Sind Ihre Mitarbeiter häufig krank, leidet die Arbeitsqualität und die Produktivität – und damit der wirtschaftliche Erfolg. Deshalb packen nicht nur große Unternehmen, sondern auch kleine Firmen und Arztpraxen das Problem proaktiv an und setzen auf Prävention im Zuge der betrieblichen Gesundheitsförderung.
Wissen Sie, was Selbstfürsorge ist? Fürsorge bezeichnet das Bemühen um andere Menschen. Sie wollen, dass es einem anderen – Ihren Mitarbeitern oder Ihren Patientinnen – gut geht, kümmern sich darum, helfen weiter, bieten Rat und Unterstützung. Bei der Selbstfürsorge tun Sie das Gleiche – nur für sich selbst. Die Selbstfürsorge kommt in Arztpraxen leider regelmäßig zu kurz. Daher macht es Sinn, das zu institutionalisieren – etwa im Zuge der betrieblichen Gesundheitsförderung. Dazu zählen etwa Bewegungs- und Ernährungskurse oder Seminare zur Stressbewältigung. Auch wenn diese nicht immer auf Akzeptanz stoßen, zumal in Pandemiezeiten das Präsenzangebot fehlt.
Gesundheitspotenziale zu stärken und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern, sind Aufgaben der betrieblichen Gesundheitsförderung, auch im Zuge des jeweiligen QM-System der Privatpraxis. Wie aber steht es tatsächlich im Praxisteam mit der aktiven Unterstützung von gesundheitsförderndem Verhalten? Wäre es nicht eine kluge Überlegung, Gesundheitsressourcen im Team zu erkennen und zu fördern? Dafür bietet die Salutogenese einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur der Praxisleitung und dem Praxisteam zu Gute kommt, sondern auch die Glaubwürdigkeit entsprechender Angebote (Gesundheitsleistungen und Coaching) im Leistungsprofil der Praxis fördert, gerade bei Privatpatientinnen. Der Begriff „Salutogenese“ mag in Fachkreisen bereits abgenutzt klingen, jedoch haben die wenigsten Patientinnen davon gehört. Wenn Sie bereits eine definierte Marktnische bedienen, bieten Sie zusätzlich ein Präventions-/Gesundheitsprogramm, das genau in diese (salutogenetische) Nische passt.
Keine Frage, der Arbeitsalltag in der gynäkologischen Facharztpraxis ist fordernd, und oft bleibt die Fürsorge für den eigenen Körper und für die notwendige Selbstpflege auf der Strecke, oder es mangelt einfach am praktischen Wissen um die Gesundheitskompetenz in eigener Sache. Gesundheitsprofis sollten eigentlich ein Vorbild sein, wenn es um dieses Thema geht. Einfache Regeln wie ausreichendes Trinken, kleine Pausen und aktiver Bewegungsausgleich nach langem Sitzen oder Stehen gehören zu einem gesunden Arbeitsplatz wie der ergonomische Stuhl und die richtige Einstellung des Bildschirms. Während die Forderungen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit (z. B. Brandschutz, Gefährdungsbeurteilung, sicherheitstechnische und betriebsärztliche Betreuung) verbindlich vorgeschrieben und im Zuge des Qualitätsmanagements zu erfüllen sind, ist Verhaltensprävention bei den Mitarbeiterinnen eine freiwillige Maßnahme. Hier liegt eine große Chance für die Frauenarztpraxis: Die eigene medizinische Fachkompetenz UND das Thema Gesundheitsbildung- und förderung (Salutogenese-Konzept) als herausragendes, zukunftsorientiertes Leistungsmerkmal (USP) zu positionieren. Gesunde Mitarbeiterinnen sind dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen mit direktem Patientinnenkontakt übt einen zentralen Einfluss auf deren Zufriedenheit und damit auf den Erfolg Ihres Unternehmens aus. Warum? Ganz einfach. Gesunde Mitarbeiterinnen sind belastbarer, machen weniger Fehler, sind motivierter und können Patientinnen bei Fragen zur Prävention und zu IGeL überzeugend informieren und beraten. Das ist die Grundvoraussetzung: wer Patientinnen rund um das Thema Gesundheit und Salutogenese berät, sollte selbst fit, belastbar und lebensfroh sein. Nebenbei werden Investitionen in die betriebliche Gesundheitsförderung seit 2009 steuerlich gefördert. Der Schutz und die Förderung der Gesundheit aller Mitarbeiter ist als aktive Prophylaxe zur Erhaltung der Arbeitskraft zu verstehen. Eine salutogenetische Praxisführung nutzt zum Beispiel das kreative Potenzial des Teams in den regelmäßigen internen Arbeitskonferenzen und den Mitarbeiter-Jahresgesprächen. Für einen ersten Schritt in diesen Bereich sollten Sie das Feedback Ihrer Mitarbeiterinnen zu folgenden Fragen einholen:
· Ist unsere Praxis eine Gesundheitspraxis?
· Woran erkennen Sie das, und woran erkennen das unsere Patientinnen?
· Ist die „gesundheitsfördernde Praxisführung“ auch in den Warte- und Aufenthaltszonen erkennbar?
· Wie können wir mehr Vitalität und Gelassenheit in unseren Arbeitsalltag bringen?
· Sehen Sie als Mitarbeiterin mich als Chef oder Chefin eher als Stressor oder als Motivator?
· Gibt es immer wieder stressige Situationen? Gehen wir Ihrer Meinung nach damit „gekonnt“ um?
· Sind gesunde Mini-Pausen in unserem Zeitplan und Organisationsablauf fest eingebaut? Teilen wir es eventuell sogar unseren Patientinnen mit, dass wir gerade eine „gesunde kleine Auszeit“ nehmen?
· Wie ernähren wir uns tagsüber? Ist unser Ess- und Trinkverhalten vorbildhaft?
· Welche Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sind erkennbar und umgesetzt?
· Finden sich zum Thema Hinweise auf unseren Medien (Homepage, Flyer etc.)?
· Bieten wir dazu – gerade in der Pandemie – einen Newsletter („Gesundheitsbrief“) an?
Die Auswertung dieser „Fremdbewertung“ wird aufschlussreich sein und bietet einen Handlungskatalog von Möglichkeiten. Danach gehen Sie an die Selbstbewertung. Sie sollte sich an der erleb- und spürbaren Arbeitsfreude, dem Selbstvertrauen und geglückten Stressbewältigung im gesamten Team zeigen. Ein gutes Betriebsklima ist Basis für Leistung, Qualität und letztlich Umsatz. Dafür benötigen die Mitarbeiterinnen die Unterstützung durch die Praxisleitung, Entscheidungsspielraum, faire Beurteilung und Anerkennung, aber auch Entwicklungschancen und ein wohlwollendes Arbeitsumfeld. Zeigen sich negative Symptome wie zunehmende Gereiztheit im Team, Erschöpfung und eine hohe Fehlerquote, so besteht Analysebedarf. Oft ist die Work-Life-Balance nicht mehr gegeben – bei der Praxisleitung und bei den Mitarbeitern. Arbeits- und Zeitdruck werden oft von der Führungsebene auf die Mitarbeiter weitergegeben. Arbeitsplatzunsicherheit, fachliche Überforderung, permanente Arbeitsverdichtung und ein gestörtes Betriebsklima sind belastende Faktoren, die zudem die Gesundheit der Mitarbeiter nachhaltig gefährden.
Der schlimmste Feind der Schulter ist das lange Sitzen am Schreibtisch mit nach vorne hängenden Schultern. Dadurch verkürzen sich Gelenkkapsel und Muskulatur. Im Laufe des Tages wird – vor allem auch bei überwiegend sitzender Tätigkeit – der Schultergürtel immer mehr belastet. Aufgrund der vielfach monotonen Bewegungsabläufe kommt es zu einseitigen Körperhaltungen im Hals- und Nackenbereich und zunehmend zu Störfeldern. Funktionsstörungen, Schonhaltungen und Schmerzen, die vorwiegend von der Halswirbelsäule ausgehen, strahlen dann häufig in die Schulter-Arm-Region. Nicht erst am Feierabend spürt man dann ziehende Schmerzen in der Nackenregion, ausgehend vom Hinterhaupt bis zu den Schulterblättern. Sorgen und Ärger tun oft noch ein übriges. Aussprüche wie „die Angst sitzt mir im Nacken“ oder „eine große Last auf den Schultern tragen“ sind bekannt. Neben dem funktionellen Zusammenhang (Verkürzung von Muskeln durch Bewegungsmangel oder einseitige Tätigkeit) beeinflusst auch die innere Haltung die äußere. Ein Blick in den Spiegel kann aufschlussreich sein. Wie ist die Körperhaltung?
Die folgenden zwei Übungen lassen sich einfach in den Alltag einbauen (siehe Abb. 1 und 2).
Stemmen Sie ein dickes Buch mit gestreckten Armen nach oben, dabei kein Hohlkreuz machen, sondern den Körper ganz aufrichten, Bauchnabel zur Wirbelsäule ziehen, Schultern weg von den Ohren dehnen und die Schulterblätter mit einer feinen kleinen Bewegung nach unten ziehen.
Nehmen Sie zwei Infusionsflaschen und benutzen Sie sie wie zwei Hanteln (vor der Brust zusammenführen und wieder auseinander).
FAZIT:
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist eine moderne Unternehmensstrategie mit dem Ziel, Krankheiten am Arbeitsplatz vorzubeugen, Gesundheit zu stärken und das Wohlbefinden der MitarbeiterInnen zu verbessern. Das BGM lohnt sich im gleichen Maße sowohl für Ihr Praxisteam als auch für Ihre Privatpraxis. Subjektiv wird die Arbeit als weniger belastend empfunden, wenn das gesündere Verhalten sowohl in der Praxis als auch im privaten Verhalten als „gute Gewohnheit“ trainiert und ritualisiert worden ist. Die Corona-Krise hat gerade bei Arbeitskräften im Gesundheitsbereich den Schutz und die Pflege der eigenen Gesundheit wieder mehr in den Fokus gerückt.
Die Autorin
Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)
Bildnachweis: PAG2_s40-41_praxisorga_AKR (iStockphoto), privat