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Praxisorganisation

Erlebnisqualität in der Arztpraxis

Manchmal sind die kleinen Dinge die entscheidenden

Theresia Wölker

18.4.2025

Im Bereich der Facharztpraxen stößt man mit den „klassischen“ Qualitätsdimensionen an die Grenzen des Machbaren. Das wird anders bei Privatpatientinnen. Wo sich das Leistungsspektrum kaum mehr unterscheidet, kann eine besondere Erlebnisqualität den entscheidenden Mehrwert schaffen.

Als Erlebnisqualität wird – neben der Messquali­tät – eine Dimension der Leistungsqualität eines Unternehmens bezeichnet, die erst in der jüngeren ­Vergangenheit intensiver in den Fokus gerückt ist, besonders im Zuge des praktischen Qualitätsmanagements. Im Bereich der Facharztpraxen stößt man mit den „klassischen“ Qualitätsdimensionen an die Grenzen des Machbaren. Im Bereich der privat geführten Arztpraxen sieht das etwas anders aus. Wo sich vergleichbare Angebote im Leistungsspektrum kaum mehr unterscheiden, kann eine besondere Erlebnisqualität für Interessentinnen den entscheidenden zusätzlichen Mehrwert schaffen.

Es lohnt sich, gedanklich einmal den Weg der Patientin zu und in die Praxis zu gehen.

Reicht den Privatpatientinnen einfach ein freundlicher und qualifizierter Facharzt, oder sind die Ansprüche andere? Von Oscar Wilde stammt das Zitat „Man umgebe mich mit Luxus, auf alles ­Notwendige kann ich verzichten“. In der Frauenarztpraxis ist es sicher nicht die verschwenderische Pracht und Fülle von Luxus, die für die Überraschungserlebnisse ­sorgen. Aber das Besondere, „Überraschende“ und Differenzierende kann in ­vielen Bereichen durch kleine Aha-Momente ­erreicht werden – vor allem auf der menschlichen Ebene.

Es lohnt sich, gedanklich einmal den „Weg der ­Patientin“ zu und in die Praxis zu gehen: wie ­mühelos sind die Ablaufprozesse des Erstkontaktes, und wie professionell reagiert das Praxisteam in dieser sensiblen Phase? Das erste Mal eine neue Gyn-Praxis aufzusuchen, hat für Betroffene immer „Neuheits-Charakter“. Die Terminvereinbarung ­erfolgt sozusagen mit Vorschusslorbeeren, aufgrund einer persönlichen Empfehlung durch den Hausarzt bzw. die Hausärztin oder aus dem Freundeskreis heraus, möglicherweise aber befördert durch Marketingmaßnahmen der Praxis oder durch ­eigene Internetrecherchen und die Sichtung von Bewertungs­portalen. Klar ist: Die Erwartungen sind hoch, und alles kommt auf den Prüfstand. Als da wären:

  • problemlose Erreichbarkeit
  • Parkplätze
  • Flexibilität bei der Terminauswahl
  • individuelles Eingehen auf Wünsche, besonders auch am Telefon
  • angenehme Interaktionselemente (z. B. Online-­Buchungen, Rückrufe, Telefon- oder Videosprech­stunden)
  • unkomplizierte Kurz-Termine für Akutprobleme
  • unbedingte Terminpünktlichkeit und verlässliche Zeitrahmen
  • kundenfreundliche (der Klientel angepasste) ­Öffnungszeiten (Früh-Sprechstunde? Abende? Samstage z. B. für Partnergespräche)

Neben den organisatorischen „Basics“ könnten als Überlegung auch viele scheinbare Kleinig­keiten ­neuen Patientinnen Ängste nehmen und Vertrauen schaffen. So ist der bewusste Einsatz von Wortwahl und ­Stimme („die größte Macht ist das richtige Wort zur rechten Zeit“), vor allem am Telefon, ein probates Mittel, ­Hemmungen abzubauen. Und kommt die ­Patientin dann in die Praxis, was empfängt sie? Ein abgetrennter, ­diskreter Bereich ­(Begrüßungs-Insel) oder schnelles „Abfertigen“ zwischen zwei Telefonaten?

Der erste Kontakt mit bisher unbekannten Gesundheitsfachkräften – auch und gerade in einer Privat­praxis – hat immer eine besondere Bedeutung. Im persönlichen Erleben mit allen Sinnen, gedanklichen Vorbehalten und möglichen Ängsten kann in dieser Zeitspanne die Basis für eine weitere, vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt werden. Oder auch nicht.

Auch wenn es sich nur um kurze Begegnungen handelt, entscheidet sich hier mit, wie die Begegnung im Nachhinein empfunden und bewertet wird. Auf der menschlichen Ebene wirken vor ­allem Aspekte wie: Empathie, Achtsamkeit und Aufmerksamkeit, Verständnis, Geduld, Zugewandtheit wie verständnisvolle Mimik und Augenkontakt. Im Umgang mit hilfesuchenden und kranken ­Menschen kommt es eben nicht allein auf die ­Technik oder auf die Applikation einer bestimmten Methode an, sondern vor allem darauf, in ­welchem Beziehungsgeschehen der Umgang mit ihnen erfolgt. Und – das alles findet in der Regel erst vor dem eigentlichen Arztkontakt statt! Die Beziehungsgestaltung zur Facharztpraxis hat oft weniger mit dem Arzt oder der Ärztin zu tun als vielmehr mit der inneren Haltung des gesamten Teams in Sprache und Umgang.

Vertrauen bedeutet, sich jemanden anzuvertrauen

Im besten Fall begleiten Frauenärztinnen und ­-ärzte ihre Patientinnen als Experten für Lebensqualität.­ ­Patientinnen sollten darauf vertrauen können, dass Verlässlichkeit ein Markenzeichen dieser gynäkologischen Privatpraxis ist, die sie ausgewählt haben.

Damit einher geht auch ein verändertes Patientinnenbild. Begegnung auf Augenhöhe heißt das ­Gebot. Frauen werden von einem kompetenten ­Praxisteam mit medizinischer Expertise in allen Fragen rund um ihre Gesundheit und ihren Lebensstil begleitet. Wird diese innere Einstellung vom Team tatsächlich gelebt, ergeben sich daraus alle Facetten einer zugewandten menschlichen Versorgung – mehr mit Emotionen und Resonanz statt mit ­„professioneller Distanz“.

Ungewöhnliche (?) Erlebnisschritte

Menschen erleben sich immer wieder mehr oder weniger allein gelassen und entfremdet, wenn sie in die „Patientinnen-Rolle“ fallen oder gedrängt werden. Ganz gleich, was passiert: Blutentnahme, Telefonat etc. Bei allen Berührungspunkten findet eine Interaktion der Praxis mit der Patientin statt, die die Beurteilung der Dienstleistungsqualität ­beeinflusst. Erst die Überwindung der alltäglichen – mittler­weile oft als normal empfundenen ­Entfremdung – erzeugt Resonanzen, und damit gelingende Beziehungen zu den Patientinnen.

Dabei hilft ein Perspektivenwechsel. Fragen Sie sich und Ihr Team:

  • Welche Frage würde ich selbst gerne hören?
  • Was würde mir selbst guttun, ginge ich in den Schuhen der Patientin?
  • Worüber würde ich mich freuen?
  • Was würde mir mein Alltagsleben erleichtern?
  • Was wäre in der Situation hilfreich für mich?

Viele Beispiele zeigen, wie man mit kleinen Dingen für eine bessere Stimmung sorgen kann. Man kann ein kurzes, klärendes Telefonat führen, eine Info-Broschüre mit personalisiertem schriftlichem Gruß in belastenden Situationen (Krankenhausaufenthalt, Onkologie-Termine, Trauer) überreichen, telefonisch zur Seite stehen. Nicht zu unterschätzen sind auch kleine Grüße beim Erreichen eines ­Therapiezieles oder eines runden Geburtstages: „Mit gesunden Grüßen Ihrer Frauenarztpraxis.“

Andere Dinge sollten dagegen selbstverständlich sein, wenn man Service als Kern wirtschaftlicher Aktivität betrachtet. Dazu gehören:

  • schriftliche, individualisierte Beratungsrezepte mit den Erinnerungspunkten zum Beratungsgespräch
  • Follow-up-E-Mail oder Nachfass-Anrufe nach einem Erstgespräch
  • Audio-/Video-Kontaktmöglichkeiten wie Facetime, Zoom o. Ä. für kurze Rückfragen
  • interne Praxis-Fortbildungen in Kleingruppen oder Freundinnen-Zirkel (Themen wie Impfungen, Wechsel­jahre, Präventionsmedizin, Informationsstunde für eine Schulklasse)

Zufriedene Patientinnen sind ideale Multiplikatoren

Ein Wort zu Emotionen: Patientinnen haben eine höhere Loyalität zu Arztpraxen, wenn sie sich dort aufgehoben und verstanden fühlen. Neben guten organisatorischen Gegebenheiten haben auch wahr­genommene Begleitfaktoren wie ­Atmosphäre, ­Getränke, Sitzgelegenheiten und das sensorische Umfeld gefühlsmäßig eine wohltuende Wirkung. Trotzdem bleibt Fakt: Der soziale Kontext ist ­generell der wichtige und mit entscheidende ­Faktor im Krankheits- und Heilungsprozess.

Kontaktpunkte halten

Jede Facharztpraxis hat ihre Stamm- und Dauer­patientinnen. Doch es gilt, die Praxisbindung auch zu den Personen aufrechtzuhalten, die nur gelegentlich oder nur zu Vorsorgeuntersuchungen ­kommen. In dieser Post-Service-Phase, nach dem eigentlichen Praxiskontakt, erinnert sich die Praxis­besucherin zurück – vor allem an besondere Erleb­nisse oder auch an sehr mangelhafte. Das beeinflusst das ­Gesamturteil, welches nicht selten mit Freunden und Bekannten geteilt und ausgetauscht wird.­ ­Idealerweise fördern Recall- und Support-Aktionen die weitere Loyalität zur Praxis, sodass sich die ­Patientin verbunden fühlt und als Multiplikatorin weitere Empfehlungen ausspricht.

Letztlich ist es die Kunst einer guten Facharztpraxis, resonante Beziehungen zu den Praxisbesucherinnen aufzubauen. Nur so werden es gelingende und für beide Seiten zufriedenstellende und erfüllende Beziehungen. Dabei helfen oft nur die kleinen, einfachen, aber menschlichen Dinge.

Kommunikation und Fürsorglichkeit sind, neben der Fachkompetenz, das Aushängeschild einer service- und werteorientierten Facharztpraxis. Die Ansprache und der Um­gang mit den Patientinnen haben einen ­großen Einfluss auf die erlebte Qualität: sie wissen lassen, dass man da ist, und sie in den besten Händen sind.

Die Autorin

Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, ­Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)

www.theresia-woelker.de

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