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Ophthalmologie

Die schärfsten visuelle Eindrücke bleiben schlecht im Gedächtnis

8.7.2022

Das menschliche Sehvermögen ist im Bereich der Sehgrube (Fovea centralis) am schärfsten. Paradoxerweise kann dieser Teil des Gesichtsfeldes extrem schlecht aus dem Kurzzeitgedächtnis abgerufen werden, wie jetzt eine Studie zeigt.

Diese neuen Erkenntnisse des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung und dem Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Universität Tübingen sind sowohl für das medizinische Verständnis von Erkrankungen als auch für die technologische Anwendung interessant. „Wir Menschen verlassen uns in hohem Maße auf das foveale Sehen“, erklärt Erstautor Konstantin Willeke (Tübingen). „Das ist der Bereich, auf den wir unseren Blick richten. Hier sehen wir Objekte am schärfsten. Menschen und Gegenstände, die außerhalb unserer Blickrichtung liegen, nehmen wir mit zunehmendem Abstand verschwommener wahr“. Allerdings scheinen nicht alle Sehinformationen aus der zentralen Blickrichtung anschließend gut im Gedächtnis zu bleiben, wie sich zeigte, als die Tübinger Hirnforschenden untersuchten, mit welcher Genauigkeit foveale Bilder im Kurzzeitgedächtnis repräsentiert werden. Dazu präsentierten sie gesunden Versuchspersonen einen kleinen Lichtreiz auf einem Bildschirm. Dieser konnte an ganz unterschiedlichen Stellen erscheinen. Nachdem er verschwunden war, sollten die Personen aus dem Gedächtnis die Position angeben.

Das Ergebnis: Die größten Abweichungsfehler machten die Versuchspersonen bei den Lichtreizen, die im Bereich des fovealen Sehens präsentiert wurden. „Das lässt vermuten, dass die Repräsentation im Kurzzeitgedächtnis stark verzerrt ist,“ so Studienleiter Professor Dr. Ziad Hafed (Tübingen). „Die Verzerrungen spiegeln wahrscheinlich den Aufbau unseres Sehsystems wider“. Um eine hohe visuelle Auflösung zu erreichen, würden Sehreize aus der Sehgrube von einer verhältnismäßig großen Anzahl an Nervenzellen im Gehirn verarbeitet. Ihre mentale Repräsentation sei daher vergrößert.

Reize aus den Randbereichen des Gesichtsfeldes würden hingegen von weniger Nervenzellen verarbeitet, ihre mentale Repräsentation sei folglich kleiner. „Orientiert sich die Versuchsperson bei der Gedächtnisaufgabe im mentalen Raum und überträgt die Entfernungen dann auf die Außenwelt, kommt es zu den relativen Abweichungsfehlern“, so Hafed, „diese sind für foveale Sehreize logischerweise größer als für Sehreize aus der Peripherie“.

Die neuen Erkenntnisse sind hilfreich, um neurologische Erkrankungen besser zu verstehen, bei denen etwa die Körperwahrnehmung gestört ist. Sie sind ebenfalls für den IT-Bereich interessant und könnten beispielsweise helfen, virtuelle Realitäten zu optimieren. So könnten etwa präsentierte Bilder mithilfe eines Eyetrackers - eines Geräts, das Blickbewegungen aufzeichnet und analysiert - so aufgebaut werden, dass bestimmte Bereiche besser oder schlechter erinnert würden.

Pressemitteilung Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH), Juli 2022
Willeke KF et al.; Proc Natl Acad Sci U S A. 2022 Jun 14;119(24):e2121860119 (DOI 10.1073/pnas.2121860119).

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