Trotz gegenläufiger Trends bevorzugen viele Frauen wegen der hohen kontrazeptiven Sicherheit eine orale Kontrazeption. Bei Adipositas und Hypertonus bestehen allerdings Bedenken gegen ein Kombinationspräparat. Eine gute und für die Patientin zufriedenstellende Lösung kann dann eine Gestagen-Monopille sein.
Eine 45-jährige Patientin stellt sich neu in der Praxis zur Kontrazeptionsberatung vor. Sie wendete in den vergangenen Jahren keine hormonelle Kontrazeption an. Seit 2 Jahren ist bei ihr ein Hypertonus bekannt, der mit Antihypertonika behandelt wird (aktueller Blutdruckwert: 130/90 mmHg). Die Patientin ist Nichtraucherin. Das Gewicht beträgt 97 kg bei einer Größe von 160 cm. Dies entspricht einem BMI von 38 kg/m2 (Adipositas Grad 2). Zudem zeigt sich bei der Patientin ein leichter Hirsutismus. Weitere Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie (VTE) bestehen laut BfArM-Checkliste nicht [1]. Wichtig ist für die Patientin vor allem eine sichere Verhütung. Die Patientin wünscht sich eine orale Kontrazeption.
Die Grunderkrankung Adipositas
Als indirektes Maß für Übergewicht und Adipositas gilt der Body-Mass-Index (BMI). Bei einem BMI zwischen 25 und 30 kg/m2 liegt ein Übergewicht vor. Bei einem BMI von über 30 kg/m2 eine Adipositas Grad 1, bei einem BMI über 35 kg/m2 eine Adipositas Grad 2 und bei einem BMI über 40 kg/m2 eine Adipositas Grad 3. Basierend auf Selbstangaben zu Körpergewicht und Körpergröße lag laut einer Studie des Robert Koch-Institus die Prävalenz der Adipositas in Deutschland in den Jahren 2019 und 2020 bei rund 19 % [2].
Adipositas ist oft verknüpft mit weiteren gesundheitlichen negativen Effekten, wie Hypertonie, Hyperlipidämie oder einem Typ-2-Diabetes. Die Vermeidung ungewünschter Schwangerschaften hat bei Patientinnen mit Adipositas eine besondere Bedeutung, da mit einem steigenden BMI auch erhöhte Risiken während der Schwangerschaft einhergehen. Die Abortrate nach spontaner Konzeption war in einer gepoolten Analyse von 6 Studien bei adipösen gegenüber normalgewichtigen Frauen um den Faktor 1,3 erhöht [3]. Ein interessanter Aspekt dabei ist, dass bei Adipositas häufiger als bei Normalgewicht euploide Fehlgeburten berichtet werden [4]. Das Vorliegen einer Adipositas führt auch zu einem erhöhten VTE-Risiko. Während das Risiko bei Übergewicht (BMI 25–30 kg/m2) um das bis zu 1,9-Fache erhöht ist, erhöht sich das relative Risiko bei einem BMI über 30 kg/m2 um das 2- bis 5-Fache [5,6].
Patientinnen mit einer Adipositas haben aufgrund der erhöhten Estrogenproduktion im Fettgewebe häufiger Blutungsstörungen, auch ohne Kontrazeptiva [6]. Aus diesem Grund besteht ein erhöhtes Risiko für Endometriumhyperplasien.
Überlegungen zur Kontrazeption
Bei der Beratung von Patientinnen mit Adipositas sind neben dem erhöhten VTE-Risiko in der Praxis ein paar weitere Besonderheiten zu bedenken:
Wir haben der Patientin nach eingehender Diskussion der Vor- und Nachteile der verschiedenen Kontrazeptionsmethoden die Anwendung von Drospirenon-mono empfohlen.
Bei der vorliegenden Kombination aus Adipositas Grad 2, Hypertonus und auch dem Alter der Patientin besteht eine relative Kontraindikation für kombinierte hormonelle Kontrazeptiva [11]. Eine Gestagen-Monopille ist bei der Adipositas Grad 2 und dem Risikofaktor Hypertonie eine gute Alternative [5]. Aufgrund der antiandrogenen Wirkung von Drospirenon (Problem Androgenisierungserscheinung bei der Patientin) und des günstigeren Blutungsmusters ist dies der Desogestrel-Pille in dieser Situation vorzuziehen. Weiterhin sind durch die antimineralokortikoide Wirkung des Drospirenons keine negativen Auswirkungen auf das Gewicht zu erwarten und es kann auch bei adipösen Patientinnen angewendet werden. Drospirenon-mono hat bei einem milden Hypertonus laut Studienlage sogar einen geringen blutdrucksenkenden Effekt [12].
Die Kombination der beiden Risikofaktoren Adipositas Grad 2 und Hypertonie kann das individuelle VTE-Risiko erhöhen. Daher stellten wir die Patientin auf die Drospirenon-Monopille ein. Darüber hinaus profitiert die Patientin von der antimineralokortikoiden und antiandrogenen Wirkung des Gestagens. Die Patientin kommt mit dieser Kontrazeption gut zurecht.
Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal
Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE
Impressum
Bericht: Prof. Dr. med. Thomas Römer I Redaktion und Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Exeltis Germany GmbH (Ismaning)
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