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Praxisorganisation

Private-Equity-Gesellschaften

Arzt-Ketten in undurchsichtigen Finanzstrukturen

Nicole Hein

15.6.2022

Wenn Arztpraxen durch Finanzinvestoren aufgekauft werden, hat das Folgen für Patienten, das medizinische Personal und die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine aktuelle Studie hat das Private-Equity-Geschäftsmodell näher am Beispiel der ambulanten Patientenversorgung in Bayern untersucht.

Zunehmend geraten in Deutschland Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in den Fokus von Finanzinvestoren. Oft verbergen sich dahinter Private-Equity-Gesellschaften mit Sitz im Ausland, welche die Praxen und MVZ im Durchschnitt nach fünf bis sechs Jahren gewinnbringend weiterverkaufen. Da viele Unternehmen einen zweiten oder dritten Verkauf an einen Finanzinvestor durchlaufen, sind die Praxen häufig länger als zehn Jahre im Besitz der Private-Equity-Gesellschaften. Eine Studie hat diese Entwicklung jetzt näher untersucht: Dr. Christoph Scheuplein (IAT, Institut Arbeit und Technik/Westfälische Hochschule Gelsenkirchen) und Richard Bůžek (Universität Münster) haben die komplexen Strukturen am Beispiel der ambulanten Patientenversorgung in Bayern analysiert. Basis der Untersuchung war ein Datensatz der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, der alle bis März 2020 zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren/ Arztpraxen in ihrem Gebiet umfasst.

Insgesamt haben die Wissenschaftler 17 Arzt-Ketten im Eigentum von Private Equity identifiziert, bei denen sich jeweils eine Korporatisierung vollzieht, d.h., ein Umbau von Einzelpraxen in großunternehmerische Strukturen. Von den 17 haben 14 Arzt-Ketten ihre Fonds-Standorte in einer Steueroase, insbesondere auf den Kanalinseln (Guernsey und Jersey), in Luxemburg und den Cayman Islands. In vielen Fällen werden Tochtergesellschaften an mehreren Offshore-Finanzzentren errichtet, um verschiedene steuerliche Vorteile zu kombinieren, führten Scheuplein und Bůžek in einem Artikel in der Fachzeitschrift „Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie" [1] aus.

Was als Steuerzahlung beim bayerischen Fiskus landen sollte, fließt mehrheitlich in Steueroasen

Darüber hinaus stellten sie fest, dass die Arzt-Ketten eine Doppelstruktur nutzen: Eine sichert den Zugang zum Markt, die andere dient dem globalen Finanzfluss und der Steuervermeidung. Den Marktzugang bilden oft ein oder mehrere MVZ, die Leistungen erbringen, ein Krankenhaus, das MVZ kaufen darf, und weitere Erwerbsgesellschaft zur operativen Kontrolle der MVZ und um zentrale Services zu gewährleisten. Bei Erwerb der Arztpraxen bzw. der MVZ wird zunächst Investitionskapital nach Deutschland transferiert, später fließen die Gewinne zurück an die Kapitaleigner.

Besonders problematisch daran sei, dass die Finanzstrukturen der neuen Praxis-Ketten für die Gesundheitspolitik, die Patienten und die Kassenärztliche Selbstverwaltung kaum transparent wären, so Scheuplein und Bůžek. Zudem blieben die konzernartigen Arzt-Ketten erhalten, selbst wenn die Finanzstrukturen ihren Zweck erfüllen und die Private-Equity-Gesellschaften sie wieder abgestoßen hätten. Nach Ansicht der Autoren würde das die ambulante Patientenversorgung in Deutschland dauerhaft prägen. Denn langfristig führten die Finanzierungsprozesse durch Investoren zu einer nachhaltigen Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Deshalb plädierten sie dafür, das Thema schnell auf die wissenschaftliche und politische Agenda zu setzen.

1. Bůžek R et al., Tijds voor econ en Soc Geog, https://doi.org/10.1111/tesg.12519

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