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Sonderredaktion

Kasuistik

Orale Kontrazeption bei einer Patientin nach Thrombose

21.6.2024

Wir stellen einen Fall vor, in dem eine Patientin eine orale Kontrazeption wünscht – obwohl sie vor 2 Jahren bereits eine Thrombose hatte. Nach umfassender Beratung und Abwägen der Vor- und Nachteile steht fest: Drospirenon-mono ist aufgrund des individuellen Risikoprofils und des gewünschten Blutungsverhaltens hier die optimale Lösung.

Eine 32-jährige Patientin stellt sich in unserer Klinik zur Kontrazeptionsberatung vor. Anamnestisch ist eine Unterschenkelthrombose (vor 2 Jahren) ohne postthrombotisches Syndrom bekannt, die mit einer therapeutischen Antikoagulation behandelt wurde.

Im Zuge der Gerinnungsdiagnostik wurde bei der Frau eine Faktor-V-Mutation, heterozygot, festgestellt. Sie wünscht sich nach 5-jähriger Pillenpause eine sichere orale Kontrazeption, die gewichtsneutral und blutungsstabil ist. Vor der Pillenpause hatte sie mit einer Desogestrel-Monopille verhütet. Die Nulligravida ist normgewichtig und Nichtraucherin. Der Blutdruck beträgt 120/80 mmHg.

Thromboembolische Ereignisse

Venöse thromboembolische Ereignisse sind eine multifaktorielle Erkrankung [1]. Ein thrombotisches Ereignis tritt häufig als Folge des Aufeinandertreffens einer vorbestehenden Thromboseneigung und prädisponierenden Risikofaktoren auf, die schließlich zur Manifestation der Erkrankung führen. Das Risiko kann daher nicht anhand eines einzelnen ­Risikofaktors beurteilt werden, sondern nur in der Gesamtheit. Auch geringe Risiken können, wenn sie als Multiplikator eines hohen vorbestehenden Risikos wirksam sind, eine beträchtliche klinische ­Bedeutung haben [2,3]. Darauf verweisen auch die Rote-Hand-Briefe des Bundesinstituts für Arznei­mittel und Medizinprodukte (BfArM) [4] und die Leitlinie zur hormonellen ­Kontrazeption [5].

Erkenntnisse aus den 1990er Jahren zeigen, dass eine APC-Resistenz für etwa 20–30 % aller Thrombosen verantwortlich ist. Dadurch konnte die Bedeutung der Thrombophilie für die Klinik erkannt werden. Die APC-Resistenz wird in Westeuropa mit einer Prävalenz von 5–8 % gefunden [6]. Die phänotypische Expression dieser Risiken ist jedoch gering, der prädiktive Wert eines einzelnen Risikofaktors ist daher als Indikator klinisch unzureichend [6].

Der bedeutendste erworbene Risikofaktor ist eine vorausgegangene Thrombose. Akute und anamnestische Thrombosen stellen daher eine Kontraindikation für kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KHK) dar. Auch bei Thromboembolien in der Familienanamnese (Verwandte ersten Grades) in Kombination mit weiteren vorhandenen Risikofaktoren kann diese Form der Verhütung kontraindiziert sein [7]. In der Leitlinie und der Checkliste des BfArM sind die Faktoren zusammengefasst, diea im Zuge der Kontrazeptionsberatung mindestens erhoben werden sollen (Tab.) [4,5].

Überlegungen zur Kontrazeption

Kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) mit Ethinyl‑­estradiol (EE) weisen in Abhängigkeit des verwendeten Gestagens ein unterschiedliches Thromboserisiko auf. Initial zeigte die Kombination aus niedrig dosiertem EE mit Levonorgestrel (LNG) im Vergleich zu Kombinationen mit anderen Gestagenen das günstigste Risikoprofil [8] und wird vom BfArM als Referenz gewertet [4].

Bei unklaren Angaben, die ein erhöhtes Thromboserisiko nicht ausschließen, kann ein ergänzendes Thrombophiliescreening sinnvoll sein. Im vorliegenden Fall muss aufgrund vorangegangener Unterschenkelthrombose und heterozygoter Faktor-V-­Mutation auf die orale Estrogengabe ganz verzichtet werden. Trotz parenteraler Anwendung weisen ­Vaginalringe und Verhütungspflaster aufgrund der EE-Komponente im Vergleich zu KOK ein gleich hohes (Ring) bzw. höheres Thromboserisiko (Pflaster) auf und sind daher auch kontraindiziert [9].

Der Wunsch der Patientin, eine gewichtsneutrale, sichere hormonelle Verhütung, wird berücksichtigt. KOK sind aufgrund vorangegangener Unterschenkelthrombose und heterozygoter Faktor-V-Mutation kontraindiziert. Gestagen-Monopräparate (außer Depot-MPA) sind möglich. Da die Patientin eine intrauterine Kontrazeption ablehnt, haben wir ihr nach eingehender Diskussion der Vor- und Nachteile der verschiedenen Kontrazeptionsmethoden die Anwendung von Drospirenon-mono empfohlen. Aufgrund des günstigeren Blutungsmusters ist Drospirenon-mono der Desogestrel-Pille in dieser Situation vorzuziehen. Weiterhin sind durch die antimineralokortikoide Wirkung des Drospirenons keine negativen Auswirkungen auf das Gewicht zu erwarten.

Durch eine stattgefundene Unterschenkelthrombose und eine Faktor-V-Mutation waren bei der vorgestellten Patientin KOK kontraindiziert. Um ihrem Wunsch nach einer sicheren oralen Kontrazeption nachzukommen, die gewichtsneutral ist und ein günstigeres Blutungsprofil gegenüber Desogestrel aufweist, verordnen wir Drospirenon-mono. Nach 8 Monaten ist die Patientin mit dieser Kontrazeption noch ­immer sehr zufrieden.

Der Autor

Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal

Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE

thomas.roemer@evk-koeln.de

  1. Bertina RM et al., Thromb Haemostas 1995; 74: 449–53
  2. Koster T et al., J Intern Med 1995; 238: 31–7
  3. Miletich JP et al., Cell 1993; 72: 477–80
  4. https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2014/rhb-khk.html
  5. S3-Leitlinie „Hormonale Empfängnisverhütung“, AWMF-Reg.-Nr. 015/015, 2020
  6. Winkler UH, Gynäkologe 1997; 30: 341–51
  7. Römer T, Dtsch Ärztebl Int 2019; 116: 764–74
  8. Morimont L et al., Front Endocrinol 2021; 12: 769187
  9. Grandi G et al., Int J Womens Health 2022; 14: 913–29

Impressum
Bericht: Prof. Dr. med. Thomas Römer I Redaktion und Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Exeltis Germany GmbH (Ismaning)

Bildnachweis: privat

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