Rituale sind formelle Handlungen, die zu festen Gewohnheiten werden und einen gewissen Symbolcharakter haben. Als fester Bestandteil in der täglichen Arbeit können sie Inseln der Ruhe schaffen, mithelfen, schwierige Situationen klug zu meistern und den Arbeitsplatz zu einem guten Ort des beruflichen Lebens zu gestalten.
Die Arbeit im Gesundheitswesen ist besonders geprägt von klassischen Strukturen und Routinen, die den Tagesablauf formen. Beispiele sind Sprechzeiten, Vorgaben für Notfälle, Prozessabläufe der Praxisorganisation (QM) oder die Regelungen von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten.
Gute Teamarbeit lebt aber auch vom aktiven Energiezufluss der Praxisleitung auf der kommunikativen und zwischenmenschlichen Ebene. Motivierende Rituale in den Tagesablauf einzubauen, ist eine gute Investition in kluge Menschenführung.
Erfolgreiche Teamarbeit ist keine Addition von Einzelleistungen, sondern wird bewirkt durch Synergieeffekte von denen alle Beteiligten profitieren. Arbeitszufriedenheit entsteht durch Erfolgserlebnisse beim täglichen Tun, aber auch durch einen angenehmen Arbeitsplatz, aktive Unterstützung und Wertschätzung durch Vorgesetzte durch konkrete und kontinuierliche Impulse und Maßnahmen für ein gutes Betriebsklima.
Gewohnheiten sind Aufgaben, die wir so oft ausführen, dass sie zur Selbstverständlichkeit werden, z. B. alle paar Minuten auf dem Handy nach Updates zu schauen, die morgendliche Kaffeepause einzulegen oder sich die Zähne zu putzen. An diesen Beispielen wird klar, dass es Routinen gibt, die mehr oder weniger hilfreich sind. Im Sinne der Team-Resilienz und Selbstfürsorge sollten gute Routinen dafür sorgen, den guten Energiehaushalt zu bewahren. Es reicht nicht, die Selbstfürsorge auf die Zeit des Feierabends zu verschieben. Zu groß ist die Gefahr, sich permanent zu überfordern. Die Kunst besteht darin, während der Arbeitsphase gut auf sich zu achten und die Kräfte einzuteilen. Rituale können dabei sehr hilfreich sein.
Gemeinsam Rituale entwickeln und etablieren
In einer der regelmäßigen Mitarbeitermeetings können nach der Methodik des Brainstormings Ideen gesammelt werden, wobei zunächst ohne Bewertung zusammengetragen wird, was kreativ im verbalen Austausch miteinander entsteht. Gezielte Fragen können den Einfallsreichtum unterstützen.
Die Kunst besteht darin, während der Arbeitsphase gut auf sich zu achten und die Kräfte einzuteilen.
Es ist grundsätzlich einfacher, zunächst die Dinge aufzulisten, in denen wir schlecht sind, als unsere unguten Eigenschaften während der Arbeit in der Praxis. Das Auflisten, was als ungut oder sogar ärgerlich empfunden wird, kann helfen, neue Wege zu beschreiten und sich gesünderen Gewohnheiten zuzuwenden. Schlechte Gewohnheiten können sein:
Gute Rituale sorgen wieder mehr für Leichtigkeit und Freude. Der Start in den Praxisalltag kann zum Beispiel gut gelaunt durch den Fixpunkt des morgendlichen Briefings beginnen. Der Dialog am Beginn der Arbeit – im Stehen und zeitlich begrenzt auf maximal 5 Minuten – stärkt vor allem die Verbundenheit auf emotionaler Ebene. Das kurze Briefing-Gespräch dient der Übermittlung organisatorischer Informationen (Was liegt an? Worauf müssen wir heute besonders achten?).
Gesprächsziele sind weiterhin motivierendes Einstimmen und Vorbereiten untereinander, die Vermittlung von Zuversicht und Wertschätzung; auch erfreuliche oder belastende Situationen können thematisiert werden. Zudem kann ein stärkender oder humorvoller „Spruch oder Motto des Tages“ ausgegeben werden.
Ein Großteil unseres „Druckgefühls“ entsteht bereits durch falsches Atmen.
Auch ein Debriefing-Gespräch am Ende des Arbeitstages hat seine Berechtigung:
Das abendliche Gespräch sollte mit einem Dank für die Zusammenarbeit enden.
Der strukturierte und sichtbar ordentliche Arbeitsplatz kann eine gute Gewohnheit werden, auch die Rezeption kann durchaus eine individuelle Besonderheit haben, deren wirkungsvolle Routine vielleicht sogar ein Markenzeichen wird:
BEWEGUNG
Wir sitzen alle zu viel – „Sitzen ist das neue Rauchen“. Der Wechsel zwischen Sitzen und Stehen schafft Distanz und Raum bei stressigen Situationen und fördert die Konzentration. Ist kein Stehtisch vorhanden, können schon kleine Laufgänge zum Kopierer oder auch zum Mülleimer ein Anfang sein. Mini-Workouts (Yoga am Arbeitsplatz) sind auch gut in den Arbeitsalltag der Arztpraxis integrierbar: im Stehen telefonieren, die „40-15-5-Regel“ beachten – aktive Stundengestaltung: maximal 40 Minuten sitzen, 15 Minuten stehen und 5 Minuten umhergehen. Wer sich aktiv auf ein Bein stellt, kommt rasch auf andere Gedanken. Auch den Kopf nach einem anstrengenden Vormittag mal abzulegen, hat eine sehr entspannende Wirkung. Recken und Strecken mit der Kollegin bzw. dem Kollegen macht einfach nur fröhlich.
TRINKEN
Richtiges Trinken ist die Grundlage für Energiegewinnung, Konzentrationsvermögen und gutes Durchhaltevermögen für positive Leistungen. Natürliches Mineralwasser sollte bei allen Arbeitsaufgaben immer griffbereit sein. Am besten direkt am Arbeitsplatz die Mineralwassermenge für den ganzen Tag bereitstellen und die Arbeitspausen immer für einen Schluck Mineralwasser nutzen.
ATMEN
Kaum vorstellbar – aber ein Großteil unseres physischen „Druckgefühls“ entsteht bereits durch falsches Atmen. So viel Zeit muss sein, immer mal wieder tief durchzuatmen. So werden die Entspannungsmechanismen des Körpers aktiviert, die Herzfrequenz wird gesenkt und die Muskelentspannung tritt ein. Atemübungen können außerdem bequem und dezent am Arbeitsplatz eingeplant werden, z. B in den Mini-Pausen im Personalraum oder auf der Toilette. Dabei kann auch eine kleine, aber sehr wirksame Übung den Stress-Level senken: Die Kneipp-Anwendung im Waschbecken oder unter laufendem, kaltem Wasser.
PAUSEN
Oft ist der Kalender so voll, dass eine richtige Mittagspause entfällt. Oftmals reicht die Zeit nur für einen kleinen Snack zwischen Tür und Angel. Dabei ist die Zeitersparnis oft viel geringer als erwartet und man hangelt sich mit einem flauen Bauchgefühl durch den Tag. Wer seinen Körper wertschätzt, gönnt ihm die nötigen Pausen. Grund genug für eine gesunde Pausenkultur – mit fest etablierten guten Gewohnheiten in der Praxis (saisonales Obst, frisch gepresste Säfte, ein gemeinsam eingenommener gesunder Snack).
FRISCHE LUFT
Regelmäßiges Lüften in der Praxis, Atemübungen am offenen Fenster oder raus ins Freie. Der kurze Tapetenwechsel in der freien Natur und/oder der Aufenthalt nach der Arbeit im Grünen schaffen Ruhe, Entspannung und das einfache Abschalten. Es kann ein wunderbares Team-Ritual werden, regelmäßig – vielleicht sogar als „Teambesprechung im Gehen“ – achtsam im Wald oder Park unterwegs zu sein. Den Effekt des Waldbadens (Biophilia-Effekt) nutzen: Der Anblick und der Aufenthalt in der Natur senkt Stresshormone, hebt die Laune und sorgt für inneres Gleichgewicht.
FREUDE AM ALLTAG
Was gibt uns Freude? Was gibt uns Kraft? Wie können wir uns gegenseitig inspirieren und auch zum Lachen bringen? Der kreative Austausch mit anderen sorgt für frische Ideen und Motivation. Gemeinsame Unternehmungen fördern die Leichtigkeit und Lebensfreude.
Kleine Rituale können den Arbeitsalltag sehr bereichern und „Leitplanken“ sein. Gesprächsroutinen wie das kurze morgendliche Briefing erfordern einen minimalen zeitlichen Aufwand, haben aber eine enorm gute Wirkung auf das Wir-Gefühl und das Betriebsklima. Entscheidend ist letztlich, im Team gute Routinen zu entwickeln und einzuüben, die passend sind und wirklichen Benefit bringen. Und klar ist, wer sich am Arbeitsplatz wohl fühlt, ist produktiver und motivierter. Gute Gewohnheiten sind automatisierte Verhaltensschleifen. Aber: sie brauchen die Regelmäßigkeit!
Die Autorin
Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)