Wie therapiert man die primäre chronische Obstipation? Ein aktuelles Review bietet eine Orientierung, welche Substanzen gut wirken, z.B. osmotische Laxanzien, und verträglich sind und welche nicht angewendet werden sollten.
Eine chronische Obstipation liegt vor, wenn der Stuhl seit drei Monaten unbefriedigend entleert wird und mindestens zwei Symptome vorliegen: starkes Pressen, klumpiger oder harter Stuhl, subjektiv unvollständige Entleerung, subjektive Obstruktion oder manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation bzw. weniger als drei Stühle pro Woche. Die Prävalenz der Obstipation liegt in Europa bei ca. 15%, bei Frauen und älteren Menschen ist sie deutlich höher. Diskutiert wird, ob faserarme Kost, geringe Flüssigkeitsaufnahme, Bewegungsmangel oder ein unterdrückter Defäkationsreiz eine Rolle spielen. Auch abrupte Änderungen der Lebensumstände, intestinale Passagestörungen und Medikamentennebenwirkungen von Opiaten, trizyklischen Antidepressiva, Anticholinergika, Antihypertensiva oder Spasmolytika können obstipierend wirken, ebenso neurologische, endokrine und systemische Erkrankungen.
Therapiert wird nach Stufenplan. Bei einer milden Obstipation empfehlen sich lösliche Ballaststoffe aus Hafer, Bohnen und Obst (Pflaumen), die graduell erhöht zugeführt werden und die die Mucosa zur Abgabe von Wasser und Mucus stimulieren. Bei fehlender Wirksamkeit oder unangenehmen Begleitsymptomen (Blähungen und abdominelle Krämpfe, wie sie beispielsweise bei Kleie oder Flohsamenschalen auftreten können) kommen Medikamente zum Einsatz. In jedem Fall sollten täglich 1,5‒2 Liter getrunken und körperliche Inaktivität vermieden werden.
Osmotische Laxanzien wie Lactulose, Lactitol, Sorbit, Lactose oder Macrogol bauen einen osmotischen Gradienten im Darm auf, der die Wassersekretion in das Lumen erhöht. Die gut verträglichen Wirkstoffe können auch in der Schwangerschaft angewandt werden. Bei ausbleibender Wirksamkeit empfiehlt sich Bisacodyl oder Natriumpicosulfat, die neben der Flüssigkeitssekretion auch die Peristaltik stimulieren. Der Einnahmezeitraum ist nicht begrenzt und die Wirkstoffe sind in der Schwangerschaft geeignet. Als rektale Entleerungshilfen sollten bevorzugt Bisacodyl- oder CO2-freisetzende Zäpfchen verwendet werden. Auch diese sind in der Schwangerschaft geeignet. Ist die Monotherapie nicht wirksam, können verschiedene Wirkprinzipien kombiniert werden, beispielsweise Bisacodyl und Macrogol. Wenn Laxanzien nicht wirken oder schlecht vertragen werden, sollte auf eine andere Stoffklasse gewechselt werden. Zum Beispiel auf Prucaloprid, den 5-Hydroxytryptophan-(HT4)-Agonisten mit prokinetischer Wirkung auf den Gastrointestinaltrakt. Häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Diarrhoe und Abdominalschmerz. Einen Ionengradienten bildet der Guanylatcyclase-C-Agonist Linaclotid und fördert damit die Flüssigkeitssekretion, gleichzeitig hemmt er die Nozizeption im Colon. Der Wirkstoff hat im Vergleich zu Placebo eine erhöhte Durchfallrate von 20%. Bei einer opiatinduzierten Obstipation blockiert eine subkutane Injektion mit Methylnaltrexon die Opiatwirkung am Darm, ohne die zentrale schmerzlindernde Wirkung zu beeinflussen. Nicht eingesetzt werden sollten salinische Laxanzien wie Magnesiumhydroxid, Paraffinöl sowie Klysmen in der Daueranwendung. Ebenso wenig Anthrachinone, die in Sennesblättern, Faulbaumrinde und der Rinde des amerikanischen Faulbaums enthalten sind. Denn die Anthraglykoside hemmen die Wasserresorption im Dickdarm und bewirken Dehydrierung und Elektrolytstörungen.
Sharma A et al., Alimentary pharmacology and therapeutics 2021; 55(12): 1250‒1267, https://doi.org/10.1111/apt.16369