Wenn es um Osteoporose und deren Prävention und Therapie geht, müssen wir nicht auf künftige therapeutische Durchbrüche warten. Wir müssen nur das konsequent umsetzen, was wir schon seit vielen Jahren wissen.
Spezialisten für das Skelettsystem sind ja eigentlich die Orthopäden – doch beim Thema Osteoporose haben sie ein Problem: Niemand geht aus Präventionsgründen dorthin. Dort landet man oder frau erst, wenn die ersten Knochen gebrochen sind und dann ist es für die Prävention zu spät. Wir Gynäkologen sehen die Frauen dagegen genau in der Phase, in der eine Intervention aus Präventionsgründen medizinisch sinnvoll ist – etwa in der Menopause-Sprechstunde. Wenn eine Patientin dort mit den üblichen Symptomen vorstellig wird, sollten wir das Thema Osteoporose immer aktiv ansprechen. Eine DXA-Messung – Goldstandard bei der Bestimmung der Knochendichte – ist dabei fast immer sinnvoll. Gemessen wird der Knochenmineralgehalt (Bone Mineral Density, BMD) an der Lendenwirbelsäule und am Schenkelhals, also an genau jenen Stellen, an denen sich eine Osteoporose auch klinisch auswirkt. Aus den Werten wird dann jeweils ein T-Score und ein Z-Score errechnet. Der T-Score vergleicht die gemessene Knochendichte mit den Werten eines knochengesunden jungen Erwachsenen, also mit der durchschnittlichen maximalen Knochendichte, die etwa mit Ende 20 erreicht ist. Der Z-Score vergleicht die Werte mit den Durchschnittswerten der jeweiligen Altersgruppe. Die Ergebnisse der DXA-Messung fließen auch in die Planung einer Hormonersatztherapie (HRT) ein. Selbst Patientinnen, die mit ihren Hitzewallungen gut zurechtkommen, sehen in einer deutlich reduzierten Knochendichte ein Warnsignal und tendieren dann eher zu einer HRT. Für die Diagnosestellung entscheidend ist der T-Score. Liegen die BMD-Werte niedriger als -2,5, so liegt eine Osteoporose vor. Werte zwischen -1 und -2,5 sind charakteristisch für eine Osteopenie. Für keine Organerkrankung ist das präventive Potenzial einer HRT so eindeutig belegt wie für die Osteoporose.
Natürlich gehört eine fortgeschrittene Osteoporose mit Brüchen in die Hand des Orthopäden. Aber wir kennen genau die Risikofaktoren und können präventiv bei ersten Anzeichen einer Osteopenie sinnvoll unterstützen. Calcium wird über die Nahrung ausreichend zugeführt, aber rund zwei Drittel der Bevölkerung haben einen Vitamin-D-Mangel – zumindest im Winter. Die minimale Tagesdosis bei einer Supplementierung liegt bei 1.000 IE. Für die Einnahme bewährt haben sich auch Depotpräparate, die 20.000 IE enthalten und nur einmal wöchentlich genommen werden müssen. Zur Unterstützung bei beginnender Osteoporose hilft Kraftsport. Speziell für die osteoporosegefährdete Wirbelsäule ist dabei die paravertebrale Muskulatur von besonderer Bedeutung, die parallel zur Wirbelsäule verläuft und diese stabilisiert. Sie lässt sich durch ein gezieltes Rückentraining wirksam stimulieren. Besonders effektiv ist das aus der Weltraumforschung stammende Vibrationstraining, bei dem man sich auf eine Platte stellt, die hochfrequente Schwingungen ausführt. Auf diese Schwingungen antwortet der Körper mit unwillkürlichen Muskelkontraktionen. Dies wiederum überträgt sich auf den Knochen und steigert dessen Dichte.
Die mit Abstand gebräuchlichste Medikation zur Osteoporosebehandlung sind Bisphosphonate. Deren wesentliche Funktion besteht darin, die Aktivität der Osteoklasten und somit den Knochenabbau zu stoppen. Viele große Studien haben gezeigt, dass dadurch das Risiko für Knochenbrüche deutlich sinkt. Die Nebenwirkungen sind zumeist relativ gering. Eine steht jedoch besonders im Vordergrund: Gelangen die Bisphosphonate nach dem Schlucken der Tablette zurück in die Speiseröhre, so können sie dort Entzündungen auslösen. Nach der morgendlichen Einnahme sollten sich Patientinnen daher nicht wieder hinlegen, da dies einen Reflux begünstigt. Eine gute Alternative ist die intravenöse Gabe von Bisphosphonaten in Form von Spritzen alle drei Monate. Raloxifen, ein selective estrogen receptor modulator (SERM), wirkt am Knochen wie ein Estrogen. Trotz seiner guten Wirkung auf die Knochendichte und dem erfreulichen Zusatznutzen der Brustkrebsvorbeugung (antiestrogene Aktivität an der Brust) wird Raloxifen sehr viel seltener eingesetzt als die Bisphosphonate. Das mag mit den Berührungsängsten der Orthopäden mit hormonaktiven Substanzen zu tun haben, in der gynäkologischen Praxis sollten solche Bedenken keinen Platz haben.
Der RANK-Ligand-Antagonist Denosumab hemmt den nukleären Faktor Kappa-B und verhindert damit auch den vermehrten Knochenabbau. Einmal pro Halbjahr wird es unter die Haut gespritzt. Last but not least ist Teriparatid ein Fragment des Parathormons, das eine wichtige Rolle bei der Regulation des Calciumstoffwechsels spielt. Osteoblasten und Osteozyten werden durch Teriparatid gezielt angeregt. Allerdings muss es täglich unter die Haut gespritzt werden und kommt oft dann zur Anwendung, wenn andere Osteoporosepräparate nicht mehr wirksam sind. Seit August 2019 ist auch ein Biosimilar in Deutschland verfügbar. kgb
Das Interview
Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk
ist Gynäkologe in Nürnberg und
Präsident der Deutschen Gesellschaft
für Anti-Aging Medizin (GSAAM).
Prof. Kleine-Gunk, wann führen Sie eine DXA-Messung durch?
Die Kombination nicht-invasiv und hoch aussagefähig spricht allgemein für die DXA-Messung. Bei familiärer Häufung von Osteoporose oder vorzeitiger Menopause ist die DXA-Messung obligatorisch. Da der Aufwand und die Strahlenbelastung aber recht übersichtlich sind, bietet sie sich auch quasi als Routine-Untersuchung an.
Und wann empfehlen Sie Vitamin-D-Supplementierung?
Ich lasse in der Menopause-Sprechstunde regelmäßig Vitamin D bestimmen. Bei Werten unter 30 pg/ml sollte Vitamin D zugeführt werden; die idealen Serumspiegel liegen zwischen 50 und 70 pg/ml.
Fazit für die Praxis
Osteoporose ist eine schwerwiegende Erkrankung, die einfach zu vermeiden ist. Nur muss sich irgendwer darum kümmern. Da das Thema beim Hausarzt durch das Raster fällt und Orthopäden praktisch nie aus Präventionsgründen konsultiert werden, haben wir als Frauenärzte hier die Gelegenheit, uns als Präventionsmediziner zu profilieren – mit oder ohne Hormonersatztherapie.
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