Die Reproduktionsmedizin ist ein interdisziplinär ausgerichtetes Fachgebiet. Während die rein medizinischen Leistungen (Eientnahme und Reimplantation) mehr stationär-klinische Leistungen sind, fallen in der Praxis oft ambulante Gesprächsleistungen bzw. Erörterungen an.
Die Reproduktionsmedizin beschäftigt sich mit der menschlichen Fortpflanzung sowie den Grundlagen und der Kontrolle der menschlichen Zeugungsfähigkeit sowie deren Störungen. Insofern ist die Reproduktionsmedizin ein interdisziplinär ausgerichtetes Fachgebiet der Medizin, das weitere Fachgebiete wie Andrologie, Genetik, Urologie und Gynäkologie umfasst. Zudem sind die Disziplinen Rechtsmedizin, Medizinrecht und Bioethik von der Reproduktionsmedizin berührt.
Vor dem Gang ins Kinderwunschzentrum
Im Zentrum steht für Paare mit Kinderwunsch die Hilfe bei ungewollter Kinderlosigkeit. So ist meist auch die Sterilität Anlass für die Konsultation eines Reproduktionsmediziners. Vor dem Gang ins Kinderwunschzentrum besteht dabei logischerweise ein enger Kontakt der Patientin bzw. des Paares zur betreuenden Frauenarztpraxis. In vielen Fällen ist es dort möglich, durch wenig belastende Untersuchungen und Behandlungen dem Wunschkind näher zu kommen.
Dabei sind neben der Zyklusanamnese Hormon- und Spermadiagnostik erste Schritte. Neben der gynäkologisch-körperlichen Untersuchung gehören vor allem Beratungen und Erörterungen zu den Grundleistungen in der medizinischen Betreuung von Patientinnen und deren Partnern. Dabei sind auch psychische, psychosomatische und psychosoziale Faktoren zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sind vielfältige Gespräche und Beratungen notwendig, die abrechnungstechnisch in die entsprechenden Gebühren umzusetzen sind.
Bei der Beratung sind auch psychische und psychosoziale Faktoren zu berücksichtigen.
Jedoch bietet die GOÄ nur begrenzt die Möglichkeit, solche Leistungen auch kostendeckend abzubilden. Insofern ist vor allem die Anwendung des Paragrafen 5 GOÄ in Verbindung mit dem Paragrafen 2 GOÄ wichtig. In Paragraf 2 ist die Möglichkeit der „Abweichenden Vereinbarung“ geregelt, wonach zwischen der Ärztin bzw. dem Arzt und der Patientin bzw. dem Patienten eine entsprechende Honorarhöhe gesondert vereinbart werden kann.
Im Zusammenhang mit der Berechnung der unterschiedlichsten Beratungsleistungen der GOÄ ist vor allem auf die verschiedenen Rahmenbedingungen zu deren Abrechnung wie auch auf die komplexen Ausschlussregelungen der Beratungsleistungen in der GOÄ zu achten. Zu den häufigsten Beratungsleistungen gehören die eigentliche Beratung nach GO-Nr. 1 und die eingehende Beratung nach GO-Nr. 3. Eine weitere Beratungsleistung wäre die Gebühr nach GO-Nr. 34. Alle drei Beratungsleistungen zeigen jedoch nicht nur bezüglich ihrer Ausschlusskriterien so einige Abrechnungsfallen, vor allem dann, wenn weitere abrechnungsfähige Leistungen in derselben Sitzung erbracht werden.
Bei allen Beratungsleistungen sind die Ausschlusskriterien zu beachten.
Es gibt noch weitere Abrechnungshindernisse. So ist beispielsweise die Beratung nach GO-Nr. 1 nur einmal im Behandlungsfall neben Leistungen der Abschnitte „C“ bis „O“ der GOÄ berechnungsfähig. Bezüglich der Beratung nach GO-Nr. 3 GOÄ hält sich hartnäckig das Gerücht, dass diese nur einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig sein soll. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Beratung nach GO-Nr. 3 ist im Behandlungsfall so oft berechnungsfähig, wie sie auch erbracht wurde. Einschränkend ist lediglich die Allgemeine Bestimmung zur Nr. 3 zu sehen: „Die mehr als einmalige Berechnung im Behandlungsfall bedarf der besonderen Begründung.“
Diese Bestimmung ist vordergründig als Abrechnungsbremse zu sehen, nicht aber als eine Begrenzung der Abrechnung auf einmal im Behandlungsfall. Für die mehrmalige Berechnung der Beratung nach Nr. 3 im Behandlungsfall ist eine Begründung gefordert. Begründungen sind mühsam und zeitaufwendig. Menschen von Grund auf bequem, und eine Begründung macht eben Arbeit. Aber diese Arbeit lohnt sich! Also: Die Beratung nach Nr. 3 GOÄ ist so oft abrechenbar, sooft diese erbracht wird, ohne Mengenbegrenzung, lediglich mit Begründungszwang.
Als Begründung wäre beispielsweise möglich: „Beratungsintensives Krankheitsbild.“ Diese Begründung ist auch mehrfach im Behandlungsfall zu verwenden. Es muss nicht für jede Begründung ein neuer Text formuliert werden. Darüber hinaus bietet diese Formulierung der Begründung mehrere Vorteile: Die rechnungsschreibende Ärzteschaft macht sich nicht angreifbar. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn als Begründung „Unruhe der Patientin“ oder „Adipositas“ als Text verwendet würde.
Natürlich ist die Berechnung der Nr. 3 durch eine weitere Allgemeine Bestimmung erschwert. Diese besagt, dass die Nr. 3 nur als alleinige Leistung oder im Zusammenhang mit den Nrn. 5, 6, 7, 8, 800 und 801 berechnungsfähig ist. Diese aufwendige Beratungszeit ist also neben allen anderen (Sonder-)Leistungen der GOÄ nicht berechnungsfähig.
Die Beratung nach Nr. 3 GOÄ ist so oft abrechenbar, wie erbracht wird, ohne Mengenbegrenzung.
Nun könnte man versucht sein, als Ausgleich dafür die restlichen Leistungen einer Sitzung mit einem höheren Faktor abzurechnen. Das wiederum verbietet sich jedoch. Der Grund liegt in Paragraf 5. Dort heißt es in Absatz 2: „Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwands der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen.“
Damit bezieht sich die Anwendung eines höheren Faktors ausschließlich auf Schwierigkeit, Umstand und Zeitaufwand einer Leistung. Der Hinweis auf eine Ausschlussregelung ist nicht als Begründung für die Verwendung eines erhöhten Faktors nach Paragraf 5 anzuwenden. Ein Ausweichen auf die Erörterung nach GO-Nr. 34 dürfte auch nur in den seltensten Fällen möglich sein. Hierfür gibt es in der GOÄ mehrere Gründe. Ein wichtiger Grund ist die Beschränkung der Berechnung der GO-Nr. 34 auf das Vorhandensein einer Erkrankung.
Psychische und psychosomatische Leistungen nicht vergessen
Doch ist gerade im Zusammenhang mit der Reproduktionsmedizin auf psychische und psychosomatische Aspekte zu achten. Deren Diagnostik ist mit der Gebühr nach GO-Nr. 801 abzurechnen. Die entsprechende therapeutische Leistung, z. B. in Form eines psychotherapeutischen Gespräches (auch bei psychosomatischen Störungen), ist mit der Gebühr nach GO-Nr. 849 zu berechnen.
Bei der Berechnung der GO-Nr. 849 sind zwei Punkte zu beachten: Erstens ist die Therapiedauer von mindestens 20 Minuten einzuhalten. Eine längere Therapiedauer lässt sich nicht durch eine mehrfache Berechnung der Gebühr nach GO-Nr. 849 abbilden. Das ergibt sich allein schon aus der Formulierung: „mindestens 20 Minuten“. Ein erhöhter (Zeit-)Aufwand ließe sich durch die Anwendung des Paragrafen 5 Abs. 2 GOÄ geltend machen.
Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.
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