Das Kombinationspräparat Nirmatrelvir/Ritonavir scheint bei nicht geimpften Hochrisikopatienten Todesfälle durch COVID-19 zu verringern und den Zustand der Patienten zu verbessern. Das ist das Ergebnis einer Metastudie einer Kölner Cochrane-Forschungsgruppe.
Mit der Kombination aus den Wirkstoffen Nirmatrelvir und Ritonavir ist seit Januar 2022 ein neues orales Arzneimittel zur Behandlung einer Coronavirus-Infektion auf dem Markt. Nirmatrelvir wirkt direkt gegen den Virus, Ritonavir erhöht die Wirksamkeit von Nirmatrelvir, indem es den Abbau von Nirmatrelvir blockiert. Ritonavir kann allerdings mit vielen anderen Medikamenten in Wechselwirkung treten, was zu unerwünschten Wirkungen führen kann.
Zuletzt wurde in der Presse diskutiert, dass die ersten Chargen des Produkts bereits im November 2022 verfallen. Grund hierfür: Das Mittel wurde in einem beschleunigten Verfahren zugelassen, also auf Basis von weniger umfangreichen Studiendaten als sonst üblich. Dadurch fehlten auch Daten zur langfristigen Stabilität der Wirkstoffkombination, die deshalb zunächst nur mit kurzer Haltbarkeitsdauer zugelassen wurde. Inzwischen hat der Hersteller (Pfizer) jedoch neue Stabilitätsdaten vorgelegt und die Haltbarkeitsdauer wurde von der Europäischen Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency, EMA) auf 18 Monate verlängert. Viele Packungen sind allerdings noch mit dem alten Aufdruck versehen, nach dem sie in den nächsten Monaten ablaufen.
Niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Cochrane-Autoren der Cochrane Infectious Diseases Group an der Uniklinik Köln haben nun die Studienlage zur Wirksamkeit des Arzneimittels gesichtet und in einem fortlaufend aktualisierten systematischen Review zusammengefasst („living review“). Zum Stichtag 1. Juli 2022 konnten die Cochrane-Autoren eine randomisiert kontrollierte Studie mit 2.246 Teilnehmenden einschließen. Beachtlich ist, dass die Cochrane-Autoren acht weitere, derzeit laufende Studien identifizierten. Die Evidenzlage wird sich daher vermutlich schon bald ändern. Mit dem Mittel behandelt wurden in der vorliegenden Studie nicht geimpfte COVID-19-Patienten, die ein erhöhtes Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung hatten, bis dahin aber nur zuhause leichte Symptome zeigten. Die Behandlung begann innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der ersten Symptome.
Für diese spezielle Gruppe nicht geimpfter Hochrisikopatienten ergibt sich aus der Studie das Folgende: Im untersuchten Zeitraum von 28 Tagen scheint die Kombination aus Nirmatrelvir und Ritonavir Todesfälle und Krankenhauseinweisungen im Vergleich zu einer Placebobehandlung zu verringern. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wird von den Cochrane-Autoren jedoch als niedrig eingestuft. Grund hierfür ist, dass insgesamt nur wenige Todesfälle und Krankenhauseinweisungen vorkamen und dass die Art und Weise der Ergebnisanalyse zu systematischen Fehlern geführt haben könnte.
Bei der Anwendung des Mittels ist zu beachten, dass es bei Älteren, die häufig noch andere Medikamente einnehmen müssen, zu Arzneimittelwechselwirkungen und in der Folge zu unerwünschten Wirkungen kommen kann. Als behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse traten in der Studie vor allem Geschmacksstörungen und Durchfall auf.
Pressemitteilung Cochrane Deutschland, November 2022
Reis S et al.; Cochrane Database of Systematic Reviews 2022, Issue 9. Art. No.: CD015395 (DOI 10.1002/14651858.CD015395.pub2).