Aus der Praxis, für die Praxis – Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbunds, beantwortet ausgewählte Fragen.
Sanktionen wegen fehlender Berufshaftpflicht?
Frau Schannath: „Ja, das darf sie. Das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Köln hat in einem ähnlich gelagerten Fall am 03.11.2020 (Az.: 35 K 589/20 T) einen Antrag eines Arztes auf gerichtliche Überprüfung einer wegen fehlender Berufshaftpflichtversicherung ausgesprochenen Rüge zurückgewiesen. Denn die ÄK hatte zu rechtens gegenüber dem Arzt eine Rüge ausgesprochen und ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 Euro verhängt. Den Einwand des Arztes, er hätte nicht vorsätzlich gehandelt, wiesen die Richter zurück. Sie waren vielmehr der Ansicht, dass dem Arzt eine Sorgfaltspflichtverletzung von nicht unbeträchtlichem Gewicht vorzuwerfen sei. Die Rüge und das Ordnungsgeld waren also rechtens. Daher müssen auch Sie mit einer Sanktion durch die ÄK rechnen.“
Fristlose Kündigung nach Desinfektionsmittel-Diebstahl?
Frau Schannath: „Wer einen Liter Desinfektionsmittel entwendet, kann auch ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf am 14.01.2021 (Az.: 5 Sa 483/20) in einem vergleichbaren Fall entschieden. Denn es liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Auch wenn ein Mitarbeiter schon seit 2004 bei dem Unternehmen arbeitete, sei keine vorherige Abmahnung erforderlich. Der Mann habe in einer Zeit der Pandemie, als Desinfektionsmittel Mangelware war und in Kenntnis davon, dass das Unternehmen wie auch Arztpraxen mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatten, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet. Damit habe er zugleich in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgingen. Ihm habe klar sein müssen, dass er sein Arbeitsverhältnis gefährdete. Auch die Interessenabwägung fiel angesichts dieser Umstände zu Lasten des Mannes aus. Seine Klage wurde abgewiesen.Sie hätten also durchaus Chancen gehabt, den Prozess zu gewinnen.“
Ärztlicher Whistleblower muss Fakten prüfen
Frau Schannath: „Wer Missstände in der Praxis veröffentlicht, muss vorher prüfen, ob die Anschuldigungen auch stimmen. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 16.02.2021 (Az.: 23922/16) entschieden und die fristlose Kündigung eines Klinikarztes in einem vergleichbaren Fall als rechtens erklärt. Die Straßburger Richter ließen offen, ob der Internist seinen Verdacht zunächst hätte klinikintern äußern müssen. In Anbetracht der Schwere der Vorwürfe habe er diese aber auf jeden Fall besser erhärten und beispielsweise die Fallakten genau ansehen müssen, ehe er nach außen ging. Zwar habe der Arzt nicht „aus unlauteren Motiven gehandelt“. Angesichts der erheblichen Auswirkungen auf den Ruf des Krankenhauses und des Kollegen sei die Entlassung aber gerechtfertigt und verhältnismäßig gewesen, befand der EGMR. Dieser Schritt sollte wohl auch eine abschreckende Wirkung entfalten, was zulässig sei.“
Die Expertin
Andrea Schannath
Rechtsanwältin und Justiziarin des VirchowBunds
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Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands berät seine Mitglieder in Niederlassung und Anstellung in allen Rechtsbereichen, insbesondere im Berufs-, Arbeits-, Miet- und Gesellschaftsrecht.
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