Patienten mit peripherer arterielle Verschlusskrankheit haben ein vier- bis sechsfach erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Demzufolge wäre eine frühe Diagnose wichtig und ein Screening auf diese Erkrankung sollte deutlich über den Personenkreis derer mit Claudicatio intermittens hinausgehen.
Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) haben nur selten eine Claudicatio intermittens (10 %), viel häufiger liege eine von Neuropathie, Dyspnoe oder Arthrose „maskierte pAVK“ vor, bei der die Patienten viel zu spät zum Arzt kommen, betonte die Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie Dr. med. Katja Mühlberg vom Universitätsklinikum Leipzig. Auch ohne Claudicatio intermittens kann nämlich rasch eine kritische Ischämie (Stadium III und IV, nach Fontaine-Klassifikation) auftreten, wobei eine Revaskularisation essenziell wäre. Die Versorgungswirklichkeit sieht jedoch anders aus: 44 % der Amputationskandidaten erhalten weder eine Angiografie noch einen Revaskularisationsversuch vor der Amputation. Dies bedeutet, dass nicht nur Personen mit Claudicatio intermittens auf pAVK gescreent werden sollten, sondern alle Patienten mit nicht heilenden Wunden, asymptomatische Menschen > 65 Jahre und asymptomatische Patienten < 65 Jahren, wenn eine positive Familienanamnese vorliegt, sowie Patienten mit anderen Atherosklerosemanifestationen (koronare Herzkrankheit, Carotis u. Ä.), z. B. entsprechend der „Guideline on peripheral arterial disease“ der European Society of Vascular Medicine.
Nicht leitlinienkonform!
Insgesamt, kritisierte Mühlberg, sei die Versorgung dieses Patientenklientels desolat. So würde nur eine Minderheit der Patienten bei Angiologen oder Gefäßchirurgen auftauchen (18 %), während die Mehrheit in Deutschland nur suboptimal und nicht leitlinienkonform behandelt wird (Thrombozytenaggregationshemmer resp. Statine). Und es sei sogar noch schlimmer, so Mühlberg: Rund ein Drittel der Patienten löst ihre Rezepte überhaupt nicht ein! All dies hat schwerste Konsequenzen. Die Amputationsraten in Deutschland seien unverändert drastisch hoch, meinte Mühlberg (größere Amputationen: 22/100 000 Einwohner). Kurzum: Das MALE(major adverse limb events)- als auch das MACE(major adverse cardiac events)-Risiko ist bei pAVK von allen kardiovaskulären Erkrankungen am höchsten. Dabei gibt es gute Therapiestudien, z. B. die COMPASS- oder anschließend die VOYAGER-PAD-Studie, die zeigen, dass pAVK-Patienten signifikant von einer dualen Gerinnungshemmung (ASS, Rivaroxaban) im Vergleich zu einer ASS-Monotherapie profitieren (auch hinsichtlich signifikanter Senkung des MACE- und MALE-Risikos).
Neben der zur Amputationsprävention essenziellen angiologischen Therapie mit Revaskularisation, der obligaten Basismedikation mit Statin und Thrombozytenaggregationshemmer und einer intensivierten Gerinnungsstrategie ist und bleibt das oft vernachlässigte Gehtraining eine der wichtigsten Therapiesäulen der pAVK, betonte Mühlberg (und zwar nach neuesten Studien entsprechend dem „Gehen bis in den Schmerz hinein“).
Der Autor
Rainer H. Bubenzer
Vortrag „Cardio-Update“, Hot Topic Angiologie, März 2022