Quereinsteiger sind mehr als eine Notlösung: Je nach Vorbildung können sie beispielsweise am Empfang oder bei Backoffice-Tätigkeiten bereichernd für das Team sein. Allerdings braucht es auch hier etwas Geschick, die richtige Person auszuwählen – und sie langfristig an die Praxis zu binden.
Eine Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bremen aus dem Jahr 2022 ergab, dass fast 80 % der Ärzte Schwierigkeiten hatten, offene Stellen für Medizinische Fachangestellte (MFA) zu besetzen. Von den Befragten gaben fast 83 % an, in den vergangenen 12 Monaten nach MFA gesucht zu haben. Eine Lösung war das Einstellen von Quereinsteigern, was 63 % der Befragten praktizierten [1]. Das muss aber keine Notlösung sein: Quereinsteiger können das Praxisteam bereichern. Es gibt viele Aufgaben, die nicht zwingend medizinische Fachkenntnisse erfordern, z. B. der Empfang der Patienten, die Sprechstundenorganisation und Terminvergabe sowie Bestellungen und Materialverwaltung. Auch für Backoffice-Tätigkeiten wie dem Beantworten von E-Mails oder Schreiben von Arztbriefen sowie beim Qualitätsmanagement und bei der Abrechnung braucht es vor allem Organisationsgeschick.
Wenn mögliche Aufgabenfelder für Quereinsteiger definiert sind, sollte geprüft werden, welche Berufsgruppen die entsprechenden Qualifikationen besitzen. Für eine Position am Empfang könnte jemand aus dem Hotel- und Gastgewerbe oder dem Servicebereich geeignet sein. Mitarbeiter in diesen Branchen sind es gewohnt, freundlich und zuvorkommend mit Gästen umzugehen – selbst wenn diese schwierig sind. Für Tätigkeiten im Office und am Telefon eignen sich Mitarbeiter mit Berufserfahrung im Büro, Callcenter oder Kundendienst.
Neben den beruflichen Qualifikationen sind die Beweggründe entscheidend: Warum möchte jemand den Quereinstieg wagen? Und wo sieht sich derjenige in den nächsten Jahren? Engagement, Interesse und Flexibilität sind entscheidende Qualitäten – die oft wertvoller sind als eine bestimmte Ausbildung. Außerdem sollte das neue Teammitglied offen, kontaktfreudig, kommunikativ und empathisch sein.
Quereinsteiger finden
Bei der Suche nach passenden Quereinsteigern hat sich eine breite Streuung des Stellengesuchs bewährt. Eine Information auf der Homepage ist beinahe Pflicht, zudem kann – dezent – in den Praxisräumen darauf hingewiesen werden. Entscheidend für den Erfolg ist, dass bereits am Titel der Anzeige erkennbar ist, dass Quereinsteiger willkommen sind, z. B. „Medizinische/r Fachangestellte/r oder Quereinsteiger/in für den Empfang einer fachübergreifenden Privatarztpraxis gesucht“. Außerdem sollten Beispiele für mögliche Branchen im Text genannt werden, aus denen Bewerber infrage kommen. Die Stellenausschreibung kann in Medizin-Jobportalen geschaltet werden, sollte aber auch in nicht medizinspezifischen Portalen veröffentlicht werden. Zusätzlich bieten sich klassische Medien wie Zeitungen an und Kommunikationsnetzwerke auf Social Media.
Weiterbildungen anbieten
Wenn Quereinsteiger gewonnen werden konnten, steht die Einarbeitungsphase an. Da sich branchenfremde Personen an die praxisspezifischen Abläufe gewöhnen müssen, ist eine gründliche Einarbeitung wichtig. Eine schlecht umgesetzte Einarbeitung ist schon fast ein Garant für vorzeitige Kündigungen. Die Einarbeitung sollte immer das Fachliche beinhalten: die klare Aufgabenstellung, eine eindeutige Rollenverteilung und einen fest umrissenen Verantwortungsbereich. Außerdem sollte sie das Soziale umfassen, wie die Integration in das Praxisteam, und die kulturellen Aspekte, also z. B. die Identifikation mit der Praxis und ihren Unternehmenszielen.
In der Anfangszeit kann ein „Onboarding-Buddy“ als feste Bezugsperson fungieren und fachliche Fragen beantworten oder informelle Sachverhalte erklären. Fort- und Weiterbildungen können ein entscheidender Anreiz sein, dauerhaft in der Praxis zu bleiben. Es gibt spezielle Fortbildungen, in denen u. a. medizinische Terminologie, Abrechnungsgrundlagen und Hygienestandards vermittelt werden.
Darüber hinaus ist eine Umschulung möglich, die je nach Vorkenntnissen bis zu 2 Jahren dauern kann. Wenn sie in Teilzeit absolviert wird, verlängert sie sich entsprechend. Die Kosten übernimmt u. U. die Agentur für Arbeit, z. B. über einen Bildungsgutschein, oder die Deutsche Rentenversicherung.
Katrin Egenberger
Geschäftsführerin der PKV Institut GmbH, einem Weiterbildungsanbieter für Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte
Entlastung von Anfang an
Als Anbieter digitaler Weiterbildung speziell für Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte erleben wir derzeit einen Run im Bereich Quereinstieg und Wiedereinstieg. Die Anmeldezahlen zu unserem 6-monatigen Fernlehrgang sind deutlich gestiegen. Sowohl wechselwillige Fachkräfte als auch Praxisleitungen suchen unsere Beratung. Die Praxen kämpfen um Bewerbungen und öffnen sich zunehmend für Berufsfremde im Team. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an unserem Fernlehrgang geben als Beweggrund am häufigsten Flexibilität und die Erhöhung der eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt an. Ein Großteil ist älter als 45 Jahre. Sie kommen oftmals aus dem Pflege- und Klinikbereich, aber auch aus Gastronomie und Hotellerie, aus dem Büromanagement oder anderen Branchen.
Wer als MFA quereinsteigen möchte, kann in der Regel nicht ohne Weiteres eine dreijährige Berufsausbildung antreten. Unser Fernlehrgang „Wiedereinstieg/Quereinstieg“ bietet eine fundierte und praxisnahe Qualifizierung. Nach Abschluss sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem neuesten Stand, etwa beim Thema Abrechnung, und insgesamt so gut auf die Arbeit in einer Arztpraxis vorbereitet, dass sie sich in aller Regel schnell in den individuellen Praxisablauf einfinden.
Mit der Digitalisierung, wachsenden bürokratischen Anforderungen und ständigen gesetzlichen Neuerungen haben MFA zunehmend Verwaltungsaufgaben nebenbei zu stemmen. Vor allem hier kann entsprechend qualifizierte Verstärkung die MFA im Praxisteam von Anfang an entlasten.
1 www.kvhb.de/fileadmin/kvhb/pdf/Umfragen/MFA-Umfrage-Ergebnis-2022.pdf
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