Über die Standard-Therapieoptionen hinaus gibt es neue Erkenntnisse zu den einzelnen Krankheitsstadien des Prostatakarzinoms. Umfangreich aktualisiert wurde auch die Leitlinie.
Das Prostatakarzinom ist mit 60.000 Neuerkrankungen in Deutschland der häufigste bösartige Tumor beim Mann. Im Durchschnitt tritt die Erkrankung mit 72 Jahren auf, so der Stand von 2016. Im selben Jahr verstarben daran 14.417 Männer, was einer altersstandardisierten Sterberate von 19,5 pro 100.000 Einwohner entspricht. Das Risiko, im Laufe des Lebens ein Prostatakarzinom zu entwickeln, liegt für Männer in den westlichen Industrienationen bei ungefähr 40%; etwa 10% werden symptomatisch und nur 3% versterben an einem Prostatakarzinom.
Patienten mit lokalisiertem, begrenztem Karzinom werden lokal invasiv behandelt, mit einer radikalen Prostatektomie oder Strahlentherapie. Eine weitere Option ist die aktive Überwachung, das bedeutet die engmaschige Beobachtung ohne Einleitung einer Therapie. Hier richtet sich die Indikation nach dem Alter, der Lebenserwartung, den Komorbiditäten und der Präferenz des Patienten. Entscheidend für eine therapeutische Intervention ist das Risikoprofil (niedrig, intermediär, hoch). Dieses bezieht den Wert des prostataspezifischen Antigens im Serum (PSA), den Gleason-Score und das klinische Tumorstadium ein. Liegt der PSA-Wert >20ng/ml oder der Gleason-Score ≥8, ist das Risiko für einen Progress und ein Versagen lokaler Therapiemaßnahmen hoch. Solche Hochrisiko-Patienten werden entweder operativ (radikale Prostatektomie) oder strahlentherapeutisch (perkutane Bestrahlung oder Brachytherapie) mit begleitender Androgendeprivationstherapie (ADT) über 24 Monate behandelt. Welche Therapieoptionen im klinischen Verlauf möglich sind, ist in Tabelle 1 dargestellt.
Inzwischen gibt es neue Studienergebnisse zu den einzelnen Stadien:
Beim lokalisierten high-risk-Prostatakarzinom begünstigt der Einsatz von Docetaxel das progressionsfreie Überleben; offen bleibt die Bedeutung auf das Gesamtüberleben oder die Zeit bis zum Auftreten von Metastasen. Die adjuvante Strahlentherapie bietet keinen Vorteil gegenüber einer Nachbeobachtung mit Salvage-Strahlentherapie bei einem biochemischen Rezidiv. Eine verzögerte Bestrahlung scheint besser verträglich zu sein.
Beim nicht metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom verlängerte eine Therapie mit Enzalutamid, Apalutamid und Darolutamid das metastasenfreie Überleben auf mehr als drei Jahre, gegenüber ungefähr 14–18 Monate unter einer Standard-ADT. Das bedeutete eine Risikoreduktion von 60–70%.
Den Patienten mit metastasiertem, hormonnaivem Prostatakarzinom in gutem Allgemeinzustand (ECOG 0–1) sollte zusätzlich zur ADT eine Chemotherapie mit maximal sechs Zyklen Docetaxel oder eine ergänzende antihormonelle Therapie mit Abirateron/Prednison empfohlen werden (Tab. 2).
Abirateron/Prednison scheint gegenüber Docetaxel beim metastasierten, hormonsensitiven Prostatakarzinom überlegen. Auf ein lang anhaltendes Ansprechen im Hinblick auf eine Kastrationsresistenz weist vor allem der nach sechs Monaten erreichte PSA-Nadir ≤0,1ng/ml hin. Beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom deuten die Ergebnisse auf eine Kreuzresistenz der etablierten Antiandrogene hin, sodass die intravenöse Chemotherapie mit Cabazitaxel im Stadium der Kastrationsresistenz auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen wird. Für Patienten mit genetischen Aberrationen (BRCA1-, BRCA2-, ATM-Gen) ist die zielgerichtete Therapie mit PARP-Inhibitoren (Poly[ADP-ribose]-Polymerase) eine bedeutende, neue Therapieoption. Durch eine tendenzielle Verbesserung des Gesamtüberlebens mit Olaparib könnte die Testung einer DNA-Reparaturdefizienz klinische Relevanz mit einer neuen Therapieoption erlangen.
S3-Leitlinie Prostatakarzinom Version 6.0 - Mai 2021 AWMF-Registernummer: 043/022OL