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Dermatologie

Onkologie

Strahleninduzierte Dermatitis

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

8.11.2021

Eine Strahlentherapie führt bei vielen Patienten zu starken Hautirritationen, die den Therapieerfolg beeinträchtigen und die Lebensqualität deutlich verschlechtern. Präventive Maßnahmen, schonende Hautpflege und eine geeignete Basistherapie können helfen, die Symptome zu lindern.

Eine strahleninduzierte Dermatitis entsteht Tage bis Wochen nach Beginn einer Strahlentherapie und ist auf die bestrahlten Hautbereiche beschränkt. Die Auswirkungen der Strahlendermatitis klingen vier bis sechs Wochen nach der letzten Bestrahlung wieder ab. Ausschlaggebend sind die eingesetzte Strahlendosis, die Hautempfindlichkeit des Patienten und die Größe des Bestrahlungsfeldes.

Als ursächlich für die Dermatitis gilt die Schädigung der Stammzellen in der Basalzellschicht. Dadurch wird die Zellteilung unterdrückt, Hauterneuerung und -integrität nehmen ab. Der Grad der Hautreaktion hängt vom Überleben der aktiv proliferierenden Basalzellen in der Epidermis ab. Die akute Form tritt innerhalb von 90 Tagen nach Strahlenexposition auf und wird in vier Kategorien unterteilt (Tab. 1) [1].

Das Auftreten einer chronischen Strahlungsdermatitis ist selten und kann Wochen bis Jahre nach ­Abschluss der Strahlentherapie auftreten (Radiation-Recall). ­Dieses Phänomen beinhaltet mehr entzündliche Veränderungen in der Haut und ist gekennzeichnet durch einen Anstieg des Kollagens in der Dermis, eine fragile Epidermis und eine verstärkte Teleangiektasie.

Tabelle Stadien der Strahlendermatitis

Patientenmanagement

Bei Patienten mit akuter Strahlungsdermatitis sollten Strahlendosis und -verteilung überprüft und ggf. im Tumorboard reduziert werden. Dabei gilt es, sonstige Faktoren wie begleitende Medikation oder andere (Kontaktdermatitis, Infektion) als Ursache auszuschließen. Von Patientenseite sind ebenfalls einige Punkte zu beachten: Zu vermeiden sind mechanische (Reiben auf der Haut, z. B. festes Abtrocknen, Heftpflaster) und chemische Reizungen (Parfüm, Make-up, Desinfektionsmittel). Zudem sollten direkte Sonneneinstrahlung sowie Temperaturextreme (Heizkissen, Haarföhn, Sauna) möglichst gemieden werden. Weite, nicht abschließende, nicht scheuernde, luftdurchlässige Kleidung unterstützt die Prävention. Die dünne Applikation von Lotion, Puder und Deodorant ist auch vor der täglichen Bestrahlung akzeptabel. Nicht zu unterschätzen ist der psychologische Faktor für die Patienten [2]. Ziel sollte es sein, die Patientencompliance zu erhalten. Hier sind neben dem persönlichen Gespräch auch schriftliche Patienteninformationen hilfreich.

Die sorgfältige Aufklärung der Patienten zur richtigen Hautreinigung und -pflege ist von elementarer Bedeutung.

Nach heutiger Kenntnis und Erfahrung ist das Dermatitisrisiko durch vorsichtiges Waschen und Eincremen zusammen mit hautschonenden Bestrahlungstechniken deutlich gesunken. Der pH-Wert der Haut wird durch moderates Waschen stabil gehalten, auf konventionelle Seifen ist dabei zu verzichten, da sie den pH-Wert ins Basische verschieben können.

Eine Pflege mit Basiscreme oder Lipolotion unter Zusatz von Urea (2–5 %) ohne allergisierende ­Sub­stanzen (Duftstoffe, pflanzliche Inhaltsstoffe) ist­ entsprechend allgemeingültiger dermatologischer Empfehlungen angeraten [3].

Therapie

Durch tägliche Hautpflege können Symptome wie Juckreiz und andere Hautirritationen gemildert ­werden. Eine Basiscreme ohne potenziell allergisierende Zusätze, deren Wirkprinzip die natürliche Barrierefunktion der Haut erhält, schützt vor Feuchtigkeitsverlust. Zusätzlich kann ein hautneu­traler pH-Wert den natürlichen Säureschutzmantel der Haut unterstützen.

Wie die molekularen Grundlagen einer Basis-Therapie aussehen könnten, untersuchte eine deutsche Forschergruppe an einem 3D-Hautmodell aus humanen Keratinozyten und Fibroblasten, das weitgehend den anatomischen und physiologischen Eigenschaften menschlicher Haut ähnelt [4]. Durch Bestrahlung mit 5 Gy wurden Läsionen induziert und dann täglich topisch mit Dexpanthenol, einem Placebo-Vehikel oder gar nicht behandelt. An Tag 7 nach der Bestrahlung zeigten die mit Dexpanthenol behandelten ­Modelle eine vollständig wiederhergestellte ­Epidermis, während in den Kontrollgruppen weiterhin Störungen der Integrität der Epidermis erkennbar waren.

Mithilfe von Genexpressionsanalysen konnte gezeigt werden, dass die Bestrahlung ein proinflammatorisches Milieu und Störungen in der epidermalen Differenzierung induziert. Die Behandlung mit Dexpan­thenol-haltigem Topikum führte zur Up-Regulierung von Genen, die für die Rekrutierung von Immunzellen und weitere antiinflammatorische Effekte zuständig sind und so offensichtlich zur Wiederherstellung der Integrität beitragen.

Bei höhergradigen Formen der Strahlendermatitis  gilt eine Stufentherapie. Zu den Handlungsempfehlungen bis RTOG 2 a gehören zusätzlich zur Basis­lotion/-creme feuchtkühlende Umschläge (zimmerwarm), eine antiseptische Lösung 2–3 × tgl. sowie kortikoidhaltige Cremes. Ab RTOG 2 b greifen die Regeln der feuchten Wundversorgung: Antiseptische Behandlung bei Verdacht auf Infektion und ein leicht haftender Schaumverband als Wundauflage. RM

FAZIT:

Die Kooperation der Klinik und des Haus- oder Facharztes für die individuelle Hautpflege ist ein Erfolgsfaktor für den langfristigen Erfolg. Bei der Weiterbetreuung der Bestrahlungspatienten durch den niedergelassenen Arzt soll dieser eine genaue Information über die verwendeten und weiter empfohlenen Pflegepräparate erhalten, um die Therapie fortsetzen zu können.

1 Cox JD et al., Int J Rad Oncol Biol Phys 1995; 31: 1341–1346
2 Goldinger A., Pharmazeutische Betreuung bei Hautveränderungen. Pharmaz Z 2006 [Internet: www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-492006/pharmazeutische-betreuung-bei-hautveraenderungen/; letzter Zugriff am 26.08.2021]
3 Leitlinie Supportive Maßnahmen in der Radioonkologie, Version 1.2, Februar 2015
4 Huth S et al., Experim Dermatol 2021; 30: 745–750

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