Schon lange ist die familiäre Häufung von bipolaren Störungen bekannt (Konkordanzraten bei Zwillingsstudien zwischen 35 und 80%). Trotz teilweise widersprüchlicher Daten häufen sich Hinweise darauf, dass Patienten mit bipolarer Störung mit höherer Wahrscheinlichkeit bösartigen Krebs entwickeln als die Allgemeinbevölkerung.
Taiwanesischer Forscher wollten nun das Gesamtkrebsrisiko bei den nicht betroffenen Geschwistern von Patienten mit bipolarer Depression untersuchen. Hierzu analysierten sie Daten der „National Health Insurance Research Database of Taiwan“, wobei 25.356 Patienten mit bipolarer Störung, 25.356 gleichaltrige, nicht betroffene Geschwister von Patienten mit bipolarer Störung und 101.422 gleichaltrige Kontrollpersonen ohne schwere psychische Störung in die Studie aufgenommen wurden (Zeitraum 1996 bis 2010). Identifiziert wurden jene Patienten, die zwischen dem Beginn der Studienaufnahme und Ende 2011 an Krebs erkrankten. Die Krebserkrankungen wurden entsprechend ihres embryonalen Ursprungs in drei Gruppen eingeteilt (ektodermale, mesodermale und endodermale Krebsarten).
Die Studie zeigt, dass sowohl die Patienten mit bipolarer Störung (Odds Ratio [OR] = 1,22, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,06-1,40) als auch die nicht betroffenen Geschwister dieser Patienten (OR=1,17, 95%-KI: 1,02-1,34) ein höheres Risiko hatten, an einem bösartigen Krebs zu erkranken als die Personen der Kontrollgruppe. Hinsichtlich der Krebszuordnung entsprechend der Keimblätter war die Wahrscheinlichkeit eines ektodermalen Tumors, vor allem von Mamma-Ca, nur bei Menschen im Alter unter 50 Jahren gegenüber der Kontrollgruppe erhöht, sowohl bei Patienten mit bipolarer Störung (OR = 1,90, 95%-KI: 1,38-2,61) als auch bei den Geschwistern ohne bipolare Störung (OR = 1,65, 95%-KI: 1,19-2,28).
Die Assoziation von bipolarer Störung und Anfälligkeit für bipolare Störung mit einem höheren Krebsrisiko in der jüngeren Bevölkerung könnte, so spekulieren die Autoren, auf eine genetische Überschneidung in der embryonalen Entwicklung des Nervensystems und der Pathogenese von Malignomen hindeuten. Auf jeden Fall, so meinen sie, sollten diese Ergebnisse Ärzte ermutigen, Krebsrisikofaktoren und Warnzeichen bei Patienten mit bipolarer Störung und nicht betroffenen Geschwistern dieser Patienten genauer zu überwachen.
Chen MH et al.: Int J Cancer. 2021 Dec 22 (DOI 10.1002/ijc.33914 | PMID 34935135).