Ein veränderter Blickwinkel kann sehr erhellend sein. In der Personalführung und -förderung ist es eine wirkungsvolle Methode, um neue Erkenntnisse in der Zusammenarbeit mit dem Praxisteam zu gewinnen und die Selbstwahrnehmung als Führungspersönlichkeit zu verändern.
Der Arbeitsmarkt wandelt sich rapide. Gute Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen sind Mangelware geworden. Auch deshalb ist die Erkenntnis notwendig: „Pflegen Sie Ihr Team gut, es gibt zurzeit kein anderes.“
Gute Arbeitgeber und -geberinnen sorgen im Zuge eines praxisinternen Qualitätsmanagements schon vorausschauend für einen wertschätzenden Umgang miteinander am Arbeitsplatz, hinterfragen Konflikte und Kommunikationsprozesse und sind durch Instrumente wie Teambesprechungen, Mitarbeiter-Jahresgespräche oder ein internes Vorschlagswesen im engen Austausch. Tun Sie das? Beantworten Sie die Selbsttest-Fragen im Kasten, und Sie sind schlauer.
Frust und Verdrossenheit bleiben nicht ohne Folgen für die Praxis.
Ein guter Arbeitgeber bzw. eine gute Arbeitgeberin kann den entscheidenden Unterschied in der beruflichen Karriere, aber auch in der Lebensqualität von Praxisteams ausmachen. Doch welche Praxen bieten die besten Voraussetzungen für Karrierechancen und ein zufriedenes Leben? Seit Jahren höre ich in meinen Seminaren, dass viele MFA – vor die Wahl gestellt – diesen Beruf nicht wieder ergreifen würden. Als Ursachen der Unzufriedenheit werden insbesondere unattraktive Arbeitsbedingungen, ungünstige Arbeitszeitregelungen, aber auch mangelnde Wertschätzung und schlechte Bezahlung genannt.
Frust und Verdrossenheit bleiben naturgemäß auch am Arbeitsplatz nicht ohne Auswirkung: atmosphärisch spürt man eine mehr oder minder unterschwellige Gereiztheit, unter der letztlich alle Beteiligten leiden. Es sind 4 Bereiche, auf die ein unterstützender Arbeitgeber Einfluss nehmen kann:
Jedes Unternehmen lebt von den Angestellten. Fühlen diese sich geschätzt, beeinflusst das oft die Motivation oder Leistungsfähigkeit positiv. Ohne Wertschätzung kann es dagegen passieren, dass die MFA immer unzufriedener werden und nur das Minimum für den Job tun. Schlimmstenfalls gehen sie in die innere Kündigung und machen nur noch Dienst nach Vorschrift. Folgende Anzeichen gelten als „typisch“, wenn Angestellte einem Unternehmen egal sind:
Kein Feedback: Die Arbeitskraft wird einfach hingenommen und über berufliche Entwicklungs- und Qualifikationsmöglichkeiten wird nicht gesprochen.
Fehlende Informationen: Die Kommunikationskette funktioniert einfach nicht.
Vereinbarungen werden nicht eingehalten oder kommen immer neu: Jeder Tag ist eine Überraschung, und es kann immer was Neues kommen, was den Alltag verändert. Oder fehlende Verlässlichkeit bei Absprachen. Je nach Ausprägung wird der Arbeitsalltag dadurch unberechenbar, worunter dann auch das Privatleben leiden kann.
Unpassendes Gehalt: Das Gehalt ist nicht alles, allerdings ist es ein wichtiger Punkt und auch – neben verbalem Lob und Dank – eine Wertschätzung des Engagements. Es geht dabei nicht nur um das Geld, sondern darum, dass Angestellte einen direkten Gegenwert für ihre Arbeit erhalten.
Danke ist ein Fremdwort: Das Zitat „Nicht geschimpft ist genug gelobt“ stimmt einfach nicht und ist eher ein Zeichen nicht gelebter Feedback-Kultur.
Fehlende Empathie: Es fehlt die zwischenmenschliche Ebene – private Situationen werden nicht angesprochen. Oft kann es auch schon am höflichen Umgangston oder einem respektvollen Miteinander mangeln.
Keine Unterstützung: Angestellte arbeiten am Limit, sie kommen mit den Aufgaben nicht hinterher und sind chronisch überlastet.
Mangelnde Ausstattung am Arbeitsplatz: Veraltete, abgenutzte oder fehlerhafte Technik, lieblose Aufenthaltsräume oder fehlende Umkleidemöglichkeiten sind typische Anzeichen, dass die Angestellen dem Arbeitgeber egal sind.
Keine Flexibilität: Keine Zugeständnisse für Angestellte in Sachen Arbeitszeitgestaltung.
Guter Arbeitgeber, schlechter Arbeitgeber
Der Mangel an Fürsorglichkeit und Wärme im Umgang miteinander ist oft noch schwerwiegender als fehlende ökonomische Anreize. Die Liste der Negativitäten wirkt sich langfristig auf die Arbeitszufriedenheit aus. Damit fällt es den Angestellten mitunter nur schwer, sich für ihren Job zu motivieren. Die Arbeitsleistung verschlechtert sich, in der Folge auch die Identifikation mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin und dem Privat-Klientel. Eine destruktive Entwicklung.
Gute Arbeitgeber betonen in den Kontakten mit ihrem Team die positiven Aspekte und gehen mit Kritik sparsam um (maximal ein Viertel der Gesamtkommunikation). Mindestens drei Viertel gehören der Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen und der anerkennenden Verstärkung guter und kontinuierlicher Leistungen. Prüfen Sie Ihren Zahlenschlüssel kritisch. Schließlich verbringen Chef und Mitarbeiter viel Lebenszeit miteinander.
Haben die medizinischen Fachangestellten eine Chance im Sinne des „Job-Enrichment“? In vielen Helferinnen schlummern reichlich ungenutzte Ressourcen. Der Arzt oder die Ärztin kann anspruchsvolle Aufgaben delegieren, z. B. Diätberatung, Übersetzungen, Abrechnung. Er kann Fortbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen für Tätigkeiten mit höherem Anforderungsniveau fördern und unterstützen.
Die Qualität der Arbeitsmittel (Bürostuhl, Kleidung, Schuhwerk, Telefonanlage, Ausstattung des Sozial-/Personalraums) ist eine ebenso wertvolle Unterstützung wie Beihilfe bei den Fahrten zum Arbeitsplatz, bei der betrieblichen Altersvorsorge und bei der betrieblichen Gesundheitsförderung.
Mut, sich bewerten zu lassen
Ein Arzt sagte einmal: „Mitarbeiter sollten die größten Fans des Doktors sein!“ Dafür braucht es einen bestimmten Stil in der Praxis- und Mitarbeiterführung. Wechseln Sie doch einmal die Perspektive und schlüpfen in die Rolle der Mitarbeiterin: Bewerten Sie Ihren Arbeitgeber (mit den üblichen Schulnoten oder mit Sternen) in den folgenden „Fächern“:
Beim Portal „great place of work” messen sich jährlich Deutschlands beste Arbeitgeber. Hier lässt sich schon ablesen, was den Teamgeist, die Motivation und Freude an der Arbeit den Angestellten erhält. Werfen Sie einen Blick auf die Tabelle und vergleichen Sie das mit der Bewertung durch Ihre Angestellten. Und schon haben Sie ein Werkzeug, mit dem Sie die Stimmung im Team verbessern können – und damit auch die Teamleistung. Und das alles, ohne Geld für externe Berater in die Hand zu nehmen. Es braucht nur ein wenig Mut.
Ändere die Sichtweise, und es verändert sich etwas. Der Perspektivenwechsel ist eine Art philosophischer Ansatz, die eigenen Gewohnheiten und Überzeugungen zu hinterfragen. Aus der Sicht der Mitarbeiter zeigt sich möglicherweise ein ganz anderes Bild als selbst angenommen.
Wird der Fokus – auch mit den Werkzeugen des praxisinternen Qualitätsmanagements (PDCA-Zyklus, Kaizen-Meetings etc.) – darauf gelegt, die Prozesse stetig zu verbessern, so kann sich nach und nach eine bessere Orientierung etablieren. Nicht nur an den Bedürfnissen und Anforderungen der Patientinnen, sondern vor allem auch an denen der Angestellten.
Die Autorin
Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)
Bildnachweis: privat