Viele Ärtze können mit ihren Bewertungen durch Patienten auf Portalen wie Jameda oder Google nicht zufrieden sein. Dies ist insbesondere dann mehr als ärgerlich, wenn der Erstellung des Profils gar nicht zugestimmt wurde. Die Löschung des Profils gerichtlich durchzusetzen, ist schwierig, doch in bestimmten Fällen möglich.
Seit mehr als zehn Jahren existieren inzwischen ärztliche Bewertungsportale im Internet. Der Platzhirsch unter den deutschen Anbietern ist die Jameda GmbH. Solange wie es diese Portale gibt, solange wird leidenschaftlich um die Ärzteeintragungen und die dort von den Nutzern vorgenommenen Bewertungen gestritten. So mancher möchte sich dem Bewertungsdruck gerne vollständig entziehen, indem er in dem Bewertungsportal gar nicht erst auftaucht. Jameda fragt aber nicht nach, ob man mit der Veröffentlichung eines Profils einverstanden ist. Auch die Bewertungsfunktion anderer prominenter Internetkonzerne wie Google erfolgt im Wege der „Zwangsbeglückung“.
Grundsätzlich muss die Eintragung geduldet werden
Maßstäbe für die Beurteilung der Frage, wann ein Anspruch auf vollständige Löschung einer Eintragung besteht, hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2018 (Urteil vom 20.02.2018, Az. VI ZR 30/17) bestimmt. Kurz zusammengefasst ist – wie so häufig in der Rechtsprechung – eine Abwägung erforderlich: Auf der einen Seite steht das Interesse des Arztes an dem Schutz seiner Daten. Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Nutzer eines solchen Portals. Der BGH sagt, dass die Speicherung der personenbezogenen Daten der Ärzte im Grundsatz zulässig sei. Ein Löschungsanspruch nach Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) besteht nicht.
Die Abwägung fällt aber zugunsten des Arztes aus, wenn Jameda bei einem „Basisprofil“ – das kostenlos ist und ohne Zutun des Betroffenen angelegt wird – zusätzliche Hinweise auf konkurrierende Ärzte der gleichen Fachrichtung im näheren Umfeld einblendet, die ein „Premium-Paket“ gebucht haben. Auf diese Art werden zahlenden Kunden verdeckte Vorteile gewährt, denn die Daten der ohne oder gegen ihren Willen gespeicherten Ärzte werden als Werbeplattform für die zahlende Konkurrenz genutzt. Das hält der BGH für nicht hinnehmbar.
Jameda muss als neutraler Informationsmittler auftreten
Jameda hat natürlich längst reagiert und die in der BGH-Entscheidung konkret beanstandete Praxis abgestellt. Man könnte also meinen, die Entscheidung des BGH sei damit als obsolet zu betrachten. Nichts wäre fernliegender: Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat jüngst unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung einige weitere Funktionen auf der Seite jameda.de für unzulässig erklärt (s. unten, Urteil vom 14.11.2019, Az. 15 U 89/19 und 15 U 126/19). Das Gericht hat Jameda ferner zur Löschung der Profile der klagenden Ärzte verdonnert, deren Profile ohne ihr Einverständnis auf der Plattform angelegt wurden.
Zur Begründung zog das Gericht die aktuellen Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) heran. Deren Regelungen ersetzen das frühere Bundesdatenschutzgesetz und erweitern sie inhaltlich deutlich. Dies bekanntlich nicht nur zur Freude der Betroffenen, insbesondere was die spektakuläre Höhe von drohenden Bußgeldern bei Verstößen angeht.
Im Grundsatz überwiegt nach der aktuellen Entscheidung des OLG Köln nach wie vor das schützenswerte Interesse der betroffenen Ärzte das Interesse an der Veröffentlichung von Daten, sobald Jameda seine Stellung als „neutraler Informationsmittler“ nicht mehr wahrt und seinen zahlenden Kunden mit Gewinnerzielungsabsicht verdeckte Vorteile verschafft. Dann dient das Bewertungsportal gerade nicht mehr allein dem neutralen Informationsaustausch. Ärzte müssen dann nicht hinnehmen, dass Profile über sie erstellt werden, so das OLG Köln.
Das Gericht sah konkret in insgesamt vier Funktionen der Bewertungsplattform einen verdeckten Vorteil:
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Bei Basisprofilen erschien in der Vergangenheit ein Button zum Anklicken mit der Aufschrift: „weitere“, der auf Ärzte in der Nähe verwies. Bei Premiumkunden geschah dies nicht. Dadurch wird nach Ansicht des OLG Köln der Eindruck erweckt, dass Premiumkunden keine örtliche Konkurrenz hätten. Außerdem wird so vom Basisprofil zu zahlenden Kunden weitergeleitet.
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Klickte man auf „weitere“, erfolgte eine unterschiedliche Darstellung von Basis- und Premiumkunden in der dann erscheinenden Auflistung: Premiumkunden erschienen in der Auflistung mit Bild und stachen deshalb eher heraus. Das bewertet das OLG Köln als verdeckten Vorteil. Es spricht von einem „optischen Gefälle“ zwischen Basis- und Premiumprofilen. Basisprofile sind lediglich „Füllmasse“.
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Eine Beeinflussung der Nutzer erfolgte auch dadurch, dass auf Fachartikel von Premiumkunden verwiesen wurde. Durch diese Gestaltung der Seite erhält der durchschnittliche Nutzer den Eindruck, der Basiskunde wolle oder könne keine Fachartikel veröffentlichen, was entweder für mangelnde fachliche Qualifikation oder aber mangelndes Engagement spricht und deshalb potenziell wettbewerbsschädliche Wirkung hat, so die Kölner Richter.
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Zuletzt beanstandet das Gericht, dass nur auf dem Profil der Basiskunden auf Ärzte mit speziellen Behandlungsgebieten verwiesen wurde. Durch diesen Verweis könnte für den Nutzer der Eindruck entstehen, dass der Arzt, auf dessen Profil der Hinweis erfolgt, nicht ausreichend qualifiziert ist. Es stellt eine Ungleichbehandlung dar, dass dies bei Premiumkunden nicht auftauchte.
Aufgrund dieser Verstöße konnten die Ärzte die Löschung der sie betreffenden Daten nach Art. 17 Abs. 1 d DSGVO verlangen, da diese Daten von Jameda unrechtmäßig verarbeitet wurden. Es bleibt spannend, wie es weitergeht. Das OLG Köln hat die Revision zum Bundesgerichtshof für beide Parteien zugelassen. Die Entscheidung ist somit nicht rechtskräftig.
Auch andere Gerichte stützen die Ärzteschaft
Das Landgericht München I argumentiert in aktuellen Klagen von drei Ärzten vergleichbar (Entscheidungsdatum 03.12.2019, Az. 25 O 13978, 25 O 13979 und 25 O 13980): Zwar ist eine explizite Zustimmung der Ärzte zur Nutzung der Daten und zum Anlegen eines Profils nicht erforderlich, solange das Bewertungsportal als neutraler Informationsmittler im Sinne der BGH-Rechtsprechung angesehen werden kann. Da jedoch in den Basisprofilen auch Fachartikel von zahlenden Ärzten eingestellt und auf deren jeweiliges Profil verlinkt wurden, verlässt das Portal nach Ansicht des Gerichts die Rolle des neutralen Informationsmittlers. Die Basisprofile werden als Werbeplattform für Premiumkunden benutzt. Auch diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Ärzte haben bereits angekündigt, Berufung einzulegen, weil man ihnen nur teilweise zum Recht verholfen habe. Das Oberlandesgericht München wird sich also demnächst mit dem Fall beschäftigen. Das Landgericht Wuppertal hat im vergangenen Jahr (Urteil vom 29.03.2019, Az. 17 O 178/18) einer niedergelassenen Heilpraktikerin ein Anspruch auf Löschung ihrer bei Jameda gespeicherten Daten zugesprochen. Durch das Geschäftsmodell einer teils offenen und teils verdeckten Ungleichbehandlung von zahlenden und nicht zahlenden Ärzten/Heilberuflern greift Jameda nach Ansicht des Gerichts aktiv in den Wettbewerb zwischen Ärzten/Heilberuflern ein. Eine Zwangseintragung zu Informationszwecken muss die Heilpraktikerin nur in einem neutralen, alle Ärzte/Heilberufler gleichbehandelnden Bewertungsportal dulden. Selbstverständlich hat Jameda auch dieses Mal bereits längst auf die belastenden Entscheidungen reagiert und die beanstandeten Inhalte überarbeitet.
Voraussichtlich werden sich die Gerichte auch zukünftig mit dieser Thematik auseinandersetzen müssen. Jameda ist und bleibt ein Wirtschaftsunternehmen, das Gewinne erzielen will. Es muss daher für die zahlende Premiumkundschaft auch zukünftig attraktiv sein, Geld für die Veröffentlichung auf der Plattform zu entrichten. Wie anders will Jameda dies erreichen, als durch eine herausgehobene Darstellung der Premiumkunden? Ungleichbehandlungen zwischen zahlender und nicht zahlender Kundschaft dürften also auch zukünftig aufgrund des Geschäftsmodells vorprogrammiert sein.
Ungleich schwieriger ist die Rechtedurchsetzung gegen den größten Suchmaschinenbetreiber dieser Welt: Google. Eine hohe Hürde stellt bereits der Umstand dar, dass das Unternehmen seinen Sitz in Kalifornien, USA hat. Klagen müssen also im Ausland zugestellt werden, was aufwendig und teuer ist. Es gibt zwar eine deutsche Adresse für Google in Hamburg. Der Konzern bezeichnet das Gebäude an dieser Adresse aber selbst als „Vertriebsbüro“ und betont immer, dass es sich um keine eigenständige juristische Person handele. Sie sei daher weder zustellungsbevollmächtigt noch zustellungsberechtigt. Das ist frustrierend für Betroffene und deren Anwälte. Auf der anderen Seite mutet es merkwürdig an, dass bei Beschwerden gegen Google-Bewertungen, die nur über ein eher verstecktes Webformular erhoben werden können, kein Kontakt mit der amerikanischen Konzernzentrale zustande kommt, sondern mit deutschsprachigen Mitarbeitern. Anwälte berichten auch davon, dass Vertreter der Rechtsabteilung der Google Germany GmbH Gerichtstermine für Google wahrnehmen. Zumindest geklärt ist die Frage, ob deutsche Gerichte zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Google-Bewertungen überhaupt zuständig sind. Das wird vom BGH bejaht, wenn die beanstandeten Inhalte einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen, und wenn eine Kenntnisnahme der Inhalte nach den Umständen des konkreten Falls im Inland nahe liegt (Urteil vom 27.02.2018, Az. VI ZR 489/16). Das trifft bei Bewertungen deutscher Ärzte, die typischerweise im Inland abgerufen werden, ohne Weiteres zu. Eine gerichtliche Klärung der Frage, ob auch die Google Germany GmbH direkt verklagt werden kann, wäre hier mehr als nur wünschenswert. Es ist unerträglich, dass auf der einen Seite Google ungefragt weltweit Bewertungsprofile erstellt, die selbst bei der Kartenanwendung auf dem Handy immer prominent eingeblendet werden, und es zugleich schwierig ist, seine Rechte durchzusetzen – abgesehen von einem auf viel Wohlwollen basierenden E-Mail-Kontakt mit Google. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen die schädigenden Bewertungen anonym erfolgen und es demzufolge nicht möglich ist, direkt gegen den Verfasser der Bewertung vorzugehen.
Ein Lichtblick: Die zu Jameda ergangenen Entscheidungen dürften voraussichtlich auch auf andere Portale anwendbar sein. Die grundlegenden Pflichten gelten für alle Portalbetreiber, egal wo sie ihren Sitz haben, auch wenn Google nicht müde wird, dies in Abrede zu stellen. Aber so ist das nun einmal mit dem Lobbyismus.
Der Autor
Dirk Hüwe
Fachanwalt für Medizinrecht
JORZIG Rechtsanwälte
Königsallee 31
40212 Düsseldorf