Mit 2 einfachen Tests aus Blut- und Urinproben könnte eine chronische Nierenkrankheit (CKD) frühzeitig erkannt werden. Dies gewinnt zunehmend an Bedeutung, da seit Kurzem mehrere neue Medikamente das Fortschreiten der CKD wirksam aufhalten können. Die derzeitigen Check-up-Untersuchungen in Deutschland erfassen diese Parameter jedoch nur unzureichend. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass selbst bei Vorliegen von Hochrisikofaktoren für eine CKD häufig keine Bestimmung der Albuminausscheidung im Urin und der sogenannten geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) im Blut erfolgt.
In Deutschland leiden mehr als 10 Millionen Menschen an einer CKD. Im Endstadium sind die Betroffenen auf eine regelmäßige Dialyse oder eine Nierentransplantation angewiesen. Darüber hinaus steigt mit abnehmender Nierenfunktion das kardiovaskuläre Risiko stark an. Diabetes mellitus und Bluthochdruck sind gleichzeitig die Hauptauslöser für eine CKD. Viele Betroffene wissen jedoch nichts von ihrer Erkrankung, auch weil bis zu 90 % des Nierenfunktionsverlustes asymptomatisch verlaufen können. Gleichzeitig ist die CKD trotz bekannter Risikofaktoren oft dramatisch unterdiagnostiziert, eine leitliniengerechte Labordiagnostik wird in deutschen Hausarztpraxen nicht ausreichend durchgeführt, wie die InspeCKD-Studie zeigt.
„Das ist tragisch, denn seit einigen Jahren stehen endlich wirksame Medikamente zur Verfügung, mit denen wir das Fortschreiten der CKD vor allem auch in frühen Stadien verzögern oder sogar stoppen können“, sagte Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke, Leiterin der Klinik für Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation (NTX) am Universitätsklinikum Mainz, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) bei der 16. Jahrestagung des Verbandes.
Albumin im Urin ist das erste Anzeichen für eine Nierenschädigung
Zur Diagnose einer CKD reicht die Kombination eines einfachen Bluttests mit einem Urintest, bei dem die eGFR und die Proteinwerte im Urin bestimmt werden. Die eGFR kann aus dem Kreatininwert im Blut einfach rechnerisch ermittelt, „geschätzt/estimated“ werden. Doch die Nephrologin betont: „Durch den Nachweis von Albumin im Urin ist es möglich, die Diagnose einer CKD viel früher zu stellen als durch die alleinige Betrachtung der eGFR, denn es ist häufig das erste Anzeichen für eine Schädigung der Nierengefäße.“
Selbst Risikopatienten erhalten oft kein Nierenscreening
Neben einer Vielzahl internationaler Studien zeigte zuletzt die InspeCKD-Studie auch für Deutschland: Nur bei 45,5 % der Risikopatientinnen und -patienten wurde der eGFR-Wert in der Hausarztpraxis bestimmt. Eine Albuminbestimmung mit Teststreifen erhielten sogar nur 7,9 % der Betroffenen und die UACR (quantitative Bestimmung der Albuminausscheidung im Urin) wurde nur bei 0,4 % bestimmt.
Nicht-Risikogruppen: Urinteststreifen sind ein guter erster Marker
Für die routinemäßige Früherkennung bei Nicht-Risikogruppen können spezielle Urinteststreifen als Screening eingesetzt werden. Präziser ist jedoch der Albumin-Kreatinin-Quotient (UACR = Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio). Er errechnet sich aus der Albumin- und der Kreatininmenge im Urin.
Wer sollte nun auf CKD untersucht werden? In der zuletzt aktualisierten internationalen Leitlinie KDIGO ist nun die Empfehlung enthalten, bestimmte Risikopersonen auf eine Nierenerkrankung zu untersuchen. „Dazu gehören vor allem Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas, bekannte Nierenkrankheiten in der Familie, vorausgegangene Nierenschädigung“, so Weinmann-Menke.
DGfN befürwortet Screening für alle und Aufnahme ins GHG
Die Aufnahme von Nierenerkrankungen in das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) wäre ein entscheidender Schritt, um die Früherkennung zu verbessern, Herzinfarkte und Schlaganfälle zu reduzieren und langfristig die Gesundheitskosten zu senken“, erklärte Weinmann-Menke. Bisher sind die Nieren im GHG jedoch nicht berücksichtigt, obwohl die DGfN über Stellungnahmen, Teilnahme an der Anhörung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und mediale Beiträge intensiv auf das kritische Fehlen der CKD im GHG hingewiesen hat. „Da wir nicht genug betonen können, wie wichtig die Früherkennung von CKD ist, plädieren wir für ein grundsätzliches Screening im Rahmen der von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Gesundheitsuntersuchungen ab dem 35. Lebensjahr.“
Pressekonferenz zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie 2024. Berlin, 27.9.2024. Veranstalter: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN). Berlin (https://www.dgfn.eu/pressekonferenz-2024.html).
Wanner C et al.: InspeCKD - Analyse zur Nutzung von Labordiagnostik im Kontext der chronischen Nierenerkrankung. MMW Fortschr Med. 2024;166 (Suppl 4):9-17 (DOI 10.1007/s15006-024-3684-y).