Adipositas oder auch starkes Übergewicht entwickelt sich bei Betroffenen häufig schon im Kindes- und Jugendalter. Vor 2020 war in Deutschland jedes siebte Kind adipös – eine Tendenz, die durch die Auswirkungen der Coronapandemie weiter zugenommen hat.
Während der Coronapandemie haben 39 % der Deutschen im Durchschnitt 5,6 kg zugenommen, bei Menschen mit Adipositas waren es sogar 7,2 kg. Bundesweit sind 800 000 Kinder und Jugendliche an Adipositas erkrankt, davon ca. 100 000 Jugendliche mit extremer Adipositas. Ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen mit extremer Adipositas hat bereits eine gestörte Glucosetoleranz, wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft betont.
Bei der Entstehung von Adipositas spielen Bewegungsarmut und ein stets verfügbares Überangebot an kalorienreicher Nahrung eine große Rolle. Heute ist allerdings auch bekannt, dass die Betroffenen häufig eine genetische Veranlagung für Adipositas aufweisen. Bei etwa jedem fünften Kind mit starkem Übergewicht liege eine Gen-Variante im Erbgut vor, die für eine Fehlfunktion der Hunger- oder Sättigungsregulation im Gehirn verantwortlich sei. Diese jungen Betroffenen entwickeln schon im Vorschulalter Adipositas. Bei ihnen zeigen verhaltenstherapeutische Ansätze ohne weitere Behandlung ein nicht befriedigendes Ergebnis bezüglich der Gewichtskontrolle.
Seit Kurzem ist für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren auch das Medikament Liraglutid, das bereits bei Erwachsenen zur Dauertherapie des Typ-2-Diabetes und Adipositas eingesetzt wird, zur Behandlung zugelassen. Liraglutid gehört zur Medikamentenklasse der GLP-1-Rezeptoragonisten. Das Medikament ahmt die sättigende Wirkung des Darmhormons GLP-1 nach und wirkt gut in Kombination mit einer Lebensstilanpassung, also mehr Bewegung und einer Ernährungsumstellung. Das noch neue Wissen über die genetischen Ursachen der Adipositas und auch die Wirkung neuer Medikamente trägt demnach dazu bei, Betroffene und ihre Familien psychisch zu entlasten. Dazu soll auch das neue Disease-Management-Programm Adipositas beitragen, das derzeit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erarbeitet wird. Es gebe bereits Überlegungen, nach dessen Zulassung auch ein eigenes strukturiertes Behandlungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Adipositas zu konzipieren. Dadurch wird Adipositas als Krankheit anerkannt sowie Kindern und Jugendlichen eine Behandlung nach evidenzbasierten Leitlinien ermöglicht. Außerdem setzen sich die Expertinnen und Experten der Fachgesellschaft dafür ein, dass medikamentöse Adipositastherapien künftig nach Indikationsprüfung von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstattet werden.
Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Mai 2022