das therapeutische Fenster, um einzugreifen, bevor sich eine Demenz manifestiert, erklärte Prof. Dr. med. Karlheinz Reiners (Wegberg). Das gelte besonders für Risikogruppen mit Herzinsuffizienz. Ist das komplexe Syndrom doch mit Komorbiditäten verbunden, zu denen auch die kognitive Störung gehört. Zunehmend werden Wechselwirkungen zwischen Herzinsuffizienz und kognitiven Störungen deutlich, da sich beide Erkrankungen auf einen verringerten zerebralen Blutfluss, Entzündungsprozesse und eine neurohumorale Aktivierung zurückführen lassen [1]. Mitverursachend ist ein Vitamin-B1-Mangel. Das Defizit wirkt sich besonders auf das Nervensystem aus, das seine Energie vollständig aus Kohlenhydraten bezieht. Denn Vitamin B1 ist ein wichtiger Kofaktor für das Schlüsselenzym des Glucoseabbaus und auch essenziell für die Bildung von Acetylcholin.
Vitamin-B1-Mangel wirkt sich besonders auf das Nervensystem aus.
Betrifft der B1-Mangel die Neuronen im Klein- und Mittelhirn, manifestiert sich eine Wernicke-Enzephalopathie. Gestört wird auch die Zellfunktion im limbischen System. Daraus kann eine leichte kognitive Dsyfunktion resultieren, aber auch eine ausgeprägte Alzheimer-Demenz. Jedenfalls erfordere ein Vitamin-B1-Mangel eine langfristige, regelmäßige Substitution, weil die Speicher allenfalls den Bedarf von etwa 3–4 Wochen abdecken, so der Neurologe.
Omega-3-Fettsäuren aus Kaltwasserfischen
Wie Prof. Dr. Peter Grimm (Stuttgart-Hohenheim) betonte, versorgt der regelmäßige Verzehr von Fisch den Organismus mit Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Die langkettigen Omega-3-Fettsäuren sind biologisch aktiv, beeinflussen inflammatorische Prozesse und bestimmen die Struktur der Biomembranen. Zudem werden aus DHA Neuroprotektine gebildet, die den kognitiven Abbau im biologischen Alterungsprozess abschwächen. Im Zellkern ist eine inverse Beziehung zwischen einer Verkürzung der Telomere und dem EPA/DHA-Serumspiegel bekannt. Verkürzte Telomere gelten als Indikatoren der Zellalterung. Allgemein sind Omega-3-Fettsäuren mit einer verbesserten kognitiven Leistung und verminderten depressiven Stimmungen assoziiert. Deshalb wird empfohlen, mehr als 300 mg EPA/DHA pro Tag aufzunehmen, hauptsächlich aus fettreichen Kaltwasserfischen. Dagegen die Realität beim Essen: Konsumiert werden Ultra Processed Foods (UPF). Wie eine Untersuchung zeigte, entwickelten die Personen mit dem höchsten Konsum an UPF signifikant mehr leichte Depressionen und durchlebten mehr ängstliche Tage.
Behandelbare Formen der Demenz
Die häufigste Ursache für eine Altersdemenz ist laut Prof. Dr. med. Marija Djukic (Göttingen) Morbus Alzheimer. Da diese Form neurodegenerativ ist, kann sie nur symptomatisch behandelt werden. Bei etwa 5 % aller von Demenz Betroffenen findet man jedoch eine kausal behandelbare Ursache. Ein B12-Mangel manifestiert sich in neurologischen, psychiatrischen und kognitiven Störungen, aber auch unspezifisch durch Gewichtsabnahme oder Inappetenz. Die Symptomatik kann den bekannten hämatologischen Veränderungen um Monate bis Jahre vorausgehen oder allein auftreten. Da die neurologischen Symptome meist irreversibel sind, sollte ein Vitamin-B12-Mangel früh diagnostiziert und behandelt werden.
Wie Studien zeigen, ist eine orale Hochdosistherapie mit Vitamin B12 wirksam und verbessert die neurologische und hämatologische Symptomatik. Kontrolliert wird durch Bestimmung von Holotranscobalamin. Bei von leichten kognitiven Störungen Betroffenen verlangsame die Gabe von 0,8 mg Folsäure, 0,5 mg Vitamin B12 und 20 mg Vitamin B6 eine Hirnatrophie im Vergleich zu Placebo, so Djukic. Generell sollten Defizite oral mit 2 × 2 mg Vitamin B12 pro Tag behandelt werden, langfristig mit 1–2 × 2 mg. Die Therapie ist ebenso effektiv und sicher wie eine intramuskuläre Verabreichung.
Zielzellen im Gehirn
Etwa jeder zweite Deutsche weist einen niedrigeren Vitamin-D3-Wert auf, als von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen, sagte Prof. PD Dr. med. univ. Stefan Pilz (Graz), also weniger als 20 ng/ml oder 50 nmol/l 25-Hydroxyvitamin D3. Ein Vitamin-D3-Mangel kann für neurologische Erkrankungen wie Demenz, Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose relevant sein. Der Hintergrund: Das Gehirn ist ein Zielorgan für Vitamin D3 und bildet Rezeptoren und Enzyme des Vitamin-D3-Stoffwechsels aus. So passiert 25-Hydroxyvitamin D3 die Blut-Hirn-Schranke, bindet an die Nervenzellen im Gehirn und wirkt dadurch neuroprotektiv. Beobachtungsstudien zeigten einen Zusammenhang zwischen 25-Hydroxyvitamin D3 und der kognitiven Funktion. Ein niedriger Vitamin-D3-Status ist vermutlich ein Risikofaktor für eine eingeschränkte Kognition: Mendelsche Randomisierungsstudien legen einen kausal protektiven Effekt von Vitamin D3 auf die Demenz nahe, welcher unabhängig vom Lebensstil ist. Für den empfohlenen Zielwert von 20 ng/ml 25-Hydroxyvitamin D3 sollten mind. 800 IE Vitamin D täglich supplementiert werden, besser 1 000–2 000 IE.
Unterstützung der synaptischen Plastizität
Magnesium beeinflusst strukturelle Veränderungen der Synapsen, erklärte Prof. Dr. med. Klaus Kisters (Herne), und stabilisiert die Gehirnfunktion. Das geschieht durch Blockade der NMDA-Rezeptorkanäle und Reduktion der Beta-Amyloid-Plaques. Magnesium ist außerdem für die Verstoffwechselung von Glucose nötig und für die Regulation der Zellproliferation und Apoptose. Eine unzureichende Versorgung kann eine vaskuläre Demenz verschlechtern. So war in einer grundlegenden Studie die Magnesiumkonzentration im Liquor cerebrospinalis bei Demenz signifikant im Vergleich zu den Kontrollen erniedrigt. Neuere Daten weisen darauf hin, dass eine Magnesiumtherapie die Interleukin-6-Spiegel beeinflusst, die Stoffwechselstörungen im Gehirn begünstigen. Nach 12 Wochen wurde die Entzündung gebremst und ein gefäßschützender Effekt beobachtet. Möglicherweise besteht eine Verbindung zwischen einer entglittenen Magnesiumhomöostase und Entzündungen im Nervensystem. In der Geriatrie und Neurologie verhindert eine Supplementation von täglich 300–500 mg Magnesium einen Mangel, z. B. in organischer Bindung mit Orotsäure.
Die Autorin
Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart
dres.reinecke@t-online.de
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Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie
Online-Symposium „Biofaktoren und Hirnleistung – eine Bestandsaufnahme. Wissenschaftliche Erkenntnisse und fundierte Praxistipps“ (Veranstalter: Gesellschaft für Biofaktoren e. V.), November 2023