In einer Arztpraxis fallen viele verschiedene Tätigkeiten an: medizinische Maßnahmen, aber auch organisatorische und verwaltungstechnische Aufgaben. Einige dieser Leistungen müssen zwingend von Ärzten und Ärztinnen erbracht werden, während andere auch von nichtärztlichem Personal erledigt werden können.
Grundsätzlich sind Ärzte und Ärztinnen durch den Behandlungsvertrag (§ 613 Satz 1 BGB), durch das Berufsrecht (§ 19 Abs. 1 MBO-Ä) sowie durch das Vertragsarztrecht (§ 32 Abs. 1 Ärzte-ZV) zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Außerdem gilt der Arztvorbehalt, wenn für die Erbringung einer Leistung oder für die Beherrschung gesundheitlicher Gefährdungen eine ärztliche Fachkunde notwendig ist. In diesem Fall haben Patienten und Patientinnen einen Anspruch darauf, dass die ärztliche Leistung von einem Facharzt bzw. einer -ärztin erbracht wird (Facharztstandard).
Verschiedene Gesetze, Verordnungen sowie der Arbeitsvertrag regeln, wann ein Arzt oder eine Ärztin ausnahmsweise doch an nichtärztliches Personal delegieren darf.
Delegation an nichtärztliches Personal
Bei der Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nichtärztliches Personal gibt es 3 Gruppen von Leistungen:
Nicht delegationsfähige Leistungen
Ist ein Eingriff mit besonderen Risiken und Gefahren für den Patienten oder die Patientin verbunden und erfordert aus diesem Grund spezifisches Fachwissen, ist dieser nicht delegationsfähig (§ 2 der Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal).
Beispiele für nicht delegationsfähige Leistungen:
Im Einzelfall delegationsfähige Leistungen
Im Einzelfall können ärztliche Leistungen an qualifiziertes, nichtärztliches Personal delegiert werden, wenn es sich dabei um eine Aufgabe handelt, die die eigentliche ärztliche Kernleistung ergänzt (nachgeordnete Aufgabe). Meist geht es hierbei um einfache ärztliche und sonstige medizinische Tätigkeiten, beispielsweise Injektionen unter die Haut oder in den Muskel. Je nachdem, um welche Substanz es sich handelt, kann allerdings die Anwesenheit eines Arztes oder einer Ärztin erforderlich sein.
Generell delegationsfähige Leistungen
Die „Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal“ (Anlage 24 des BMV-Ä) enthält in ihrem Anhang einen nicht abschließenden Katalog an Leistungen, die grundsätzlich delegationsfähig sind. Dieser Katalog kann als Richtlinie herangezogen werden. Zusätzlich kann in einer Tabelle die jeweilige Mindestqualifikation für die entsprechende Tätigkeit abgelesen werden.
Beispiele für generell delegationsfähige Leistungen:
Voraussetzungen bei der Delegation
Auch wenn eine Delegation grundsätzlich möglich ist, liegt die Gesamtverantwortung immer bei dem weisungsbefugten, delegierenden Arzt bzw. der Ärztin. Welche Anforderungen an die Überwachung des nichtärztlichen Personals gestellt werden, kommt auf die jeweilige Qualifikation an, die ein nichtärztlicher Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin mitbringt.
Es besteht eine Auswahl-, Anleitungs- und Überwachungspflicht.
Eine abgeschlossene Ausbildung ist vorhanden
Liegt eine abgeschlossene Ausbildung vor, muss zunächst das Zeugnis geprüft werden. Anschließend muss sich der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin vor Beginn der Tätigkeit vergewissern, dass die Qualifikation auch tatsächlich vorhanden ist (Auswahlpflicht). Ist dies der Fall, muss das Personal zur Erbringung der Leistung angeleitet (Anleitungspflicht) und im weiteren Verlauf stichpunktartig überprüft werden (Überwachungspflicht).
Je erfahrener und besser qualifiziert z. B. ein Mitarbeiter ist, desto seltener muss dieser überprüft werden. Der Mitarbeiter sollte zudem dazu angehalten werden, mitzuteilen, wenn er sich für eine Aufgabe nicht ausreichend qualifiziert fühlt (Übernahmeverantwortlichkeit).
Eine abgeschlossene Ausbildung ist nicht vorhanden
Liegt keine abgeschlossene Ausbildung vor, muss geprüft werden, ob z. B. eine Mitarbeiterin aufgrund ihrer allgemeinen Fähigkeiten in der Lage ist, die jeweilige Leistung vorzunehmen (Auswahlpflicht). Im weiteren Verlauf muss sie angelernt werden, sodass sie die Tätigkeiten selbstständig ausführen kann (Anleitungspflicht). Anschließend muss die Mitarbeiterin regelmäßig überprüft werden (Überwachungspflicht). Kann sich der Arzt bzw. die Ärztin über einen längeren Zeitraum davon überzeugen, dass sich die Mitarbeiterin den Aufgaben gewachsen fühlt, genügen stichprobenartige Kontrollen.
Was muss sonst beachtet werden?
Der Arzt bzw. die Ärztin muss sich immer in Rufweite aufhalten, sodass bei einer Komplikation sofort Bescheid gegeben werden kann. In Einzelfällen kann es auch vertretbar sein, im Notfall kurzfristig zur Verfügung zu stehen. So kann beispielsweise eine Blutabnahme bei entsprechender Qualifikation problemlos vor der Sprechstunde durchgeführt werden.
Straf- und haftungsrechtliche Folgen
Auch wenn z. B. ein Arzt die Leistung nicht persönlich erbringt, haftet er laut Behandlungsvertrag bei Fehlern oder Komplikationen grundsätzlich immer selbst. Er haftet zudem für die Auswahl, Anleitung und Überwachung des Personals. Wichtig ist es deshalb, dass der Arzt beweisen kann, dass er selbst sowie sein Personal keine Pflichten verletzt haben. Andernfalls können straf- und haftungsrechtliche Folgen die Konsequenz sein. Je nach Schwere und Ausmaß des Fehlers kann es hier zu einer Geldbuße oder im Extremfall zu einem Entzug der Approbation kommen. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, sämtliche delegierte Tätigkeiten sorgfältig zu dokumentieren.
Die Autorin
Pia Nicklas
Wirtschaftsjuristin
Juristische Texterstellung
und Textredaktion
90766 Fürth