Über die Kausalität von Alkoholverbrauch und dem Auftreten verschiedener Tumorentitäten besteht kein Zweifel. Die Muster des weltweiten Konsums verändern sich im Zeitverlauf und hinsichtlich der geografischen Verteilung jedoch. Deshalb sind wissenschaftliche Aktualisierungen notwendig, um diese Veränderungen angesichts der globalen Krebslast abzubilden.
Vor allem, damit in der (Gesundheits-)Politik, die mit Alkoholkontrolle oder Krebsprävention beschäftigt ist, bessere Informationen zur Verfügung stehen. Eine internationale Arbeitsgruppe unter Beteiligung auch der Technischen Universität Dresden hat nun neue globale, regionale und nationale Schätzungen der alkoholbedingten Krebsbelastung für das Jahr 2020 präsentiert. Die Forscher resümieren, dass etwa 4% aller Krebsfälle weltweit ‒ dosisabhängig ‒ durch Alkoholkonsum verursacht werden.
Im Zuge einer bevölkerungsbasierten Studie wurden aktuelle Krebsinzidenzdaten von GLOBOCAN (globocan.iarc.fr, einer bedeutenden Krebsdatenbank des in Lyon/Frankreich angesiedelten „Global Cancer Observatory“) und Alkoholverbrauchsdaten aus verschiedenen Quellen zusammengeführt. Die Schätzungen der alkoholbedingten Krebslast erfolgte auf Basis des in drei Gruppen eingeteilten Trinkverhaltens (moderat: <20g/Tag, risikobelastet: 20‒60g/Tag, stark: >60g/Tag) entsprechend nach Alter, Geschlecht und Staat. Die Ergebnisse bestätigen einen erheblichen Beitrag von Alkohol an der Krebspathogenese: Weltweit waren schätzungsweise 741.300 (95%-Unsicherheitsintervall/UI 558.500‒951.200) oder 4,1% (3,1‒5,3) aller neuen Krebsfälle im Jahr 2020 auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Männer machten 568.700 (76,7%; 95%-UI 422.500‒731.100) der gesamten alkoholbedingten Krebsfälle aus. Alkoholverursachte Krebserkrankungen des Ösophagus (189.700 Fälle [110.900‒274.600]), der Leber (154.700 Fälle [43.700‒281.500]) und der Mammae (98.300 Fälle [68.200‒130.500]) waren am häufigsten. Der populationsassoziierte Risikoanteil (PAF) lag in Nordafrika und Westasien am niedrigsten, und am höchsten in Ostasien sowie in Mittel- und Osteuropa. Die größte Belastung durch alkoholbedingte Krebserkrankungen stellt der vorgelegten Analyse nach starkes Trinken (46,7%) gefolgt von riskantem Trinken (39,4%) dar, während mäßiges Trinken (13,9%) oder eine Alkoholmenge von bis zu 10g/Tag als geringeres Krebsrisiko erscheint.
Die Autoren unterstreichen auf Grundlage ihrer Ergebnisse die Notwendigkeit wirksamerer Maßnahmen und Interventionen, um das Bewusstsein für Krebsrisiken im Zusammenhang mit Alkoholkonsum zu schärfen und den Alkoholkonsum insgesamt zu senken, weil nur auf diese Weise auch die Belastung durch alkoholbedingte Krebserkrankungen verringert werden kann.
Rumgay H et al., Lancet Oncol 2021 Jul 13; S1470-2045(21)00279-5, doi 10.1016/S1470-2045(21)00279-5, PMID 34270924