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Recht

Rechtliche Tipps

Sozialpflicht bei Ärzte-Hotline im Homeoffice +++ fristlos Kündigen und zugleich Weiterbeschäftigen

Andrea Schannath

31.7.2023

Aus der Praxis, für die Praxis – Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes, beantwortet ausgewählte Fragen.

Ist Homeoffice bei Ärzte-Hotline sozialversicherungspflichtig?

Herr Dr. U. aus München hat dieses Problem:

„Ich bin Rettungsmediziner und kooperiere mit einem Unternehmen im Zuge einer ärztlichen Notfall-Hotline für Taucher. Die Hotline-Beratung ist Teil des Unterstützungspakets einer Reise- und Auslandskrankenversicherung. Für die ständige Erreichbarkeit der Hotline werden aus einem Pool jeweils zwei Ärzte pro Schicht eingeteilt, die meist aus ihrer häuslichen Umgebung telefonische Kundenanfragen beantworten und ggf. eine Behandlungskoordination übernehmen können.

Im Statusfeststellungsverfahren stufte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) mich jetzt als abhängig beschäftigt ein. Demgegenüber gehen ich und das Unternehmen von einer selbstständigen Tätigkeit aus, da ich keine Verpflichtung zu Bereitschaftsdiensten habe. Die Telefonate habe ich überall führen können, wo eine ruhige Gesprächssituation gegeben ist. Die Intensität der Beratungen habe ich völlig frei gestalten können. Soll ich gegen die Einstufung klagen?“

Schannath: „Nein, das sollten Sie leider nicht, denn das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat am 20.02.2023 (Az.: L 2/12 BA 17/20) in einem vergleichbaren Fall einer Ärztin entschieden, dass die Heranziehung von Ärzten für eine Beratungs-Hotline auch dann im Zuge abhängiger Beschäftigungsverhältnisse erfolgen kann, wenn die Ärzte die jeweils übernommenen ­Bereitschaftsdienste im Homeoffice erbringen.

Unter dem Dach eines Rahmenvertrags habe die Ärztin die Verpflichtung übernommen, für die Dauer der zugeteilten Schichten erreichbar zu sein und die wirtschaftlichen Vorgaben des Unternehmens zu beachten. Aus der ärztlichen Eigenverantwortung bei Heilbehandlungen könne nicht ohne Weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Hierdurch werde sie noch nicht zur Unternehmerin. Auch der Umstand, dass sie zu Hause gearbeitet habe und keinen Weisungen zum Arbeitsort unterlegen habe, sei in Anbetracht der vielfältigen heu­tigen Möglichkeiten zur Arbeit im Homeoffice kein taugliches Abgrenzungskriterium mehr. Bei abhängigen Tätigkeiten bestünden gerade im Homeoffice grundsätzlich weitgehende Freiheiten bei der Festlegung der Arbeitszeiten.“

Ist eine fristlose Kündigung sowie ein Angebot zur Weiterbeschäftigung zulässig?

Frau Dr. K. aus Berlin wendet sich mit folgender Frage an uns:

„Ich habe gegenüber einer Mitarbeiterin eine fristlose Änderungskündigung ausgesprochen und ihr einen neuen Arbeitsvertrag gegen eine monatlich verminderte Vergütung angeboten. Das lehnte die Mitarbeiterin ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte ich das Arbeitsverhältnis erneut und zwar außerordentlich. Ferner wies ich auf Anraten meines Rechtsanwalts darauf hin, dass ich‚ im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung die Mitarbeiterin zum Arbeitsantritt ­erwarte. Sie kam aber nicht und verklagte mich und bekam sogar Recht. Die Kündigungen ­waren unwirksam.

Jetzt fordert sie auch noch eine Vergütung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung wegen Annahmeverzugs. Hat die Mitarbeiterin Erfolgschancen?“

Schannath: „Ja, das hat sie leider. Das BAG hat in einem ähnlich gelagerten Fall am 29.03.2023 (Az.: 5 AZR 255/22) entschieden, dass sich ein Arbeitgeber widersprüchlich verhält, wenn er ein Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses anbietet. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint ist.

Die Firma befand sich aufgrund ihrer unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots für den Mann bedurft hätte. Weil die Firma selbst davon ausging, eine Weiterbeschäftigung des Mannes sei ihr nicht zuzumuten, spricht wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Mann kein ernst gemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitete. Die Ablehnung eines solchen ‚Angebots‘ lässt nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Mannes schließen. Es käme lediglich in Betracht, dass er sich den bös­willig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müsste. Das schied im Streitfall jedoch aus, weil dem Mann aufgrund der gegen ihn im Zuge der Kündigungen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung ­seiner Person eine Prozessbeschäftigung bei der Firma nicht zuzumuten war.

Dem steht nicht entgegen, dass der Mann im Kündigungsschutzprozess vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt hat. Dieser Antrag war auf die ­Prozessbeschäftigung nach festgestellter Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet. Nur wenn der Mann in einem solchen Fall die Weiterbeschäftigung abgelehnt hätte, hätte er sich widersprüchlich verhalten. Hier ging es indes um die Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung. Es macht einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Zuge einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten soll oder er nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam ‚rehabilitiert‘ in den Betrieb ­zurückkehren kann.“

Die Expertin

Andrea Schannath
Rechtsanwältin und Justiziarin des VirchowBunds
Chausseestr. 119 b
10367 Berlin
Tel.: +49 (0)30 - 288 774 125

Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands berät seine ­Mitglieder in ­Niederlassung und ­Anstellung in allen Rechts­­bereichen, insbesondere im Berufs-, Arbeits-, Miet- und Gesellschaftsrecht.

Bildnachweis: privat

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