Krebspatienten, die sich in zertifizierten Krebszentren erstbehandeln lassen, haben Vorteile beim Gesamtüberleben. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ (WiZen). Versorgungswissenschaftler aus verschiedenen Einrichtungen haben dafür in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) die Daten von Betroffenen aus ganz Deutschland ausgewertet. Auf Basis kontrollierter Kohortenstudien wurde ermittelt, ob die Erstbehandlung in Krankenhäusern mit und ohne Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) ein unterschiedliches Gesamtüberleben zur Folge hat.
Die Grundlage bildeten Daten von rund 22 Millionen volljähriger AOK-Versicherter, sowie von vier großen klinischen Krebsregistern aus Bayern, Berlin, Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Für alle 11 untersuchten Krebsarten zeigen sich demnach Vorteile im Gesamtüberleben bei der Erstbehandlung in einer zertifizierten Klinik. Jedoch wurden – außer beim Mammakarzinom – die meisten Patienten in nicht DKG-zertifizierten Krankenhäusern erst-behandelt.
Bei der jetzt vorgelegten Studie wurde für elf Krebsentitäten anhand kontrollierter Kohortenstudien der Effekt der Erstbehandlung in Krankenhäusern mit und ohne Zertifikat der DKG auf das Gesamtüberleben untersucht (Kolonkarzinom, Rektumkarzinom, Lungenkarzinom, Pankreaskarzinom, Mammakarzinom, Zervixkarzinom, Prostatakarzinom, Endometriumkarzinom, Ovarialkarzinom, Kopf-Hals-Malignome und neuroonkologische Tumore) (> Onkologie) . Die Wahl der Krebsentitäten richtete sich nach dem Vorhandensein eines implementierten Zertifizierungsprogramms der DKG zum Zeitpunkt der Studienkonzeption und der Abbildbarkeit der adressierten Entitäten in Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie in Klinischen Krebsregistern (KKR). Die Basis bildeten bundesweite, pseudonymisierte GKV-Daten aller AOK-Versicherten für den Zeitraum 2009 bis 2017.
Die Datenanalyse erfolgte am Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) der TU Dresden. Eingeschlossen wurden Patienten mit Diagnosealter von mindestens 18 Jahren und Erstdiagnose der betrachteten Krebsentität.
Basis der Studie: Daten von 22 Millionen Versicherten
Ausgehend von einer Gesamtpopulation von rund 22 Millionen volljährigen AOK-Versicherten im Jahr 2017 konnten nach Anwendung der Ein- und Ausschlusskriterien Kohorten mit Patienten mit inzidenter Krebserkrankung für die untersuchten Entitäten in die Untersuchung eingeschlossen werden. Die Kohorten sind in einer Größe zwischen 10596 Betroffenen (Zervixkarzinom) und 172901 Patienten (Lungenkarzinom). Entitätsübergreifend bestand hinsichtlich der Merkmale der Erkrankten kein deutlicher Unterschied zwischen zertifizierten und nicht zertifizierten Krankenhäusern, jedoch waren größere Krankenhäuser häufiger und kleinere Krankenhäuser seltener DKG-zertifiziert. Trotz eines meist im Zeitverlauf moderaten Anstiegs des Anteils, der in DKG-zertifizierten Kliniken Behandelten, wurde mit Ausnahme des Mammakarzinoms bei allen Tumorentitäten die Mehrzahl der Patienten im Untersuchungszeitraum in nicht-DKG-zertifizierten Krankenhäusern behandelt. Für alle Entitäten zeigte sich konsistent ein längeres Gesamtüberleben bei Erkrankten mit Erstbehandlung in einem zertifizierten Krankenhaus. Das längere Gesamtüberleben von Patienten in DKG-zertifizierten Krankenhäusern betrug in den vollständig adjustierten Regressionsanalysen zwischen 3% (Lungenkarzinom) und 23% (Mammakarzinom), beziehungsweise zwischen 0,62 Monaten (Lungenkarzinom) und 4,61 Monaten (Zervixkarzinom). Überlebensvorteile waren auch zu konkreten Nachbeobachtungszeitpunkten (30 Tage, 1,5 Jahre) konsistent für alle Tumorentitäten nachweisbar.
Behandlung in einem zertifizierten Zentrum ist mit einer niedrigeren Mortalität assoziiert
„Die WiZen-Studie zeigt für die untersuchten Entitäten, dass eine Behandlung in einem zertifizierten Zentrum mit einer niedrigeren Mortalität assoziiert ist, sagt Prof. Dr. med. Jochen Schmitt, Leiter des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) an der Technischen Universität Dresden. „Das ist umso bemerkenswerter, da trotz der Empfehlungen des Nationalen Krebsplans noch immer rund 40 Prozent aller an Krebs-Erkrankten in nicht zertifizierten Krankenhäusern erstbehandelt werden.“ „Eine vorrangige Versorgung von Krebsbetroffenen in zertifizierten Krankenhäusern hätte damit ein hohes Potenzial, sehr viele Menschen mit Krebs in Deutschland besser zu behandeln, das Überleben zu verbessern und das Leid für betroffene Patientinnen und Patienten und deren Angehörige zu verringern“, betont Prof. Dr. med. Monika Klinkhammer-Schalke, Direktorin des Instituts für Qualitätssicherung und Versorgungsforschung der Universität Regensburg und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT).
Pressemitteilung „Studie belegt Qualität von Krebsbehandlung an zertifizierten Zentren“. Universität Regensburg, 21.8.2023 (https://www.uni-regensburg.de/newsroom/presse/mitteilungen/index.html).
* Schmitt J et al.: Krebserstbehandlung in zertifizierten versus nichtzertifizierten Krankenhäusern. Ergebnisse der vergleichenden Kohortenstudie WiZen. Dtsch Arztebl 2023 Aug 21 (DOI 10.3238/arztebl.m2023.0169).