Eine britische Autoren-Gruppe hat erstmals in einer Studie Mortalitätsdaten von Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) erfasst. Bis zu 3 % der Erwachsenen leiden an ADHS, obwohl die meisten in Großbritannien – wie in Deutschland auch – nicht diagnostiziert sind. Erwachsene mit ADHS schneiden im Durchschnitt bei Ausbildung oder Arbeitsplätzen schlechter ab, sind körperlich und geistig weniger gesund und sterben früher als Menschen ohne diese Neuroentwicklungsstörung.
Die jetzt vorgelegte erste Studie mit Mortalitätsdaten aus der britischen Primärversorgung hat das Lebenserwartungsdefizit von Erwachsenen mit diagnostizierter ADHS in Großbritannien untersucht. Die gematchte Kohortenstudie unter Verwendung prospektiv gesammelter Daten aus der Primärversorgung (792 Allgemeinmediziner, 9 561 450 Personen, die von 2000 bis 2019 auswertbare Personenzeit beitrugen). Es wurden 30 039 Personen ab 18 Jahren mit diagnostizierter ADHS identifiziert sowie eine Vergleichsgruppe von 300 390 Teilnehmern und Teilnehmerinnen, die nach Alter, Geschlecht und Primärversorgungspraxis gematcht waren (1:10). Zur Schätzung der altersspezifischen Sterberaten und Sterbetafeln wurde die Poisson-Regression eingesetzt, zur Schätzung der Lebenserwartung für Personen ab 18 Jahren mit diagnostizierter ADHS die Sterbetafelschätzung („life table method“).
Etwa 0,32 % der Erwachsenen in der Kohorte hatten eine ADHS-Diagnose, also etwa 1 von 9 aller Erwachsenen mit ADHS. Diagnosen häufiger körperlicher und geistiger Erkrankungen kamen bei Erwachsenen mit diagnostizierter ADHS häufiger vor als in der Vergleichsgruppe. Die scheinbare Verkürzung der Lebenserwartung für Erwachsene mit diagnostizierter ADHS im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung betrug 6,78 Jahre (95%-KI 4,50-9,11) für Männer und 8,64 Jahre (95%-KI 6,55-10,91) für Frauen.
Das Forscherteam kommt zu dem Schluss, dass Erwachsene mit diagnostizierter ADHS kürzer leben als sie sollten. Gründe dafür sind wahrscheinlich veränderbare Risikofaktoren und ein ungedeckter Versorgungs- und Behandlungsbedarf sowohl in Bezug auf ADHS als auch gleichzeitig auftretende geistige und körperliche Komorbiditäten. Die Studie umfasste Daten von Erwachsenen mit diagnostizierter ADHS, deren Ergebnisse sich möglicherweise nicht auf die gesamte Bevölkerung erwachsener Menschen mit ADHS übertragen lassen, da die überwiegende Mehrheit dieser Patienten und Patientinnen keine Diagnose erhält.
O’Nions E et al.: Life expectancy and years of life lost for adults with diagnosed ADHD in the UK: matched cohort study. Br J Psychiatry. 2025 Jan 23:1-8 (DOI 10.1192/bjp.2024.199).