Die genaue Pathogenese von Long- und Post-COVID ist noch nicht geklärt. Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) nimmt Stellung zu zwei Ideen für mögliche Therapien.
Viele Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren, beklagen massive Spätfolgen. Von Lungenfunktionseinschränkungen über Kopfschmerzen, auch kognitiven Einschränkungen und neurologischen Ausfällen, bis hin zu Abgeschlagenheit, Antriebslosigkeit und dauerhafte Erschöpfung (sogenanntes Fatigue-Syndrom). Erklärungsversuche umfassen endotheliale mikrozirkulatorische Dysfunktionen, anhaltende Inflammationen oder auch Autoantikörper-vermittelte Autoimmunreaktionen.
Falls sich bewahrheiten sollte, dass Long-COVID durch eine Autoantikörper-vermittelte Autoimmunreaktion ausgelöst wird, könne die Immunadsorption ein wirksames Therapieverfahren darstellen, da sie pathogene Bestandteile des Immunsystems (sogenannte Autoantikörper) aus dem Blut entfernen kann. Wie bekannt, wird die Immunadsorption bei autoimmunvermittelten Erkrankungen eingesetzt und als Blutreinigungsverfahren von Nephrologen durchgeführt. Eine im Juni 2021 publizierte Pilotstudie an drei Patienten zeigte, dass das Verfahren die Zahl der Autoantikörper reduzierte und die Symptome besserte [1]. Insgesamt gäbe es aber keine randomisierten prospektiven Daten oder großangelegte Beobachtungsstudien, die den flächendeckenden Einsatz dieses – relativ kostspieligen – Verfahrens rechtfertigen würden. Aufgrund der zunehmenden Evidenz des Auftretens von Autoimmunphänomenen nach einer COVID-19-Infektion seien hier Studien zum Einsatz der Immunadsorption geplant. Aktuell müsse man jedoch klarstellen, dass es zwar eine Rationale für eine mögliche Wirksamkeit der Immunadsorption bei Post-/Long-COVID, aber keine Evidenz gäbe, heißt es in der Stellungnahme.
Keine Rationale, keine Evidenz für Lipidapherese
Anders sähe das bei der Lipidapherese aus. Dabei handelt es sich um eine Gruppe extrakorporaler Blutreinigungsverfahren, die Lipoproteine, insbesondere das LDL-Cholesterin oder Lp(a), eliminieren können. Das Verfahren reinigt also keine Autoantikörper, sondern Blutfette, betonen die Nephrologen. Diese stehen nach gegenwärtigem Stand der Forschung nicht in Verdacht, eine mögliche Ursache für Post-/Long-COVID-Symptome zu sein. Zwar können Lipide den Lebenszyklus von Viren beeinflussen und lipidsenkende Therapien bei einer akuten COVID-19-Erkrankung womöglich zuträglich sein [2,3], lipidsenkende Maßnahmen dürften aber nach überstandener Erkrankung, wenn die Viruslast gefallen ist, kaum noch einen Effekt haben. Somit lautet das Fazit der DGfN: Es gibt weder eine plausible Rationale für eine mögliche Wirksamkeit einer Lipidapherese bei Post-/Long-COVID noch eine Evidenz.
[1] Bornstein SR et al., Mol Psychiatry (2021); https://doi.org/10.1038/s41380-021-01148-4
[2] Abu-Farha M et al., Int J Mol Sci 2020 May 17; 21(10): 3544, DOI 10.3390/ijms21103544, PMID 32429572, PMCID PMC7278986
[3] Daniels LB et al., Am J Cardiol 2020 Sep 15; S0002-9149 (20): 30947-4, DOI 10.1016/j.amjcard.2020.09.012, Online ahead of print