Die Evidenz für Crataegus (Weißdorn) bei Herzinsuffizienz wird mittlerweile als unzureichend bewertet. Allium sativum (Knoblauch) scheint dagegen kardioprotektiv zu wirken. Und Ginkgo-Extrakt verbessert die Mikrozirkulation auch im peripheren Bereich. Ob der Effekt jedoch bei der Claudicatio intermittens klinisch relevant ist, steht in Frage.
Funktionelle Herzerkrankungen und leichte Hypertonie sind die Indikationen für herzwirksame Phytopharmaka. Dazu gehört auch Weißdorn, eine Nicht-Digitaloid-Droge, deren Inhaltsstoffe chemisch ganz anders aufgebaut sind als die herzwirksamen Glycoside aus dem roten oder wolligen Fingerhut. Auf die koronarspezifische Wirkung wurde ein Arzt in Chicago Ende des 19. Jahrhunderts aufmerksam, der Herzpatienten mit einem Fluidextrakt aus Weißdorn behandelte. Heute werden Crateagus-Extrakte aus „Blättern mit Blüten – crataegi folium cum flore“ hergestellt, die zumeist aus osteuropäischen Wildsammlungen stammen. Geerntet werden die Zweigspitzen mit den dunkelgrünen, gelappten Blättern und den weißen, rosenähnlichen Blüten, die in aufrechten Dolden angeordnet sind. Wesentlich für die herzspezifische Wirkung sind zwei Inhaltsstoffe: Die Flavonoide, mit einem Anteil von 1,5–2,5 %, sowie oligomere Procyanide, die bis zu 4 % ausmachen. Daneben kommen Triterpensäuren, Polysaccharide, Aminosäuren und Mineralstoffe vor. Die meisten präklinischen und klinischen Studien wurden mit Extrakten, die auf oligomere Procyanide standardisiert waren, sowie mit Extrakten mit definiertem Gehalt an Flavonoiden durchgeführt. Solche Weißdorn-Extrakte wirken positiv ionotrop, wobei die Wirkung im Vergleich zu den Steroidglycosiden energetisch ökonomischer erreicht wird. Prinzipiell wird die Refraktärperiode und das Aktionspotenzial an der Herzmuskelzelle verlängert. Das deutet auf eine antiarrhythmische Wirkung hin, die hauptsächlich durch Beeinflussung der Kaliumkanäle zustande kommt. Zudem zeigt sich Crataegus kardioprotektiv gegen Reperfusionsschäden; hier spielen vermutlich antioxidative und entzündungshemmende Effekte eine Rolle. Wie Untersuchungen an Endothelzellen zeigten, fördert Weißdorn auch die Durchblutung der Herzkranzgefäße.[1]
Aus dem Jahr 1994 datiert eine Monografie, in der bestimmte Weißdorn-Extrakte bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend NYHA-Stadium II eingesetzt werden können. Im Licht der neuen Studienlage wird die Evidenz jedoch völlig anders bewertet. So lauten die Empfehlungen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) von 2016: Crataegus-Extrakte sind traditionelle pflanzliche Arzneimittel, registriert aufgrund langjähriger Erfahrungen, die allein zur Unterstützung der Herz-Kreislauf-Funktion befürwortet werden. Grundlage dieser Beurteilung sind zwölf randomisierte, kontrollierte Studien mit kurzen Zeitrahmen und nur wenigen Patienten. Dabei erfasste lediglich eine Studie überhaupt die Mortalität als Endpunkt; auf die Sterblichkeit konnte jedoch keine signifikante Auswirkung nachgewiesen werden. Anders eine Subgruppenanalyse: Hier war die Mortalität bei den mit Crataegus behandelten Teilnehmern mit leichter Herzinsuffizienz geringer.[2] In allen anderen Studien verbesserte Weißdorn die sekundären Endpunkte signifikant, wie ein systematisches Review zeigte.[3] Dazu gehörte der Sauerstoffverbrauch im Herzmuskel, die Belastungstoleranz und subjektive Empfindungen. So setzte sich im Laufe der Jahre die Auffassung durch, dass eine Testung gegen Placebo ethisch nicht zu vertreten sei. In den jüngeren Studien werden Weißdorn-Extrakte deshalb immer add on zur leitliniengerechten Therapie angewandt.[1] Im Praxisalltag wird Crataegus bei leichter Hypertonie eingesetzt, bei wiederkehrenden hypertonen Phasen und Grenzwerthypertonie, außerdem bei funktionellen Störungen wie nervösem Herzklopfen. Die Tagesdosis beträgt 5 g Droge in fünf bis sechs Portionen über den Tag verteilt oder 160–900 mg Extrakt pro Tag. Die Behandlung sollte mindestens sechs Wochen dauern. Weißdorn eignet sich auch zur Dauertherapie.[2]
Bei segmental auftretenden Schmerzen und kardialen oder pektanginösen Beschwerden sind Herzsalben eine Therapieoption. Denn die Inhaltsstoffe Campher, Rosmarin, Eukalyptusöl sowie Menthol wirken krampflösend und durchblutungsfördernd. Die Salbe wird zwei- bis dreimal täglich dünn auf die Innenseite des linken Armes und auf die linke Thoraxhälfte aufgetragen, und zwar bis zur Schulter. Ein kutiviszeraler Reflex fördert die Durchblutung auch in tieferen Gewebestrukturen und reguliert die Herzfunktion. Nervös bedingte Gefäßspasmen lösen sich und die Schmerzen gehen zurück. Nach sechswöchiger Anwendung empfiehlt sich eine Therapiepause von ein bis zwei Wochen. Das ist nötig, um die für Reiztherapien typische Gewöhnung zu vermeiden. Doch Vorsicht: Campher, Menthol und Rosmarinöl können Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen, sogar auch Atemnot. Kontraindiziert sind die Salben daher bei Asthma bronchiale und Keuchhusten.
Für Galenus von Pergamon war Knoblauch „das große Allheilmittel“. Tatsächlich wird das Lauchgewächs seit dem Altertum zur Kräftigung und gegen Infektionen aller Art verwendet. Heute gilt Knoblauch als optimales krankheitsvorbeugendes Lebensmittel. Seine Wirkung ist in den Knoblauchzehen lokalisiert, aus denen sich die Zwiebel zusammensetzt. So wirkt Allium sativum blutdruckverringernd und gefäßerweiternd, lipidsenkend und plättchenhemmend. Doch welcher Mechanismus verbirgt sich dahinter? Wie eine Übersichtsarbeit darlegt, lässt sich die besondere Herzwirkung an Schwefelwasserstoff (H2S) festmachen.[4] Die kardioprotektive, zellschützende Verbindung entsteht beim Schneiden von Knoblauch. Dabei wird das geruchlose Alliin zu Allicin gespalten. Dieser scharf riechende, aktive Metabolit wird zu Schwefelverbindungen (Diallylsulfiden) abgebaut, die freien Schwefelwasserstoff abgeben können. Das funktioniert durch die Wechselwirkung mit Thiolgruppen oder schwefelhaltigen Zellkomponenten wie Glutathion. Knoblauch erhöht also die Bioverfügbarkeit von H2S im Blutkreislauf und in den Geweben, und zwar schrittweise über einen gewissen Zeitraum. Wie präklinische Studien zeigten, wirkt sich das auf die Gefäßreaktivität aus.[5,6] In Modellen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhinderte die Gabe von H2S Schäden und Dysfunktionen des Herzmuskels. Dieser Schutzeffekt erklärt sich möglicherweise durch die gegenseitige Beeinflussung von Schwefelwasserstoff und Stickstoffmonoxid (NO), dem Botenstoff der Endothelzellen. H2S selbst verstärkt die Aktivität der endothelialen NO-Synthase (eNOS) und erhöht damit signifikant die Verfügbarkeit des Signalmoleküls. Dieses wirkt kardioprotektiv und gefäßentspannend. In der Folge kommt es zu einer Absenkung der Nachlast und des Blutdrucks (s. Abb.).[4] Wie wird Knoblauch dosiert? Empfohlen werden täglich 4 g frische Zwiebel bzw. 8 g Knoblauchöl oder 150–1.200 mg Knoblauchpulver. Vom Extrakt (aged garlic) werden 0,25–7,2 g/Tag aufgenommen.
Dass Ginkgo-Extrakte nicht nur die Mikrozirkulation in Innenohr und Gehirn erhöhen, sondern auch im peripheren Bereich, wird aus einer Positiv-Monografie deutlich.[7] Laut dieser kann der Extrakt zur Verbesserung der schmerzfreien Gehstrecke bei der peripheren arteriellen Verschlusserkrankung eingesetzt werden, und zwar in Stadium II, der Claudicatio intermittens. Ginkgo wird vor allem im Rahmen physikalisch-therapeutischer Maßnahmen während des Gehtrainings empfohlen, in einer Dosierung von 120–160 mg Trockenextrakt, der auf zwei bis drei Einzeldosen verteilt ist. Die Behandlungsdauer sollte mindestens sechs Wochen betragen. Ausgangsmaterial für den standardisierten Extrakt sind die gepressten Blätter von Gingko biloba, der einzig noch lebenden Art des fossilen Baumes. In dessen fächerförmigen Blättern entdeckte man in den 1960er-Jahren hochwirksame Substanzen, die Flavonglycoside. Ginkgo-Trockenextrakte enthalten 22–27 % solcher Flavonglycoside, dazu 5–7 % Ginkgolide und Bilobalide. Die giftigen Ginkgolsäuren machen unter 5 ppm aus. Das Wirkstoffgemisch verbessert die Mikrozirkulation und die Fließeigenschaften des Blutes. Das geschieht einmal durch Steigerung der Flexibilität der Erythrozyten, andererseits durch Hemmung der Erythrozytenadhäsion und der Thrombozytenaggregation.[7] Ginkgo-Extrakte beeinflussen außerdem auch Spasmen in den Arteriolen, dazu wirken sie antagonistisch auf den plättchenaktivierenden Faktor. Eine systematische Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration aus dem Jahr 2013 ergab jedoch keine Evidenz für einen klinisch signifikanten Nutzen von Ginkgo bei Patienten mit peripheren arteriellen Erkrankungen.[8] Für das Review wurden elf klinische Studien mit 477 Patienten herangezogen.[8]
Fazit
Phytotherapeutika sind bei leichten Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Option. Dennoch gilt die Evidenz von Weißdorn bei Herzinsuffizienz nicht länger als belegt. So wird Crataegus allein zur Unterstützung der Herz-Kreislauf-Funktion empfohlen. Die kardioprotektive Wirkung von Allium sativum beruht vermutlich auf einer Enzymaktivierung und nachfolgender gesteigerter Bioverfügbarkeit von Stickstoffmonoxid im Gewebe. Ginkgo-Extrakte unterstützen die Mikrozirkulation auch peripher und können das Gehtraining bei der peripheren arteriellen Verschlusserkrankung unterstützen. Die Evidenz ist jedoch nicht gesichert.
Die Autorin
Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart
dres.reinecke@t-online.de
www.hello-biology.com
Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie
1 Koch E et al., Naunyn Schmiedeberg‘s Arch Pharmacol 2000; 361 (suppl): R48
2 Holubarsch CJ et al., Eur J Heart Fail 2008; 10: 1255–1263
3 Guo R et al., Cochrane Database of Systematic Reviews 2008; 1: CD005312
4 Bradley JM et al., J Nutr 2016; 146(29): 403S–409S
5 King et al., Proc Natl Acad Sci USA 2014; 111: 3182–3187
6 Predmore BL et al., Am J Physiol Heart Circ Physiol 2012; 302: H2410–2418
7 https://buecher.heilpflanzen-welt.de/BGA-Kommission-E-Monographie/trockenextrakt-aus-ginkgo-biolba-blaettern.htm
8 Nicolai SP et al., Cochrane Database Syst Rev 2013; 6(6): CD006888, doi: 10.1002/14651858.CD006888.pub3
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