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Suchterkrankungen

Rauchen

Wege aus der Abhängigkeit

Jasmin Kurowsky

20.10.2020

Wenn es Rauchern von allein nicht gelingt, den Tabakkonsum zu reduzieren oder ganz aufzugeben, können Ärzte unterstützend medikamentöse Maßnahmen ergreifen. Die Möglichkeiten erstrecken sich von Nikotinpflastern über Kaugummis bis hin zu Inhalatoren.

Tabakkonsum ist der wichtigste vermeidbare Risikofaktor für Erkrankungen wie Atherosklerose, Karzinome der Atemwege und COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) sowie für vorzeitige Sterblichkeit.[1] Vor dem Hintergrund der zahlreichen gesundheitlichen Schäden ist eine Rauchentwönung grundsätzlich bei jedem Patienten in allen Lebensabschnitten sinnvoll. Nur wenigen Rauchern gelingt es jedoch, ohne weitere Hilfe eine Abstinenz zu erreichen. Zur Unterstützung bieten sich multimodale Therapiestrategien an, die von einer nicht  medikamentösen Behandlung (z. B. einer Kurzberatung oder einer verhaltensbezogenen Therapie) bis hin zu Pharmakotherapien reichen.

Zur Diagnosestellung ist der Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit international gebräuchlich.[2] Er korreliert mit biochemischen Parametern wie dem CO-Gehalt der Ausatemluft oder dem Cotininspiegel im Blut oder Urin, die als objektive Maße zur Bestimmung der Intensität des Rauchens herangezogen werden können.

Entwöhnung durch Nikotinersatztherapie

Nikotinersatztherapeutika (NET) sind ein zentrales Element bei der Behandlung der Tabakabhängigkeit und gelten aufgrund ihrer günstigen Wirkung-Nebenwirkung-Relation als Arzneimittel der ersten Wahl.[1]

Nikotin ist die wichtigste suchterzeugende Substanz im Tabakrauch, die über nikotinerge Acetylcholinrezeptoren im zentralen Nervensystem sowohl anregende als auch beruhigende psychotrope Wirkungen vermittelt. Das Prinzip der therapeutischen Nikotinanwendung durch NET liegt darin, durch eine vorübergehende Nikotinsubstitution initiale Entzugssymptome nach dem Rauchstopp wie Verstimmung, Nervosität und das Rauchverlangen zu vermindern, ohne dass die übrigen Schadstoffe der Zigarette zugeführt werden. Ziel der NET ist es, innerhalb eines bestimmten Zeitraums (i. d. R. 6–12 Wochen) die Nikotinsubstitution etappenweise zu reduzieren.

Zu den Darreichungsformen zählen langwirksame Präparate wie Nikotinpflaster und kurzwirksame Anwendungen wie Tabletten, Kaugummis und Inhalatoren bzw. Inhaler, die dem Durchbrechen des akuten Rauchverlangens dienen. Darüber hinaus sei das Mundspray, das über die Wangenschleimhaut (buccal) bereits nach 30–60 Sekunden wirkt, als aktuell schnellste orale Nikotinersatzform zu erwähnen.

Zur Wirksamkeit der NET liegen zahlreiche aktuelle kontrollierte Studien und Metaanalysen vor, die zeigen, dass der Einsatz der NET bei der Tabakentwöhnung gegenüber Placebo zu einer Verdopplung der Erfolgswahrscheinlichkeit führt.1 Die medikamentöse Unterstützung des Rauchers mithilfe einer NET ist daher als wirkungsvoll zur Erreichung der Tabakabstinenz anzusehen.

Nikotinpflaster

Je nach Dosis stellen Nikotinpflaster einen konstanten Nikotinserumspiegel über eine Zeit von 16 bis zu 24 Stunden im Körper bereit. Als transdermale Pflaster sind sie meist in drei Stärken verfügbar, äquivalent zum Tageszigarettenkonsum von > 10, > 20 und > 30 Zigaretten. Die Anfangsdosierung sollte im Regelfall mit der höchsten Dosierung erfolgen, nach vier Wochen kann eine erste Reduktion, nach weiteren zwei oder mehr Wochen, je nach individuellem Verlauf, die nächste Reduktion erfolgen.

Kaugummis und Tabletten

Nikotinkaugummis oder Sublingual- bzw. Lutschtabletten werden häufig bei einer nur geringen bis mittelstarken Nikotinabhängigkeit (< 5 Punkte nach dem Fagerström-Test) eingesetzt. Mithilfe dieser kurz­wirksamen Präparate gelingt es, innerhalb von 15–30 Minuten wirksame Nikotinspiegel im Blut aufzubauen. Im Fall einer Pflasterallergie stellt die Anwendung von Nikotinkaugummis oder -tabletten die beste Alternative dar.

Nikotininhalator

Mit dem Nikotininhalator bzw. -inhaler wird die Nikotinaufnahme über die Zigarette imitiert. Über ein Mundstück wird Nikotin aus einer Patrone ohne Verbrennungsprozess inhaliert. Im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung muss die tägliche Dosis auch hierbei allmählich reduziert werden.

Kombinationsbehandlung

Bei einer starken Tabakabhängigkeit und einem hohen Tageszigarettenkonsum ist die Kombination eines langwirksamen Präparats (Pflaster) und eines kurzwirksamen Präparats (Kaugummi, Tablette, Mundspray oder Inhaler) wirkungsvoller als die Gabe eines Nikotinpflasters allein.[2] Die Kombination ist eben­falls zu empfehlen, wenn sich die Einzelanwendung als nicht ausreichend erweist.

Vareniclin und Bupropion

Wenn eine leitliniengerecht durchgeführte medikamentöse Therapie mit Nikotinersatztherapeutika nicht ausreichend wirksam ist, können nach Prüfung von Kontraindikationen die zugelassenen, verschreibungspflichtigen Arzneimittel Vareniclin oder Bupropion gegeben werden.[1]

Bei Bupropion handelt es sich um ein Antidepressivum, das auch zur Rauchentwöhnung eingesetzt wird. Seine Wirkung beruht darauf, dass es an neuronalen Synapsen die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin hemmt, wodurch nikotinassoziierte Entzugserscheinungen vermindert werden. Vareniclin ist ein partieller Agonist des nikotinischen Acetylcholinrezeptors, der die Nikotinwirkung am Rezeptor imitiert und gleichzeitig die Bindung von Nikotin hemmt. Das Rauchverlangen wird dadurch unterbunden.

E-Zigaretten weiterhin umstritten

E-Zigaretten sind Tabakerzeugnissen verwandte Produkte, in denen ein flüssiges Chemikaliengemisch (Liquid) aus Propylenglykol und/oder Glycerin, Aromen und zumeist Nikotin verdampft wird. Das dabei entstehende Aerosol wird wie beim Rauchen inhaliert.

Die E-Zigarette kann laut Leilinien nur in Ausnahmefällen, wenn eine Standardtherapie nicht möglich ist oder in der Vergangenheit nicht erfolgreich war, als Mittel zur Tabakentwöhnung erwachsener, stark nikotinabhängiger Patienten diskutiert werden.[2] Die Schadstoffmenge im Aerosol von E-Zigaretten ist Analysen zufolge zwar deutlich niedriger als im Rauch von normalen Zigaretten. Studienergebnisse weisen dennoch kanzerogene, toxische Substanzen in den Emissionen nach.[3] Vor dem Hintergrund der aktuellen Krankheits- und Todesfälle in den USA, ist unter Experten nach wie vor umstritten, ob E-Zigaretten als weniger schädliche Alternative zu normalen Zigaretten angesehen werden können. Eine uneingeschränkte Empfehlung als Nikotinersatztherapeutikum kann daher und auch aufgrund mangelnder Daten zum Langzeitgebrauch nicht gegeben werden.

Die Ursachen für die Fälle von Lungenschäden und Atemwegserkrankungen im Zusammenhang mit E-Zigaretten-Gebrauch in den USA sind weiterhin offen. Möglich sind laut Experten beispielsweise Aromastoffe in den Flüssigkeiten, das Vermischen mit Ölen, die den Cannabis-Wirkstoff THC oder Vitamin E enthalten, oder Schwarzmarktprodukte.[4] Die Beschwerden scheinen sich jedoch auf Benutzer in den USA zu beschränken. Die Zusammensetzung der Wirkstoffe in E-Zigaretten ist dort deutlich weniger reguliert als in Deutschland.

Der Expertenkommentar

„Aufgrund der meist vorliegenden Tabakabhängigkeit schaffen nur 3–5 % der Raucher ohne weitere Unterstützung einen erfolgreichen Rauchstopp. Bei Vorliegen einer Abhängigkeit hat neben der verhaltenstherapeutischen Unterstützung der Raucher eine medikamentöse Therapie einen wichtigen Stellenwert in der Tabakentwöhnung. Die medikamentöse Unterstützung, etwa durch NET, ermöglicht Rauchern das Entkoppeln von Zigarette und bisherigen Rauchsituationen durch die Reduktion bzw. den Wegfall der Entzugssymptomatik.”

Der Experte

Dr. Alexander Rupp
Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie und Suchtmedizin
Pneumologische Praxis im Zentrum
70173 Stuttgart

a.rupp@lunge-stuttgart.de

[1] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Arzneiverordnung in der Praxis 2010; 37(2): 4–25
[2] www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/076-006l_S3_Tabak_2015-02-abgelaufen.pdf. Stand: 7. Oktober 2019
[3] Nowak D. et al., Pneumologie 2015; 69: 131–134
[4] www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc1912818. Stand: 20. September 2019

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