Bei Patientinnen mit psychischer Erkrankung muss die Option einer medikamentösen Behandlung in Schwangerschaft und Stillzeit nicht prinzipiell ausgeschlossen werden. Vielmehr bedarf es einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung und einer interdisziplinären Betreuung.
Die medikamentöse Behandlung von psychischen Erkrankungen ist während Schwangerschaft und Stillzeit ein besonders komplexes Thema. Es gilt abzuwägen zwischen der Gefährdung von Mutter und Kind durch eine unbehandelte Depression ohne Medikamenteneinnahme und einer suffizient behandelten Depression unter einer Medikation. Bei einer Medikation müssen die potenzielle Gefährdung des Kindes durch fetotoxische Medikamenteneffekte, Schwangerschafts- oder peripartale Komplikationen und mögliche Langzeitfolgen beachtet werden [1].
Von großer Bedeutung ist auch die Prophylaxe bei psychisch kranken Frauen im gebärfähigen Alter. Sie sollten regelmäßig auf ihren Kinderwunsch befragt und gegebenenfalls hinsichtlich sicherer Kontrazeption, Schwangerschafts- und Medikationsplanung beraten werden.
Auswirkungen von Psychopharmaka auf die Entwicklung des Kindes
Antidepressiva, insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), werden häufig verschrieben, doch ihre Sicherheit in der Schwangerschaft bleibt umstritten. Studien zeigen, dass SSRI das Risiko für bestimmte Geburtsfehler leicht erhöhen können, aber das absolute Risiko bleibt insgesamt gering.
Andererseits kann eine unbehandelte Depression der Mutter zu einem niedrigeren Geburtsgewicht und einer Frühgeburt führen. Priorität auch in der Schwangerschaft ist deshalb die psychische Stabilität der Patientin. Das bedeutet: Kein abruptes Absetzen oder Umstellung bewährter Medikation bei Feststellung einer Schwangerschaft. Wenn möglich, sollte mit einer Optimierung der Rahmenbedingungen bereits begonnen werden, sobald ein Kinderwunsch vorliegt. Dazu gehören Alkohol- und Nikotinkarenz, wenn möglich eine Normalisierung des BMI und eine ausreichende Versorgung mit Folsäure [2].
Die Schwangerschaft führt zu signifikanten pharmakokinetischen Veränderungen, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Psychopharmaka beeinflussen können. Veränderungen im Blutvolumen, Nierenfunktion und Metabolismus können die Konzentrationen von Medikamenten im Körper verändern. Dies erfordert eine sorgfältige Überwachung und möglicherweise Dosisanpassungen, um therapeutische Wirkungen zu erhalten und toxische Effekte zu vermeiden.
Substanzen mit hohem Erfahrungsumfang in Monotherapie sind bei Schwangeren zu bevorzugen. Psychopharmaka mit hohem Fehlbildungsrisiko, z. B. Valproat, sollten Frauen im gebärfähigen Alter dagegen prinzipiell nicht verordnet werden. Eine engmaschige gynäkologische und psychiatrische Begleitung der Schwangerschaft ist obligat (Mutter: Krisen oder Frühwarnsymptome? Schwangerschaftskomplikationen? Fetus: Frühgeburtsbestrebungen, Wachstumsretardierung?).
Antidepressiva der Wahl während Schwangerschaft und Stillzeit sind Sertralin und Citalopram/Escitalopram, weitere geeignete Antidepressiva u. a. Mirtazapin, Amitriptylin und Duloxetin. Für Patientinnen mit Psychosen gilt: Für einen möglichst komplikationsarmen Schwangerschaftsverlauf hat die psychische Stabilität der Schwangeren höchste Priorität. Umstellungen der Medikation bei stabil eingestellten Patientinnen allenfalls dann, wenn keine wissenschaftlichen Daten zur Anwendung in der Schwangerschaft vorliegen. Als Antipsychotikum empfehlenswert ist Quetiapin, weil es vergleichsweise gut untersucht ist [2].
Auch Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamine sind gut untersucht. Hier werden plazentare Wirkungen diskutiert sowie ein diskret erhöhtes Risiko für Präeklampsie. Bei dringender Indikation wird die Anwendung während der Schwangerschaft dennoch als akzeptabel eingestuft, v. a. wenn notwendig zur Alltagsbewältigung oder zur Abstinenz von riskanteren Substanzen [2].
Neonatale Anpassungsstörungen nach der Geburt können auf Toxizität oder Entzugssymptome zurückzuführen sein, sind ggf. aber auch eine unspezifische Störung physiologischer Anpassungsvorgänge. Individuelle Beratungen zur Embryonaltoxikologie und zu Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit gibt es unter www.embryotox.de (Charité Berlin) und www.reprotox.de (Universitätsklinikum Ulm).
Affektive Störungen und Psychosen in der Schwangerschaft
Um depressive Erkrankungen bei Frauen in der Peripartalzeit nicht zu übersehen, empfiehlt es sich, alle schwangeren Frauen über Depression aufzuklären und routinemäßig die EPDS (Edinburgh Postnatal Depression Scale) als Screeninginstrument einzusetzen. Bei Hinweisen auf eine Depression ist eine ausführliche psychiatrische Diagnostik durchzuführen [3].
Die Behandlung von affektiven Störungen und Psychosen in der Schwangerschaft erfordert eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung. Während einige Antipsychotika und Stimmungsstabilisatoren mit Geburtsfehlern in Verbindung gebracht wurden, kann das Absetzen der Medikation zu einem Rückfall führen, was sowohl für die Mutter als auch für das Kind riskant ist. Nicht medikamentöse Therapien sollten in Betracht gezogen werden, insbesondere bei leichten bis mittelschweren Depressionen. Dazu gehören eine ausführliche Psychoedukation zur Entlastung von Schuldgefühlen, Psychotherapie, soziale Interventionen oder auch Lichttherapie [3]. Väter sollten möglichst in alle Prozesse einbezogen werden.
Auch unabhängig von der Medikation haben psychisch vorerkrankte Frauen wohl ein höheres Risiko für peripartale Komplikationen. Die Ursachen sind noch nicht ganz klar. Vermutet werden Auswirkungen eines ungesünderen Lebensstils, zusammen mit einer geringeren Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen. Zudem gibt es Hinweise für mehr Komplikationen beim Neugeborenen (Frühgeburt, neonatale Anpassungsstörungen). Wichtig ist es, Patientinnen immer auf Vorsorgeuntersuchungen hinzuweisen und auf eine Entbindung in einer Klinik mit Perinatalzentrum zu drängen [4].
Schizophrene Psychosen an sich stellen ein erhöhtes Risiko für Malformationen dar. Schizophrene Frauen haben mehr ungeplante Schwangerschaften, weniger Vorsorgeuntersuchungen, seltener einen Partner und pflegen einen ungesünderen Lebensstil auch in der Schwangerschaft. Das resultiert in einer höheren Rate an operativen Eingriffen während der Geburt [4].
Die Diagnose ADHS geht mit einer ganzen Reihe von Risiken einher. Sie erhöht das Risiko für Teenager-Schwangerschaften sowie für ungeplante Schwangerschaften allgemein. Ein ADHS der Mutter ist häufig mit einem Risikoverhalten in der Schwangerschaft assoziiert (wie Rauchen, Alkohol, illegale Drogen, Schmerzmitteleinnahme), was unabsehbare Risiken für das ungeborene Kind mit sich bringt – vor allem im neurologischen Spektrum. ADHS der Mutter ist ferner mit Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen wie Präeklampsie, Kaiserschnittentbindung, Frühgeburt und Infektionen assoziiert. ADHS-Frauen haben zudem ein erhöhtes Risiko für postpartale Depression [4].
Traumasensible Geburtsbegleitung
Das peripartale Management psychisch erkrankter Eltern erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise. Dies umfasst die Planung der Geburt, die Überwachung der psychischen Gesundheit der Mutter und die Vorbereitung auf die postpartale Phase. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Psychiatern, Geburtshelfern und Pädiatern ist entscheidend, um sowohl die Gesundheit der Mutter als auch die des Kindes zu gewährleisten.
Die meisten Schwangeren erwarten ein „positives Geburtserlebnis“. Frauen mit psychischen Erkrankungen leiden allerdings häufiger unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) nach einer traumatisch erlebten Geburt. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, an erster Stelle die Reaktivierung zurückliegender Traumata durch Schwangerschaft, Entbindung und Mutterschaft. Zu den Symptomen der PTBS: Intrusionen, Flashbacks, Albträume, depressive Gefühle, Gereiztheit, Schreckhaftigkeit, Vermeidung bis hin zur Dissoziation [4].
Allgemeine Maßnahmen nach Geburt zur Reduktion des Risikos umfassen die Sicherung von ausreichend Schlaf, Reizabschirmung durch Einzel-/Familienzimmer in der Geburtsklinik und anschließend Unterstützung durch eine Haushaltshilfe bzw. Entlastung bei Versorgung des Säuglings. In der Psychiatrie gilt der Grundsatz: Zwei erwachsene Menschen sind nicht genug, um sich um einen Säugling zu kümmern [4]. Die wichtigsten Punkte zur Prävention einer PTBS sind im Kasten zusammengefasst [5].
1 Bergemann N. Praxis der Pharmakotherapie der Depression in Schwangerschaft und Stillzeit. In: Konrad C. Therapie der Depression. Springer 2017
2 Onken M. Auswirkungen von Psychopharmaka auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes. Vortrag DGPPN-Kongress 2023
3 Riecher-Rössler A, Frauenheilkunde up2date 2016; 10: 531–45
4 Kittel-Schneider S. Peripartales Management bei psychisch erkrankten Eltern. Vortrag DGPPN-Kongress 2023
5 Kruse M, Hebamme 2017; 30: 200–5