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Allgemeinmedizin

Schlafgesundheit

Wachphasen bei Insomnie verringern

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

23.9.2022

Schlafstörungen werden gegenüber dem Arzt oft indirekt kommuniziert – mit Rücken- und Kopfschmerzen, Verstimmung oder Müdigkeit. Schlafstörungen sind jedoch eine primäre Erkrankung mit chronischem Verlauf, die die Leistungsfähigkeit am Tag erheblich beeinträchtigt.

Im Schlaf finden in der Nacht vier bis fünf Schlafzyklen (Nicht-REM-Phasen plus REM-Phase) mit verschiedenen Stadien statt. Stadium 1 zeichnet sich durch niedrigamplitudige Elektroenzephalografie(EEG)-Aktivität und langsame, rollende Augen­­bewegungen aus; in Stadium 2 dominieren Spindeln und K-Komplexe als typische EEG-Muster. Charakteristisch für die beiden Tiefschlafphasen sind dagegen langsame, hochamplitudige Delta-Wellen und fehlende Augenbewegungen. Der Tiefschlaf nimmt mit der Anzahl der Schlafzyklen ab, der REM-Schlaf nimmt hingegen zu, je mehr Schlafzyklen durchlaufen werden. Kennzeichnend sind hier schnelle Augenbewegungen bei geschlossenem Lid sowie niedrigamplitudige EEG-Wellen.

Kontrolliert wird der REM-Schlaf durch den zirkadianen Rhythmus, weshalb er durch künstliches Licht am Abend und in der Nacht gestört wird. ­Dadurch verzögert sich die Ausschüttung von ­Melatonin. Die korrekte Phasenbeziehung der Schlafperiode mit dem externen Schrittmacher ist jedoch wichtig, um genügend kontinuierlichen und erholsamen Schlaf zu bekommen.

Modulierung von Körperfunktionen

Während des Schlafs sind die zentralen Neuronen hoch aktiv und viele Körperfunktionen werden moduliert, u. a. das kardiovaskuläre und das hormonelle System. So wird beim Tiefschlaf auch das Wachstumshormon freigesetzt. Die Sympathikusaktivität nimmt im Zuge des Schlafs ab, die des Parasympathikus steigt an, Herzfrequenz und Blutdruck fallen ab. Reguliert wird der Schlaf-Wach-Rhythmus durch verschiedene Zentren in Großhirn und Hirnstamm wie dem aufsteigenden Aktivierungssystem der Formatio reticularis, Thalamus, Hypothalamus und Kortex (> Neurologie). Auch die Homöostase der Schlaf- und Wachphasen spielt eine Rolle, ebenso der zirkadiane Rhythmus im Körper sowie cholinerge, aminerge und serotonerge Neuronen. Das am Tag aktivierend und stimmungsaufhellend wirkende Serotonin sorgt nachts dafür, dass der Schlaf einsetzt. Entsprechend hoch ist der Serotoninspiegel in den Tiefschlafphasen. Die Wachheit fördert dagegen das Peptidhormon ­Hypocretin (Orexin), das von speziellen Neuronen im Hypothalamus während des Tages kontinuierlich sezerniert wird.

Bei gesundem Schlaf machen Tiefschlaf und ­REM-Schlaf je etwa 20 % aus, Stadium 2 etwa 50 % und Stadium 1 unter 5 %, in dieser Größenordnung sollten auch die normalen Wachphasen liegen. Behandlungsbedürftig sind Schlafstörungen, wenn die Tagesaktivität erheblich beein­trächtigt ist. Das ist am häufigsten bei Ein- und Durchschlafstörungen der Fall, die länger als drei bis vier ­Wochen dauern. Diese werden mithilfe von Fragebögen und Tagebüchern diagnostiziert. Bei therapierefraktären Insomnien und zur differenzial­diagnostischen Abklärung ist eine ­Polysomnografie nötig.

Schlafprobleme bewältigen

Bestimmte Substanzen und Verhaltensweisen ­greifen in das Schlafgefüge ein. Daher ist die Schlafhygiene so wichtig: kühler Schlafraum, gleiche Schlafenszeiten, kein Koffein und wenig ­Medienkonsum am Abend sowie keine verstärkten mentalen Aktivitäten vor dem Schlafengehen. Hilfreich können zudem Entspannungstechniken wie autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson oder Yoga sein. Bei der Bewältigung von Schlafstörungen kann auch eine Psycho­therapie helfen.

Phytotherapeutische Optionen umfassen Baldrian, Hopfen oder Melisse, einzeln oder in Kombination (> Naturmedizin). Klassische Schlafmittel sind Benzodiazepine (Flunitrazepam, Nitrazepam, Lormetazepam, Flurazepam) und die Z-Drugs (Zolpidem, Zopiclon). Dabei gilt: Beide Wirkstoffklassen wegen ihres Abhängig­keitspotenzials nicht länger als vier Wochen einnehmen (> Suchterkrankungen). Einen schlafanstoßenden Effekt haben niedrigdosierte trizyklische Antidepressiva sowie Mirtazapin, sedierend wirken Antihistaminika ­(Doxylamin, ­Diphenhydramin). Cave: ältere Patienten. Ruhig stellen auch niedrigdosierte Antipsychotika (wie Levomepromazin, Melperon, Pipamperon). Cave: zum Teil schwere Nebenwirkungen. Seit ­Kurzem ist Daridorexant zugelassen, das als ­Orexin-Antagonist wirkt und übermäßige nächtliche Wecksignale verringert. Auf diese Art soll der Wirkstoff beim Ein- und Durchschlafen helfen, ohne die für Benzodiazepine und Z-Substanzen typischen Hang-over-Effekte auszuüben.

Literatur bei der Autorin

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