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Allgemeinmedizin

Heilberufsgesetz der Bundesländer

Der ärztliche Bereitschaftsdienst

Pia Nicklas

22.11.2024

Vertragsärzte und -ärztinnen sind generell zum ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet, weil sie von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zugelassen wurden und deren Richtlinien und Vorgaben umzusetzen haben. Eine Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst kann nur in festgelegten Ausnahmefällen erfolgen.

Warum müssen Niedergelassene ärztlichen Bereitschaftsdienst leisten?

Der ärztliche Bereitschaftsdienst soll flächendeckend eine angemessene Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber allgemeingültige Vorgaben für den ­ärztlichen Bereitschaftsdienst erlassen. Rechtsgrundlage sind die Heilberufsgesetze der Bundesländer. Einzelheiten werden in den Berufsordnungen der ­Landesärztekammern und den kassen­ärztlichen ­Notdienstordnungen geregelt. Verantwortlich für die Durchführung sind die für die jeweiligen Bundes­länder zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen.

Wer ist zum ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet?

Der ärztliche Bereitschaftsdienst verpflichtet niedergelassene Haus- und Fächärzte sowie -ärztinnen und angestellte Ärzte bzw. Ärtzinnen einer Arztpraxis oder eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) außerhalb der Praxissprechzeiten zur Behandlung nicht kritischer Erkrankungen, die einer umgehenden Behandlung bedürfen. Auch diejenigen, die mit einem geringeren Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen sind, müssen Bereitschaftsdienst leisten, allerdings entsprechend ihrer Arbeitsstunden pro Woche. Wer in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft an mehreren Standorten Sprechstunden anbietet, ist dort zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet.

Wann kann man sich vom ärztlichen Bereitschaftsdienst befreien lassen?

Kann jemand nicht am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen, müssen die restlichen Ärzte und Ärztinnen diesen Dienst mit abdecken. Deshalb benennen die Bereitschaftsdienst- und Notfalldienstordnungen der Länder ausschließlich schwerwiegende Gründe für eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst. Ein ­solcher liegt vor, wenn der Dienst zu einer unzumutbaren Belastung wird. Dann kann die Befreiung auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend erteilt werden. Ebenfalls ist die Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst grundsätzlich möglich, wenn gesundheitliche oder vergleichbar schwere Gründe vorliegen, die zu einer deutlichen Einschränkung der vertragsärztlichen Tätigkeit führen. Auch eine körperliche Behinderung, aufgrund derer der Dienst nachweislich nicht absolviert werden kann, gehört zu den Befreiungsgründen.

Liegen besonders belastende familiäre Verpflichtungen vor, wie beispielsweise bei einem behinderten Kind oder auch pflegebedürftigen Eltern, kann man einen Antrag stellen, vom Dienst befreit zu werden.

Liegt eine Schwangerschaft vor, ist ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Schwangerschaft und bis zu 8 Wochen nach der Entbindung kein Bereitschaftsdienst zu leisten. Zudem erhalten Mütter oder Väter bis zu 36 Monaten nach der Geburt eine Befreiung, wenn sie sich um ihr Kind kümmern. Allerdings können in den einzelnen Bundesländern die Regelungen minimal voneinander abweichen.

Nicht möglich ist eine Freistellung aufgrund des ­Alters (zumindest in den meisten Bundesländern), aufgrund einer belegärztlichen Tätigkeit sowie aufgrund einer berufspolitischen Betätigung. Selbst die Verletzung der Fortbildungspflicht über mehrere ­Jahre mit der Folge, dass die für den ärztlichen ­Bereitschaftsdienst erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr vorhanden sind, ist kein Grund für eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst. Lediglich in Ausnahmefällen kann schriftlich ein Härtefall bei der zuständigen KV-Geschäftsstelle beantragt werden.

Vertretung im ärztlichen Bereitschaftsdienst

Jeder Arzt bzw. jede Ärztin kann sich im Bereitschaftsdienst von einem anderen Arzt oder einer anderen Ärztin vertreten lassen. Jedoch bleibt die Person berufsrechtlich und vertragsarztrechtlich für den Bereitschaftsdienst selbst verantwortlich. Sie muss daher dafür Sorge tragen, dass die Vertretung zuverlässig ist, den ärztlichen Bereitschaftsdienst ordnungsgemäß ausführt und die zur Durchführung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt.

Möchte man sich vertreten lassen, muss man sich rechtzeitig um eine Vertretung kümmern. Ist dies aufgrund der Kurzfristigkeit nicht mehr möglich, bestimmt der örtliche Notdienstbeauftragte einen anderen Arzt bzw. eine Ärztin. Die Kosten der ­Vertretung trägt dabei die ursprünglich eingeteilte Person.

Aus der Gerichtspraxis: SG München, Endurteil vom 04.05.2023 – S 38 KA 392/22

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage war die Befreiung einer Allgemeinmedizinerin vom ärztlichen Bereitschaftsdienst. Sie war für 36 Monate wegen der Betreuung ihrer Kinder vom Bereitschaftsdienst befreit und ist nun alleinerziehende Mutter von 3 Kindern. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst, insbesondere zu Nachtzeiten, kollidiert nach ihrer Meinung mit der für sie bestehenden Aufsichtspflicht ihren Kindern gegenüber, vor allem nachts. Außerdem hat sich die Situation der Ärztin durch eine schwere Erkrankung ihres Vaters zusätzlich zugespitzt. Es war zu entscheiden, ob ein schwerwiegender Grund nach § 14 Abs. 2 BDO-KVB vorliegt, der eine Befreiung rechtfertigt. Hier regelt das Gesetz, dass ein schwerwiegender Grund für eine Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht vorliegt, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung zwar grundsätzlich erfüllt sind, der betreffende Arzt oder Ärztin jedoch unvermindert oder über dem Durchschnitt der Fachgruppe in der eigenen Praxis tätig ist. Es handelt sich also um eine Ermessensentscheidung des Gerichts.

Vorliegend bietet die Ärztin auch in ihrer eigenen Praxis zusätzlich zu den „normalen“ Sprechstunden Abendsprechstunden und Hausbesuche sowie eine Samstagssprechstunde an, sodass an dieser Stelle keinerlei Einschränkungen in der eigenen Praxistätigkeit ersichtlich sind. Darüber hinaus erfolgt die Dienstplanung für den Bereitschaftsdienst ca. ein Jahr im Voraus, wobei eine Wunschdienstplanung weitestgehend möglich ist. Die Dienste können also zumindest überwiegend in die Tagesstunden gelegt werden. Ist es aus organisatorischen Gründen ­dennoch kurzfristig einmal nicht möglich, den Dienst wahrzunehmen, ist es möglich, die Dienste an einen Poolarzt oder einen Vertreter abzugeben. Das Gericht wies die Klage somit als zulässig, aber ­unbegründet ab.

Die Autorin

Pia Nicklas
Wirtschaftsjuristin
Juristische Texterstellung
und Textredaktion
90766 Fürth

info@recht-klartext.de

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