Bitterrezeptoren sind Elemente eines komplexen Bitterstoff-Signalsystems, vergleichbar zu den endogenen Opioiden oder dem Endocannabinoid-System. Sie befinden sich nicht nur auf der Zunge, sondern auch in vielen weiteren Organen einschließlich der Atemwege, des Gehirns sowie auf Krebszellen.
Welche Rolle sie dort spielen, hat nun ein Team um Prof. Dr. Veronika Somoza von der Fakultät für Chemie der Universität Wien und dem deutschen Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München genauer untersucht. Die Forschungsergebnisse ihrer Übersichtsarbeit legen nahe, Bitterrezeptoren künftig auch als zusätzliche Angriffspunkte für Chemotherapeutika in der Onkologie zu sehen und diesbezüglich zu erforschen.
Die Analyse berücksichtigte sowohl Studien, welche die Zusammenhänge zwischen der geschmacklichen Wahrnehmung von Bitterstoffen, der Ernährung und dem Auftreten bestimmter Krebsarten untersucht haben, als auch solche, welche die Rolle von Bitterrezeptoren bei der Krebsentstehung auf molekularer Ebene erforschten. „Wie unsere Datenauswertung zeigt, ist (zwar) bislang kein Zusammenhang zwischen den genetisch bedingten Wahrnehmungsunterschieden von Bitterstoffen, der Ernährungsweise und der Krebsentstehung belegt“, schränkt Somoza ein. Allerdings zeigte sich, dass in vielen Fällen die Genexpression von Bitterrezeptoren in Krebszellen und -geweben herunterreguliert ist, das heißt, weniger Genprodukte nachzuweisen waren.
Ihre Kollegin Sofie Zehentner ergänzt, dass es „umgekehrt Belege dafür gibt, dass eine Überexpression dieser Rezeptorgene sowie eine gezielte Aktivierung der Bitterrezeptoren zelluläre Mechanismen stimulieren, die krebshemmend sind“. Hierzu zählen Effekte wie eine verringerte Zellteilung und Migration sowie eine erhöhte Apoptoserate von Krebszellen. „Vieles spricht somit für eine Beteiligung von Bitterrezeptoren am Krebsgeschehen und macht sie als Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Therapeutika interessant. Daher wollen wir die Funktionen von Bitterrezeptoren künftig auch in dieser Hinsicht weiter erforschen“, so Somoza. Die Übersichtsarbeit entstand vor dem Hintergrund eines Projektes ihres Teams, bei dem die Wirkungen des Bitterrezeptor-Blockers und Aromastoffs Homoeriodictyol bei Geschmacksstörungen von Krebspatienten untersucht wurden.
Pressemitteilung Universität Wien, Dezember 2021
Zehentner S. et al., Cancers 2021 Nov 23; 13(23): 5891, DOI 10.3390/cancers13235891