Aus der Praxis, für die Praxis – Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes, beantwortet ausgewählte Fragen.
Besteht Recht auf gute Wünsche im Arbeitszeugnis?
Frau Dr. W. aus Koblenz hat diese Frage: „Eine gekündigte Mitarbeiterin verlangt von mir, dass ihr Arbeitszeugnis unter anderem folgenden Satz in der Schlussformel enthalten soll: ,... verlässt unsere Praxis auf eigenen Wunsch..., was wir sehr bedauern.´ Ich will das nicht im Zeugnis aufnehmen, bin ich dazu verpflichtet?“
Frau Schannath: „Nein, das müssen Sie nicht. Arbeitgeber müssen im Zeugnis keine Formulierung einfügen, in dem sie den Weggang einer Mitarbeiterin ,sehr bedauern´, insbesondere dann nicht, wenn das Zeugnis insgesamt nur ,gut´ ist. Das bestätigt ein Urteil des Landesarbeitsgericht München vom 15.07.2021 (Az.: 3 Sa 188/21).
Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufnahme einer persönlichen Schlussformel in einem Arbeitszeugnis. Auch sei eine solche Bedauernsformel bei der vorliegenden Bewertung nicht üblich. Das Zeugnis war insgesamt ,gut´. Die verlangte Formulierung sei als gesteigerte Formel zu verstehen, die der ,guten´ Bewertung von Leistung und Verhalten im Zeugnis widersprechen würde.“
Ist Nebenjob als Notarzt versicherungspflichtig?
Frau Dr. K. aus Berlin wendet sich mit folgendem Problem an uns: „Ich bin neben meiner Privatpraxis für einen eingetragenen Verein, dessen Landesverband ein Träger des Rettungsdienstes ist, als Notärztin im Rettungsdienst tätig. Mein ,Vertrag Freiwilliger Notarzt …´ knüpfte für geleistete Einsätze und Dienstbereitschaft an die jeweils geltende Tarifregelung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung, der Landesärztekammer und den Kostenträgern an. Ich erhalte einen Stundenlohn von 35 Euro und eine Einsatzpauschale von 70 Euro ab dem dritten Einsatz innerhalb einer Schicht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist der Meinung, dass ich im Zuge eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig bin und Versicherungspflicht besteht. Ist das richtig?“
Frau Schannath: „Leider ja, denn Ärzte, die im Nebenjob immer wieder als Notarzt im Rettungsdienst tätig sind, sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) am 19.12.2021 (Az.: B 12 R 9/20 R) entschieden.
Nach Ansicht der Richter ist es ausschlaggebend, dass die Ärztin während ihrer Tätigkeit als Notarzt in den öffentlichen Rettungsdienst eingegliedert war. Sie hatte die Pflicht, sich während des Dienstes örtlich in der Nähe des Notarztfahrzeuges aufzuhalten und nach einer Einsatzalarmierung durch die Leitstelle innerhalb einer bestimmten Zeit auszurücken. Es ist unerheblich, dass dies durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgeschrieben ist. Zudem nutzte sie überwiegend fremdes Personal und Rettungsmittel. Dass es sich dabei in einem Fall nicht um Rettungsmittel des betroffenen Landkreises als Arbeitgeber, sondern der Stadt handelte, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn der Arzt setzte jedenfalls keine eigenen Mittel in einem wesentlichen Umfang ein. Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit fielen demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Dass die Beteiligten davon ausgingen, die Tätigkeit erfolge freiberuflich bzw. selbstständig, ist angesichts der Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung der Tätigkeit irrelevant. Zudem konnte die Ärztin nur dadurch mehr verdienen und damit unternehmerisch tätig werden, indem sie mehr Dienste übernahm.“
Ist Hinweis auf drohenden Verfall von Urlaubstagen notwendig?
Herr Dr. P. aus Hannover hat folgende Frage: „Eine ehemalige Mitarbeiterin fordert von mir die Auszahlung von Urlaubsansprüchen für die Zeit von 2017 bis 2021. Sie war von Juli 2017 bis zu der von ihr ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Februar 2021 arbeitsunfähig. Ich habe ihr für die Jahre 2019 bis 2021 den Urlaub ausbezahlt. Darüber hinausgehende Urlaubsansprüche sind nach meiner Ansicht verfallen. Jetzt droht sie mir, mich zu verklagen, weil ich sie nicht vor dem drohenden Verfall der Urlaubstage für die Jahre 2017 und 2018 gewarnt hätte. Hätte ein Klage Erfolgsaussichten?“
Frau Schannath: „Nein, ein Arbeitgeber muss einen langzeiterkrankten Arbeitnehmer nicht darauf hinweisen, dass nicht genommener Urlaub bald verfällt. Die Hinweispflicht besteht erst wieder ab dem Zeitpunkt der Wiedergenesung. Dies hat das Arbeitsgericht Köln am 30.09.2021 (Az.: 8 Ca 2545/21) entschieden. Zwar treffe einem Arbeitgeber eine Mitwirkungsobliegenheit. So müsse er dem Arbeitnehmer schriftlich mitteilen, wie viele Urlaubstage ihm zustehen, ihn auffordern seinen Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Kalenderjahres genommen werden kann und ihn über die Konsequenzen eines Verfalls des Urlaubs belehren. Diese Mitwirkungsobliegenheit bestehe aber nur bei gesunden und nicht bei langzeitarbeitsunfähigen Arbeitnehmern. Denn der langzeiterkrankte Arbeitnehmer könne seinen Urlaub nicht nehmen. Eine Urlaubsgewährung sei rechtlich und tatsächlich unmöglich. Daher müsse der Arbeitgeber in einem sollen Fall auch nicht auf die Möglichkeit, Urlaub nehmen zu können, hinweisen.“
Die Expertin
Andrea Schannath
Rechtsanwältin und Justiziarin des VirchowBunds
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