In der Behandlung der chronischen Nierenkrankheit (CKD) zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: weg von lediglich allgemeinen Behandlungsempfehlungen hin zu konkret wirksamen Therapiekonzepten. Denn neue Medikamente können Progression und irreversibles Nierenversagen, das am Ende der CKD steht, aufhalten. Zu den Game-Changern gehören auch die GLP-1-Rezeptor-Agonisten.
„Neue Nephrologie“ war deshalb auch das Motto der 16. Jahrestagung der teilt die DGfN Ende September 2024 in Berlin.
Bei der CKD (in Deutschland gibt es geschätzt etwa 10 Millionen Betroffene), einschließlich der Glomerulonephritiden, gilt es, den Verlust der Nierenfunktion aufzuhalten. Denn unbehandelt kann eine CKD in eine terminal, tödliche Niereninsuffizienz münden. „Jahrzehntelang gab es hier keine substantiellen Fortschritte“, sagte Prof. Dr. med. Martin Kuhlmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin - Nephrologie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain (Berlin). Zur Verfügung standen lediglich allgemeine Empfehlungen wie Nikotinverzicht, Ernährungstherapie, Gewichtsnormalisierung, Blutfettsenkung sowie Blutdrucktherapie. Zwar konnten RAAS-Blocker (zum Beispiel ACE-Hemmer), Therapiestandard für mehr als 20 Jahre, ein Fortschreiten der CKD reduzieren. „Vielen Patienten haben sie aber nicht ausreichend geholfen, und der Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen war leider begrenzt“, so Kuhlmann.
Neue Therapieoptionen können Nierenversagen stoppen
„Doch neue Studien und die Einführung neuer medikamentöser Therapieoptionen haben die Welt der Nephrologie verändert“, stellte Kuhlmann fest. Zu diesen Medikamenten gehören etwa SGLT2-Inhibitoren. Diese Substanzen wurden ursprünglich zur Therapie von Diabetes entwickelt. In Studien zeigte sich jedoch, dass sie auch positive Effekte auf Herz und Nieren haben und das Fortschreiten des Nierenfunktionsverlusts signifikant verlangsamen können. Ebenfalls wirksam bei der durch Diabetes ausgelösten CKD ist der neuartige, nicht-steroidale, selektive Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist Finerenon, wie die FIDELIO-Studie gezeigt hat (DOI 10.1056/NEJMoa2025845).
Inkretinmimetika gehören auch zu den „Game-Changern“
Inkretinmimetika wie die GLP-1-Rezeptor-Agonisten wurden zunächst zur Regulierung des Blutzuckerspiegels bei Menschen mit Typ-2-Diabetes eingesetzt. Später zeigten sich bei verschiedenen klinischer Studien weitere positive Effekte auf die Gesundheit. Dazu gehört in erster Linie die Gewichtsreduktion: So können Menschen, die einen GLP-1-RA anwenden, einen erheblichen Anteil ihres Gewichts verlieren. Dadurch sinkt auch das Risiko für die Folgeerkrankungen von Übergewicht wie Hypertonie und chronische Entzündungen. In der kürzlich publizierten FLOW-Studie (DOI 10.1038/s41591-024-03133-0) senkte der GLP-1-Agonist Semaglutid bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD das Risiko für schwere Nierenkrankheiten und Tod durch Herz-Kreislauf-Komplikationen um 24 Prozent – unabhängig davon, ob bereits eine Therapie mit einem SGLT2i durchgeführt wurde. Die Studie zeigte auch, dass der Nutzen von Semaglutid insbesondere bei Menschen, die keine SGLT2-Inhibitoren einnahmen, besonders hoch ist.
Ebenso mehren sich die Hinweise, dass GLP-1-RA eine entzündungshemmende Wirkung haben, die sich unabhängig vom Ausmaß der Gewichtsabnahme positiv auf die Nieren und das Herz-Kreislauf-System auswirkt (DOI 10.1016/j.kint.2023.09.029). „Dies alles eröffnet neue Möglichkeiten in der Behandlung der CKD“, fasste Kuhlmann zusammen. Was Semaglutid betrifft, habe sich die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zunächst noch gegen eine Indikationserweiterung ausgesprochen.
Pressemitteilung „Neue Nephrologie am Horizont: weniger Nierenversagen und Dialysen möglich“ anlässlich der 16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Berlin, 26.-29.9.2024 (https://www.dgfn.eu/pressemeldung/weniger-nierenversagen-und-dialysen-moeglich.html).