Schlafstörungen verringern die Aktivität am nächsten Tag und können schwere Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Über die Besonderheiten der Chronischen Insomnischen Störung und innovative Behandlungsansätze spricht der Allgemeinarzt und Somnologe Dr. med. Michael Feld aus Frechen-Königsdorf.
Viele Patienten leiden jahrelang an durch Schlafstörungen verursachten Beschwerden. Trotzdem werden Schlafstörungen häufig nicht richtig diagnostiziert. Woran liegt das?
Da kommt einiges zusammen: Der Formenkreis der Schlafstörungen ist extrem heterogen. Die Schlafstörung wird traditionell als Symptom einer psychischen oder physischen Grunderkrankung begriffen.
Tatsächlich können Depressionen oder Atemwegserkrankungen Schlafstörungen verursachen. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, in dem Schlafstörungen als zugrunde liegende Erkrankung zu Depressionen oder Bluthochdruck führen können. Eine solche eigenständige Erkrankung liegt bei der Chronischen Insomnischen Störung vor: Probleme, ein- und durchzuschlafen – wie auch immer ursprünglich entstanden –, haben sich chronifiziert. Das erschwert den Alltag der Patienten stark, sie leiden beispielsweise unter Müdigkeit und verminderter Leistungsfähigkeit bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen wie gesteigerter Reizbarkeit.
Wie lässt sich eine Chronische Insomnische Störung diagnostizieren?
Patienten, bei denen über einen Zeitraum von drei Monaten mindestens dreimal pro Woche deutliche Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen auftreten und die Tagesaktivität beeinträchtigt ist, leiden unter einer Chronischen Insomnischen Störung. Wir Ärzte müssen Schlafstörungen als mögliche Ursache für andere Erkrankungen in Betracht ziehen, den Patienten auf seinen Schlaf ansprechen und die richtigen Fragen stellen. Patienten sprechen Schlafmangel oft nicht von sich aus an.
Kommen wir zur Therapie. Welche Behandlungsoptionen gibt es für die Chronische Insomnische Störung?
Erste Behandlungsoption ist eine kognitive Verhaltenstherapie [1]. Aufgrund des Mangels an Therapieplätzen steht diese leider vielen Patienten nicht zur Verfügung – und nicht jeder Patient ist dieser gegenüber zugänglich. Die medikamentöse Therapie wird aktuell in den Guidelines nachranging empfohlen. Grund dafür ist das potenzielle Risiko einer Abhängigkeit von Benzodiazepinen und Z-Substanzen, was dazu geführt hat, dass wir Ärzte betroffenen Patienten Schlafmedikamente in der Regel nur limitiert verschreiben sollten.
Zum Ende des Jahres wird ein neuer Wirkstoff in einer neuen Substanzklasse in Deutschland eingeführt werden: Daridorexant. Bei Daridorexant handelt es sich um einen dualen Orexin-Rezeptor-Antagonisten, dem ein neuer Wirkansatz zur Behandlung der Insomnie zugrunde liegt.
Wie wirkt Daridorexant im Vergleich zu den bisher erhältlichen Medikamenten?
Konventionelle Hypnotika haben bezüglich verminderter Tagesaktivität keine nachgewiesene Wirkung und können diese Symptomatik durch die Hangover-Problematik sogar noch verstärken. Eine der häufigsten Ursachen für die Chronische Insomnische Störung ist ein überaktives Wachsystem im Gehirn [2]. Für eine intakte Funktion des Wachsystems sind das Neuropeptid Orexin und seine Rezeptoren verantwortlich [3]. Tagsüber stabilisiert Orexin den Wachzustand. Zur Nacht hin fallen die Orexinspiegel ab, was Schlaf ermöglicht [4]. Mit Daridorexant ist es möglich, das überaktive Wachsystem gezielt zu regulieren [5], ohne die physiologischen Schlafphasen zu verändern oder die Hirnaktivität zu unterdrücken. In den Zulassungsstudien konnten Patienten schneller ein, besser durch- und insgesamt länger schlafen. Durch erholsameren Schlaf verbesserte sich auch die Tagesaktivität [4].
Liegen denn schon Studiendaten für eine längere Behandlung vor?
Es liegt eine 40-wöchige Verlängerungsstudie vor, die zusammen mit den Zulassungsstudien klinische Daten für eine Dauerbehandlung bis zu zwölf Monate liefert. Sie hat sowohl die Wirksamkeit als auch die Sicherheit von Daridorexant bestätigt [4]. Den Zulassungsstudien zufolge gab es für den Wirkstoff auch nach einer Einnahme über zwölf Monate keine Hinweise für Rebound-Insomnie oder körperliche Abhängigkeit nach dem Absetzen [5].
Der Experte
Dr. med. Michael Feld
Facharzt für Allgemeinmedizin,
Somnologe (DGSM),
Schlafmediziner
50226 Frechen-Königsdorf (Köln-West)
1 Riemann D et al., Somnologie 2017; 21: 2–44
2 Dressle RJ et al., Sleep Med Res 2022; 62: 101588
3 Zeitzer JM et al., J Neurosc 2003; 23: 3555–3360
4 Mignot E et al., Lancet Neurol 2022; 21: 125–139
5 Fachinformation QUVIVIQTM
6 Riemann D et al., J Sleep Res 2017; 26: 675–700
7 Schlack R et al., Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2013; 56: 740–748
Redaktion: Dr. phil. nat. Claudia Schierloh I Konzept: Elke Engels
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