- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

NMOSD - Nachweis von AQP4-Ak ermöglicht frühes Eingreifen

Dr. med. Bianca Bach

9.10.2023

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) sind mit der Multiplen Sklerose (MS) verwandt. Sie betreffen vor allem Sehnerv, Rückenmark und Hirnstamm. Da Schübe bleibende Behinderungen hinterlassen können, benötigen die Betroffenen rasch eine wirksame Therapie.

NMOSD sind seltener als MS und unterscheiden sich von dieser u. a. klinisch und immunologisch (Abb.). Frauen erkranken 9 × so häufig wie Männer. Charakteristisch sind ein- oder beidseitige Optikusneuritiden mit schwerem bis vollständigem Visusverlust, langstreckige transverse Myelitiden (LETM), Zwischenhirnsyndrome mit Bewusstseinsstörungen, Hirnstammsymptome (unstillbares Erbrechen, Schluckauf) und unzureichendes Ansprechen auf hoch dosierte Glukokortikoide (GC). Oft bestehen neuropathische Schmerzen.

Zur Differenzialdiagnose empfiehlt die S2k-Leitlinie eine kraniale und spinale MRT, eine Liquorpunktion und eine Antikörperdiagnostik [1]. In etwa 80 % sind im Serum pathognomonische IgG-Autoantikörper gegen den Wasserkanal Aquaporin-4 (AQP4) auf Astrozyten nachweisbar. Das ermöglicht eine frühe Diagnose und Therapie und hat die hohe Mortalität deutlich reduziert. Trotzdem drohen mit jedem Schub bleibende Schäden bis etwa zur Rollstuhlpflichtigkeit oder Erblindung.  

Akut erhalten Patienten für 5 Tage Methylprednisolon 1 g/Tag intravenös (i. v.) und ggf. eine Plasmapherese oder Immunadsorption. Bei AQP4-IgG-positiver NMOSD ist bereits nach dem ersten Schub eine Immuntherapie indiziert. Die Zeit zum Wirkeintritt überbrücken orale GC in absteigender Dosierung für 3–6 Monate. Erstlinientherapeutika sind die monoklonalen Antikörper Eculizumab, Inebilizumab, Rituximab (RTX) oder Satralizumab. RTX ist wie die Alternativen ­Aza­thioprin (AZA), Mycophenolat-Mofetil (MMF), ­Tocilizumab (TCZ) oder i. v. Immunglobuline (IVIG) off-label. Darüber muss man die Patienten aufklären.

Zugelassene Antikörper

Das gegen Komplement C5 gerichtete Eculizumab war 2019 der erste der 3 in Deutschland bei AQP4-IgG-positiver NMOSD zugelassenen Antikörper. Anders als der anti-CD19-Antikörper Satralizumab und das gegen den Interleukin-6-Rezeptor (IL-6R) gerichtete Inebilizumab darf man es nicht nur alleine, sondern auch als Add-on-Therapie verabreichen, dafür aber erst ab dem zweiten Schub.

Dosiert werden die 3 Medikamente wie folgt:

  • Eculizumab: 900 mg/Woche i. v. über 4 Wochen, dann 1 200 mg in Woche 5 und dann alle 2 Wochen
  • Inebilizumab: 300 mg i. v. in Woche 0 und 2, dann halbjährlich
  • Satralizumab: 120 mg subkutan in Woche 0, 2 und 4, dann alle 4 Wochen

Eculizumab scheint das Rezidivrisiko am besten zu minimieren [2], wirkt schneller als andere Substanzen, ist mit Jahrestherapiekosten > 500.000 Euro aber sehr teuer. Bis 2 Wochen vor Therapiebeginn sollten die Patienten gegen Meningokokken geimpft sein. Sonst benötigen sie bis 2 Wochen nach der ersten Impfung prophylaktisch Antibiotika.

Inebilizumab senkt die Schubrate und bremst das Fortschreiten der Behinderung [3]. Wegen des Risikos für infusionsbedingte Nebenwirkungen ist eine Prämedikation (GC, Antihistaminikum; Antiphlogistikum) nötig. Opportunistische Infektionen oder eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) wurden nicht beobachtet, auch keine klare Assoziation mit schweren Infektionen. Gleichwohl ist langfristig mit Hypogammaglobulinämien zu rechnen.

Die Wirkung von Satralizumab setzt nach 8–12 Wochen ein und sorgt bei fast drei Viertel der Behandelten für eine anhaltende Schubfreiheit. Seine Halbwertszeit ist länger als die von TCZ; beide können gastrointestinale Nebenwirkungen hervorrufen. Ein fehlender CRP-Anstieg unter anti-IL-6R erschwert es, Infekte zu erkennen.

Symptomatische Therapie unverzichtbar

Seronegative NMOSD-Patienten erhalten primär RTX, alternativ AZA, MMF oder IVIG. Mitoxantron und ­Cyclophosphamid sollen wegen möglicher schwerer Nebenwirkungen nicht mehr verwendet werden. Interferone, Glatirameroide, Natalizumab, Sphingosin-1-­Phosphat-Rezeptor-Modulatoren, Fumarate und Alemtuzumab sind bei NMOSD ungeeignet.

Eine Monotherapie ist anzustreben. Bei therapie­refraktärem Verlauf trotz Vortherapie mit zwei Antikörpern kommen aber auch Kombinationstherapien oder intermittierende Apherese infrage. Unter zusätzlichen klassischen Immunsuppressiva ist das erhöhte Risiko für opportunistische Infektionen zu ­bedenken. Bei Langzeit-Kombination mit GC ist eine Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie-Prophylaxe zu erwägen.

Die symptomatische Therapie umfasst Medikamente, etwa zur Linderung neuropathischer und spastikbedingter Schmerzen oder neurogener Blasenstörungen, nicht medikamentöse Maßnahmen, wie Physiotherapie, Ergotherapie, psychosoziale Betreuung, Neuromodulation, Hilfsmittelversorgung, multimodale Rehabilitation und Palliativversorgung.

1 Hemmer B et al., S2k-Leitlinie zu Multiple Sklerose, NMOSD [...]; AWMF-Reg.-Nr. 030-050 2023
2 Wingerchuk DM et al., Neurol Ther 2022; 11: 123–35
3 Marignier R et al., Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm 2021; 8: e978

Weitere Artikel aus dieser Serie finden Sie hier
Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt