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Adipositas

Mit Orexin-Blockade die Entscheidung für mehr Aktivität fördern

3.10.2024

Das Neuropeptid-Hormon Orexin und cerebrale Orexin-Neuronen sind essentiell für unsere Wahl zwischen Bewegung und den leckeren Versuchungen, denen wir ständig ausgesetzt sind, zeigen jetzt die Forschungsergebnisse einer Arbeitsgruppe von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETH). Diese in „Nature Neuroscience“ publizierten Forschungsergebnisse könnten Menschen helfen, die sich nur schwer zum Sport motivieren können.

Bei in vivo-Experimenten konnte die Forschergruppe zeigen, dass Orexin eine zentrale Rolle dabei spielt, ob es Menschen gelingt, allgegenwärtigen Versuchungen zu widerstehen und sich ausreichend zu bewegen, stellt Prof. Dr. Denis Burdakov, Neurowissenschaftler an der ETH Zürich, fest.

Orexin ist einer von über hundert Botenstoffen, die im Gehirn aktiv sind. Während andere Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin schon vor langer Zeit entdeckt wurden und ihre Rolle weitgehend entschlüsselt ist, ist das bei Orexin anders: Die Substanz wurde erst relativ spät, vor rund 25 Jahren, entdeckt. Seine Funktionen klären sich nun nach und nach auf.

„In der Neurowissenschaft ist Dopamin eine beliebte Erklärung dafür, warum wir uns für bestimmte Dinge entscheiden und andere vermeiden“, sagt Burdakov. Dieser Hirnbotenstoff ist für unsere allgemeine Motivation entscheidend. „Unser derzeitiges Wissen über Dopamin erklärt aber nicht ohne Weiteres, warum wir uns eher für Sport als für Essen entscheiden“, so der Wissenschaftler weiter. Denn „unser Gehirn schüttet sowohl beim Essen als auch beim Sport Dopamin aus, was nicht erklärt, warum wir das eine dem anderen vorziehen.“

Die Züricher Forschungsgruppe entwickelte deshalb ein ausgeklügeltes Verhaltensexperiment für Mäuse, die in jeweils zehnminütigen Versuchen frei zwischen 8 verschiedenen Optionen wählen konnten. Dazu gehörten ein Laufrad, auf dem sie sich bewegen konnten, und eine „Milchshake-Bar“, an der ihnen ein handelsüblicher Milchshake mit Erdbeeraroma zur Verfügung stand. „Mäuse mögen Milchshake aus dem gleichen Grund wie wir Menschen: Er enthält viel Zucker und Fett und schmeckt gut“, so Burdakov.

Bei dem Experiment wurden verschiedene Gruppen von Mäusen verglichen: Zum einen ganz normale Mäuse, zum anderen Mäuse, bei denen das Orexin-System blockiert war, entweder mit einem Medikament oder weil ihre Zellen genetisch verändert waren.

Die Mäuse mit intaktem Orexin-System verbrachten doppelt so viel Zeit auf dem Laufrad und halb so viel Zeit an der „Milchshake-Bar“ wie die Mäuse mit blockiertem Orexin-System. Interessanterweise unterschied sich das Verhalten der beiden Gruppen aber nicht in Experimenten, in denen die Wissenschaftler den Mäusen nur entweder das Laufrad oder den Milchshake anboten. „Das heißt, die Hauptaufgabe des Orexin-Systems besteht nicht darin zu kontrollieren, wie viel sich die Mäuse bewegen oder wie viel sie fressen“, erklärt Burdakov. „Vielmehr scheint Orexin zentral zu sein bei der Entscheidung zwischen dem einen und dem anderen.“ Ohne Orexin fiel die Wahl eindeutig auf den Milchshake, und die Mäuse gaben die Bewegung auf, um zu fressen.

Menschen helfen, die sich wenig bewegen

Die ETH-Forschenden erwarten, dass Orexin auch beim Menschen für diese Entscheidung verantwortlich sein könnte. Denn es ist bekannt, dass die Hirnfunktionen, um die es hier geht, bei Maus und Mensch praktisch gleich ablaufen. „Es wird nun darum gehen, unsere Ergebnisse auch bei Menschen zu überprüfen“, sagt Dr. Daria Peleg-Raibstein, Gruppenleiterin an der ETH Zürich. Sie hat die Studie gemeinsam mit Burdakov geleitet.

Dazu könnte man Patientinnen und Patienten untersuchen, die aus genetischen Gründen ein eingeschränktes Orexin-System haben. Das ist bei etwa einem von zweitausend Menschen der Fall. Diese Personen leiden an Narkolepsie (Schlafkrankheit). Eine weitere Möglichkeit wäre es, Menschen zu beobachten, die ein Medikament erhalten, das Orexin blockiert. Solche Medikamente sind für Patienten und Patientinnen mit Schlafstörungen zugelassen.

„Wenn wir verstehen, wie das Gehirn zwischen Nahrungsaufnahme und körperlicher Aktivität vermittelt, können wir wirksamere Strategien entwickeln, um die weltweite Adipositas-Epidemie und damit verbundene Stoffwechselstörungen zu bekämpfen“, sagt Peleg-Raibstein. Insbesondere könnten Ansätze entwickelt werden, die helfen, bei gesunden Personen und solchen, deren körperliche Aktivität eingeschränkt ist, Bewegungsbarrieren zu überwinden. Burdakov weist darauf hin, dass dies wichtige Fragen für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind, die sich mit klinischer Forschung am Menschen beschäftigen. Er und seine Gruppe haben sich der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung verschrieben. Als Nächstes möchte er herausfinden, wie die Orexin-Neuronen bei Entscheidungen wie jener zwischen Sport und Snack mit dem Rest des Gehirns wechselwirken.

Pressemitteilung „Sport oder Snack? So entscheidet unser Gehirn“. Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH), 6.8.2024 (https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2024/08/sport-oder-snack-so-entscheidet-unser-gehirn.html).

* Tesmer AL et al.: Orexin neurons mediate temptation-resistant voluntary exercise. Nat Neurosci. 2024 Aug 6 (DOI 10.1038/s41593-024-01696-2).

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