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SONDERREDAKTION

Intervall-Hypoxie-Therapie

Prävention und Rehabilitation von COVID-19

Dr. med. Egor Egorov

Die präventive Intervall-Hypoxie-Therapie ist eine effiziente Methode, um bei Risikopatienten im Falle einer Infektion die Komplikationen zu minimieren. Auch nach überstandener COVID-19-Infektion können Patienten von der innovativen Therapie profitieren.

Der Staatsfeind Nr. 1 heißt derzeit SARS-CoV-2 bzw. COVID-19. Wie der offizielle Name verrät, gehört das Virus zur Familie der SARS-Co-Viren, die mittlerweile gut erforscht sind. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse fließen in die folgenden Ausführungen mit ein. Denn um den Nutzen der Intervall-Hypoxie-Therapie im Zusammenhang mit COVID-19 zu verstehen, muss ganz am Anfang des Infektionsgeschehens begonnen werden: Was passiert, wenn das Virus über die Atemwege aufgenommen wird?  Es ist erwiesen, dass sowohl SARS-CoV-1 als auch SARS-CoV-2 das Angiotensin-konvertierende Enzym (ACE-2) als Andockstelle nutzen. Über den ACE-2-­Rezeptor, der sich auf der Membran der Pneumo­zyten befindet, greift das Virus die Lungen an. Mithilfe einer „molekularen Schere“, der trans­mem­branen Serinprotease 2 (TMPRSS2), verschafft es sich Zutritt in das Zellinnere. Nur wenn ACE-2 und TMPRSS2 ­exprimiert sind, kann SARS-CoV-2 durch die zellu­läre Membran dringen und sich replizieren. Weniger ACE-2-Rezeptoren und eine stumpfe TMPRSS2-„Schere“ würden die Infektionsgefahr von COVID-19 deutlich verringern. Darüber wird derzeit diskutiert. Medikamentös wird mit Antikörpern versucht, die Rezeptoren zu blockieren und die Proteinschere zu zerstören. Ein Vorgehen nach dem Gießkannenprinzip und mit unvorhersehbaren Nebenwirkungen. Eine andere Möglichkeit ist die Aktivierung der Protease ADAM17. Sie spaltet Membranproteine, was zur Dezimierung der ACE-2-­Rezeptoren führt.

Prophylaxe


Die Intervall-Hypoxie-Therapie bewirkt eine Präkonditionierung auf eine Hypoxie. Sie setzt einen Reiz, auf den der Körper mit der Verbesserung seiner Schutzmaßnahmen reagiert. Ausgelöst werden die Veränderungen durch den Hypoxie-induzierten Faktor (HIF). Dessen Erforschung wurde 2019 mit dem Medizin-Nobelpreis gekrönt. In der Literatur finden sich Daten, dass der HIF die Entstehung von ACE-2 hemmt und die Aktivität der Proteinschere herabsetzt, aber die Bildung von ADAM17 stimuliert. Diese Effekte bleiben über mehrere Wochen nach einer Intervall-Hypoxie-Kur stabil. Der biologische Sinn hinter dieser Reaktion des Körpers auf eine Hypoxie ist noch nicht geklärt. Dafür bedarf es noch weiterer Grundlagenforschung. Aber zur Prävention lässt sich die körperliche Reaktion nutzen. Denn durch die Stimulation der HIF-Expression setzt die Intervall-Hypoxie-Therapie einen Wirkmechanismus in Gang, der die Invasivität von SARS-CoV-2 verringert. Die Andockstellen fallen weg, die Eintrittspforte für das Virus verschließt sich. Für Menschen mit einem erhöhten Risiko für COVID-19-Komplikationen könnte die innovative Methode eine erste Schutzmaßnahme sein. Eine weitere könnte eine Verlaufsmilderung im Falle einer Infektion sein, die ebenfalls mit einer präventiven Intervall-Hypoxie-Therapie erreicht werden kann.

Durch die Stimulation der HIF-­Expression setzt die Intervall-Hypoxie-Therapie einen Wirk­mechanismus in Gang, der die Invasivität von SARS-CoV-2 verringert.

Ganz aktuell ist der Therapieansatz mit Stickstoffmonoxid (NO) bei COVID-19-Patienten in den USA. Unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt die Food and Drug Administration (FDA) die Anwendung von noch nicht zugelassenen Medikamenten als Compassionate Use. Diese Ausnahmeregelung besteht auch für inhalativen Stickstoffmonoxid. Bereits bei der letzten SARS-Welle konnte nachgewiesen werden, dass Stickstoffmonoxid nachweislich die Virusreplikation verlangsamt und die Notwendigkeit für eine spätere Beatmung senkt. NO wurde auch wirksam bei SARS-Patienten eingesetzt, die an einer Lungenentzündung erkrankt waren. Die enge Verwandtschaft zum Corona-Virus legt die Anwendung von Stickstoffmonoxid auch bei COVID-Patienten nahe.Bei einer Intervall-Hypoxie-Therapie kommt es zu einer verstärkten Stickstoffmonoxid-Synthese. Die Endothelzellen der Tunica intima reagieren auf den Einfluss der Hypoxie mit einer gesteigerten NO-Bildung. Das Gas beeinflusst entscheidend die Dilatation der Gefäße. Es verlässt das Endothel und bewirkt im umliegenden Gewebe eine Relaxation der glatten Muskelzellen. An der Tunica intima selbst verhindert NO die Adhäsion und Aggregation von Thrombozyten. Interessant ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass die Endothelzellen unter dem Einfluss der Hypoxie den gefäßbildenden Faktor VEGF bilden. Durch seine Bildung kommt es im Zuge der Hypoxie-Therapie zu einer Neoangiogenese der Kapillargefäße. Sehr häufig befinden sich diese zusätzlichen Gefäße in geschädigten oder minderdurchbluteten Gewebeabschnitten.

Verlaufsmilderung


Ältere Menschen und Patienten mit einer chronischen Erkrankung wie der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, metabolischem Syndrom oder mit einer Immunschwäche sind besonders prädestiniert für einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19. Lebensbedrohlich wird es, wenn das Immunsystem in Form eines Zytokinsturms entgleist. Die Überreaktion begünstigt Komplikationen wie massive Störungen der Endothel- und Blutgerinnungsfunktion, die letzt­endlich bis zum Multiorganversagen führen können. Es gibt viele Erklärungen für die Ursachen eines Zytokinsturms. Eine gestörte Funktion der Mitochondrien ist eine davon. Eine verminderte Adenosintriphosphat(ATP)-Bildung schränkt die Immun­zellen bei der Abwehr von Krankheitserregern ein, wie jüngst verschiedene wissenschaftliche Arbeiten auch in Verbindung mit COVID-19 gezeigt haben. Die Hypoxie führt neben der Replikation von gesunden Mitochondrien gleichzeitig zur Apoptose der geschädigten. Die Optimierung des gesamten Zellstoffwechsels ist ein wesentlicher Schritt, die Gefahr für einen Zytokinsturm herabzusetzen. Als Folge des Zytokinsturms kommt es zur Ansammlung von Immunzellen am Ort der Entzündung. Durch die Bildung von verschiedenen Zytokinen, Radikalen und Gerinnungsfaktoren wird die Funktion des Gewebes beeinträchtigt – was bis zum Organversagen führen kann. Einer Hyperaktivität des Immunsystems kann mit präventiver Intervall-Hypoxie-Therapie vorgebeugt werden. Als Erklärung dient eine Beobachtung an den neutrophilen Granulozyten. Mit einem Anteil von 50–65 % kommen sie unter den Leukozyten am häufigsten im menschlichen Körper vor. Unter normalen Umständen sind die Neutrophilen die Hauptakteure für eine frühe Infektabwehr. Eine ihrer Fähigkeiten ist die Bildung von Neutrophil Extracellular Traps (NET). Mit der netzartigen Struktur können sie verschiedene Mikroorganismen abfangen und töten. Bei einer Entgleisung des Immunsystems wird aus der gewünschten Wirkung der NET eine pathophysiologische. In verschiedenen Studien konnte in den vergangenen Jahren die Dysregulation der NET-Bildung mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht werden, bei denen sich der Körper gegen die eigenen Moleküle richtet. Eine Studie mit Alzheimer-Patienten zeigt den positiven Einfluss der Hypoxie auf die gesteigerte Aktivität von Neutrophilen. Nach einer dreiwöchigen Intervall-Hypoxie-Therapie verringerte sich die NET-Bildung um 53 %. Eine Verringerung der überschießenden Aktivität der Neutrophilen bei chronisch-entzündlichen Pathologien bedeutet im Umkehrschluss: Patienten mit chronischen Erkrankungen könnten nach einer Hypoxie-Kur besser auf eine COVID-19-­Infektion vorbereitet sein.

Nachbehandlung


Nach einer COVID-19-Infektion leiden viele Patienten an einer gestörten Lungenfunktion und einem Müdigkeitssyndrom mit ganz unterschiedlicher Ausprägung. Nach der Akutbehandlung ist deshalb eine anschließende Rehabilitation für die meisten Patienten unumgänglich. Eine Behandlung mit Intervall-Hypoxie bietet sich als Nachbehandlung an. Es gibt ausreichend Studien, die zeigen, dass die Intervall-Hypoxie-Therapie die Lungenfunktion signifikant verbessert. Es wurde beispielsweise die vermehrte Bildung des Surfactants in den Alveolen festgestellt, was der Atelektasenbildung entgegenwirkt und die alveolar-endotheliale Passage erleichtert. Diese Hypoxie-Wirkung wird bereits als medikamentöse Behandlung diskutiert. Es gibt Überlegungen, bei COVID-19-Patienten die Lungenfunktion mit der Verabreichung von Surfactant zu verbessern. Zudem wird diskutiert, die Lunge prophylaktisch mit Surfactant vor SARS-CoV-2 zu schützen. Der verbesserte Gasaustausch über die Luft-Blut-Schranke bewirkt die erste Verbesserung bei der Sauerstoffversorgung. Die nächste wird ebenfalls unter dem Einfluss der Hypoxie ausgelöst: Die Aktivierung der Erythropoetin-Synthese. Sie führt zur Erhöhung der Sauerstoffkapazität im Blut. Hinzu kommt, dass Erythropoetin (EPO) nicht nur zu einer Zunahme der Erythrozytenzahl führt, sondern auch vor Krankheiten schützt. Es laufen Untersuchungen zu Alzheimer, Parkinson und zur Regeneration nach einem Apoplex. Außerdem liegen Hinweise vor, dass EPO auch vor einem tödlichen Verlauf einer COVID-19-Infektion bewahren kann. Dieser Aspekt macht die Intervall-Hypoxie für die Medizin immer interessanter, weil sich die EPO-Bildung künstlich erhöhen lässt. Für Patienten mit einem viralen Post-Fatigue-Syndrom gibt es häufig nur die Empfehlung für ein moderates Ausdauertraining. Für viele ist körperliche Aktivität vor allem am Anfang nur schwer bis gar nicht durchführbar. Ein Hypoxie-Training stellt für geschwächte Patienten eine perfekte Alternative dar. Es ist weniger anstrengend und vollkommen ungefährlich. Während der Anwendung sind die Patienten in der Regel sehr entspannt und teilweise schlafen sie auch kurz ein. In dieser Zeit durchlaufen die Zellen und Mitochondrien mehrere Oszillationen von Sauerstoffpartialdruck-Veränderungen. Die Wirkung ist mit einer physischen Belastung vergleichbar, ­jedoch sind die zellulären und systemischen Effekte viel ausgeprägter. Die Verbesserung der mitochondrialen Funktion und die Optimierung der ATP-Produktion tragen wesentlich zum Erfolg der Hypoxie-Behandlung bei.

Die Intervall-Hypoxie-Therapie stellt eine wertvolle und sichere Methode zur Verlaufsmilderung und Nachbehandlung von COVID-19 dar. Risikopatienten können sich präventiv vor schweren COVID-19-Verläufen schützen, und Patienten gewinnen nach einer SARS-CoV-2-Infektion durch die Behandlung wieder mehr Energie und Lebensqualität.

DER AUTOR

Dr. med. Egor Egorov
Facharzt für Anästhesie und
Co-Autor mehrerer Studien zum
Thema Hypoxie.
Sein Wissen und seine Erfahrungen
gibt er in Seminaren und Fortbildungs­veranstaltungen
der Internationalen
Hypoxie-Hyperoxie Gesellschaft e. V.
an Kollegen weiter

www.interhypox.de

Literatur beim Autor. Sie kann angefordert werden unter: info@interhypox.org

Bericht: Dr. med. Egor Egorov  I  Redaktion: Dr. phil. nat. Claudia Schierloh I Konzept: Elke Engels
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der CellAir Construction GmbH (Schorndorf)

Bildnachweis: privat

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