Das Klima der Erde verändert sich dramatisch. Eine Arztpraxis, die ökologische Aspekte berücksichtigt, nutzt einen aktuellen Trend, um zusätzlich auf sich aufmerksam zu machen und soziale Verantwortung auch nach außen zu zeigen. Wir geben Tipps für die praktische Umsetzung einer grünen Markenpositionierung.
Sofern die derzeitigen Bedingungen, etwa die Menge der CO2-Emissionen, bestehen bleiben, wird für Deutschland ein Temperaturanstieg von bis zu 5 °C erwartet. Es ist höchste Zeit etwas zu tun und das gilt natürlich auch für alle Player im Gesundheitswesen. Krankenhäusern wird dabei eine tragende Rolle zugeschrieben: Hier hat sich die Auszeichnung „Green Hospitals“ bewährt, für die sich engagierte Krankenhäuser bewerben können.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht ein großes Potenzial für Einsparungen im Bereich des Gesundheitssektors, die direkten Einfluss auf das Klima und die Gesundheit der Menschen weltweit mit sich bringen könnten. Damit gehören auch Arztpraxen und ihre Teams mit zu den Zielgruppen, die einen nicht unerheblichen Beitrag zur Umwelt und zum Energiesparen leisten können. Und die Delegierten des 125. Deutschen Ärztetages haben sich Anfang November 2021 darauf verständigt, dass bis 2030 ein klimaneutrales Gesundheitssystem geschaffen werden soll. Auch deshalb ist das Thema „Klima-/ Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Arztpraxen“ hochaktuell. „Sind wir eine umfeldfreundliche Praxis?“ gehört als ständiger TOP auf die Agenda in die Teambesprechungen.
Aus der Masse abheben
Wie kann sich die Facharztpraxis aus der Masse abheben – nicht zuletzt, um auch für Privatpatietinnen attraktiv zu sein? Die Antwort lautete schon immer: Mit hoher Fachkompetenz von ärztlichen und nicht ärztlichen Mitarbeitern sowie mit einer professionellen Organisation und einem exzellenten Service. Neu kommt dazu: mit dem Thema Nachhaltigkeit.
Denn das gesellschaftliche Bewusstsein für Klimafragen steigt exponentiell. Zunächst gilt es, die Thematik im praxiseigenen Qualitätsmanagement zu etablieren und vor allem das Team zu sensibilisieren. Ein schrittweises, kluges Vorgehen in den bewährten drei Management-Schritten (Struktur-, Prozess-, Ergebnis-Qualität) sichert einen langen Atem und nachhaltigen Erfolg.
Erstellen Sie in einem kleinen internen „Klimagipfel“ eine Ideenliste und ermutigen Sie Ihr Mitarbeiterteam, konkrete Vorschläge, auch für ein gesundheits- und umweltfreundliches Arbeitsumfeld, einzubringen. Nutzt man die Kreativmethode des Brainstormings, wird man erstaunt sein, wie viel Handlungsbedarf sich ergibt, und was sich tatsächlich umweltbewusst auch schon rasch und wirkungsvoll umsetzen lässt (siehe Kasten).
Zunächst sollte dann eine „grüne Zielrichtung“ (Vision + Mission) von der Praxisleitung vorgegeben werden. Denn das ist Führungsaufgabe. Hier ein paar praktische Beispiele:
• Wir wollen uns thematisch stärker ausrichten auf „Umwelteinflüsse und Frauengesundheit“.
• Wir wollen die Schonung natürlicher Ressourcen im Rahmen unseres gynäkologischen Fachgebietes aktiv umsetzen.
• Wir müssen aktiv an unserer Energieeffizienz arbeiten – alleine schon wegen der steigenden Betriebskosten für Energie und Verbrauch.
• Wir wollen uns positionieren mit verstärkter sozialer und ökologischer Unternehmensverantwortung („klimagesunde Praxis“) und zeigen das dann auch nach außen (Praxismarketing, Vorbildfunktion).
• Wir entwickeln ein „Klimaretter“-Programm für unsere Facharztpraxis, für unsere Mitarbeiter und für unsere Patientinnen.
• Als Arbeitgeber schaffen wir günstige „grüne“ Rahmenbedingungen (z. B. Kugelschreiber aus Holz und Nachfüllminen statt Plastik, Recycling-Papier und Green-Hygiene-Produkte benutzen).
Mit einem „Best Practice Standard“ präsentiert sich die nachhaltige private Facharztpraxis auch nach außen im Sinne einer aktiven Zukunftsgestaltung – Pionier im medizinisch-ökologischen Handeln. Für die Werterhaltung bzw. Wertsteigerung einer klimagesunden Privatpraxis kann es zudem förderlich sein, sich einer Fremdbewertung zu unterziehen, z. B. die ISO-Zertifizierung im Bereich Umweltmanagement (ISO-14001-Zertifizierung) und/oder der Nachweis eines „Excellence-Status“.
Nachhaltigkeit und ökologischer Fußabdruck
Der ökologische Fußabdruck (Ecological Footprint) wurde Mitte der 1990er-Jahre von Mathis Wackernagel und William Rees entwickelt und hat sich als ein Indikator für Nachhaltigkeit durchgesetzt. Er gibt an, wie stark das Ökosystem und die natürlichen Ressourcen der Erde beansprucht werden. Der ökologische Fußabdruck kann auf allen Ebenen berechnet werden, sei dies für ausgewählte Aktivitäten, einzelne Privatpersonen, Unternehmen, Gemeinschaften, Städte oder Länder. Anders als der CO2-Fußabdruck berücksichtigt der ökologische Fußabdruck neben dem CO2-Ausstoß auch andere Umwelteinflüsse.
Praktisches Vorgehen
Zunächst sollte ein Problembewusstsein geschaffen werden: bei Mitarbeitern, bei Geschäftspartnern, bei Kollegen, bei Patienten und bei der Praxisführung selbst. Als wesentlicher Teil des praxisinternen Qualitätsmanagement bedarf es des bewährten, systematischen Vorgehens mit dem PDCA-Zyklus. So kann der Aufbau eines wirksamen Umweltmanagements (UMS) in der Privatpraxis gelingen:
Planen (Plan):
• Umweltaspekte werden im Team ermittelt und bewertet.
• Umweltziele werden daraus abgeleitet und durch gezielte Aktionen umgesetzt.
Umsetzen, verwirklichen (Do):
• Festlegung der Verantwortlichkeiten und Aufgaben
• Erstellung und Lenkung der Umwelt-Managementdokumentation
• Einführung von Kontrollterminen zur Überwachung umweltrelevanter Abläufe
Überprüfen (Check):
• Messen und Überwachen der Aktivitäten und Maßnahmen in Zahlen und Fakten (Energiebilanz)
Handeln (Act):
• Bewertung des UMS und Ermittlung von Verbesserungsmöglichkeiten, Vergleich mit anderen Einrichtungen (Benchmarking); ggf. Erwerb eines Qualitätssiegels (z. B. „Grüne Praxis“) oder einer ISO-Zertifizierung.
Wenn man sich in der Privatpraxis dazu entschließt, Nachhaltigkeit konkret umzusetzen, ist das der Beginn eines Prozesses, der in kleinen Schritten und kontinuierlich stattfinden sollte. Auf dem Weg zur klimafreundlicheren Praxis sollte der Fokus zunächst auf CO2-Einsparungen liegen. Es gibt viel zu tun, doch können privatärztliche Teams nur davon profitieren, nicht zuletzt in der Öffentlichkeit. Ziel sollte es sein, die „Marke frauenärztliche Privatpraxis“ um den Faktor Umweltbewusstsein und Zukunftsorientierung zu stärken, die Energiebilanz kontinuierlich zu verbessern und sich den Mitarbeitern sowie der Öffentlichkeit gegenüber als moderner, verantwortungsbewusster Arbeitgeber und Inhaber einer gynäkologischen Praxis mit nachhaltiger Ausrichtung zu präsentieren. Ärzte und Praxisteams haben eine starke Multiplikatoren- und Expertenfunktion, die sie nutzbringend und wirkungsvoll gerade beim Thema „Klimawandel und Gesundheit“ einsetzen können und sollten. Weitere Möglichkeiten künftiger Team-Aktivitäten:
• Gemeinsam eine „grüne Praxisrichtlinie“ formulieren und damit im Wartezimmer und auf der Website die Patientinnen überzeugen.
• „Mach-mit-Programme“ entwickeln, die eine Vorbildfunktion der Praxis darstellen und als konkrete Handlungsanweisungen an Patientinnen, Mitarbeiter und Geschäftspartner weitergegeben werden.
• Im Wartezimmer-TV Tipps und Hinweise für Umwelt-, Klima- und Artenschutz einstellen.
• Patientinnen durch eine Patientenbefragung zum Umwelt- und Klimaschutz und gezielte Hinweise aktiv in die Aktivitäten mit einbinden.
Die Ideenfindung sollte zwischen 5 und 30 Minuten dauern. Für die Ideenbewertung müssen Sie ebenfalls Zeit einplanen, insgesamt 30 bis 60 Minuten ansetzen. Die vier Grundregeln:
Regel Nr. 1: Keine Kritik
Die wichtigste Regel: Während des Brainstormings dürfen die Ideen nicht bewertet werden. Selbst wenn es sich nach völligem Unsinn anhört – lassen Sie Ihre Mitarbeiter reden! Auch Totschlag-Argumente und Killerphrasen wie „Das funktioniert nicht“ sind verboten.
Regel Nr. 2: Quantität vor Qualität
Die Teilnehmer bremsen sich selbst aus, wenn sie versuchen, gleich die beste Lösung zu finden. Also: Erst einmal her mit allen Einfällen. Ausgesiebt wird später.
Regel Nr. 3: Kein Copyright auf Ideen
Es ist ausdrücklich erlaubt, die Ideen anderer Teilnehmer zu klauen oder sich von ihnen inspirieren zu lassen.
Regel Nr. 4: Unbedingt herumspinnen
Vom Thema abkommen, fantasieren, frei assoziieren ist im Brainstorming erwünscht. Wer weiß, vielleicht bringt der auf den ersten Blick unmögliche Vorschlag einen Mitstreiter auf eine richtig gute Idee.
Phase 1: Ideen finden und sammeln
Alle wissen Bescheid und kennen die Regeln, dann darf „gehirnt“ werden. Wichtig ist, dass alle geäußerten Ideen aufgeschrieben werden.
Phase 2: Ideen sortieren
Dann gilt es, die Ideenflut gemeinsam zu strukturieren. Lassen sich die Vorschläge in bestimmte Kategorien einteilen? Was kann sofort umgesetzt werden, was eher mittel- oder langfristig?
Phase 3: Ideen bewerten
Was sich vorher alle verkneifen mussten, darf jetzt raus: die Kritik an einzelnen Ideen. Aussortiert wird, was sich als nicht umsetzbar herausstellt. Wichtig ist: Am Ende bleibt doch eine Liste mit den vielversprechendsten Ideen übrig.
Phase 4: Die Nachbereitung
Die schönsten Ideen nützen wenig, wenn sie nicht weiterverfolgt werden. Halten Sie fest, welche Ideen Sie näher betrachten wollen, welche Schritte dafür notwendig sind und wer sich darum kümmert.
Meldungen rund um das Thema Klimawandel, Klimaschutz und Nachhaltigkeit dominieren die mediale Berichterstattung. Mittlerweile sollte jeder darüber nachdenken, welchen Beitrag er zum Klimaschutz beitragen kann. Das gilt auch für Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser und Arztpraxen. Dem Bedürfnis von besonders anspruchsvollen Privatpatientinnen für nachhaltig orientiertes Handeln – auch im medizinischen Bereich – wird durch eine nachhaltige Privatpraxis Rechnung getragen. Zudem positioniert sich die Praxis als innovatives Unternehmen und Vorreiter im Wettbewerb.
Die Autorin
Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)
Bildnachweis: privat