Anforderungen der modernen Lebens- und Arbeitswelt können oft zu Schlafstörungen und einem Schlafmangel-Syndrom führen. Neue Forschungsergebnisse, die auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie 2024 in London vorgestellt wurden, widersprechen dem schlafmedizinischen Credo, dass Schlaf nicht nachgeholt werden könne. Sie zeigen, dass Menschen, die ihren Schlaf „nachholen“, indem sie am Wochenende ausschlafen, ihr Risiko für Herzerkrankungen um ein Fünftel senken können.
Viele Menschen, die unter Schlafmangel leiden, versuchen an ihren freien Tagen „ausschlafen“, um die Auswirkungen des Schlafmangels zu mildern. Es fehlt jedoch an Forschung dazu, ob dieser kompensatorische Schlaf der Herzgesundheit tatsächlich hilft. Hierzu stellt der Co-Autor der in London beim ESC-Kongress vorgestellten Studie, Dr. Yanjun Song, Peking (CN), fest: „Ausreichender Ausgleichsschlaf ist mit einem geringeren Risiko für Herzerkrankungen verbunden. Der Zusammenhang ist bei Personen, die an Wochentagen regelmäßig zu wenig Schlaf haben, noch ausgeprägter.“
Die Forschergruppe verwendete Daten von 90903 Personen, die am UK Biobank-Projekt teilnahmen. Um die Beziehung zwischen kompensiertem Wochenendschlaf und Herzerkrankungen zu bewerten, wurden die Schlafdaten mithilfe von Beschleunigungsmessern aufgezeichnet und nach Quartilen gruppiert (in vier ungefähr gleich große Gruppen von am meisten bis am wenigsten kompensiertem Schlaf unterteilt). Q1 (n = 22.475) war mit -16,05 bis -0,26 Stunden (d. h. mit noch weniger Schlaf) am wenigsten kompensiert; Q2 (n = 22.901) hatte -0,26 bis +0,45 Stunden; Q3 (n = 22.692) hatte +0,45 bis +1,28 Stunden und Q4 (n = 22.695) hatte den meisten kompensatorischen Schlaf (1,28 bis 16,06 Stunden).
Schlafentzug wurde von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen selbst angegeben, wobei diejenigen, die weniger als 7 Stunden Schlaf pro Nacht angaben, als schlafdepriviert definiert wurden. Insgesamt wurden 19.816 (21,8 %) der Teilnehmenden als schlafdepriviert definiert. Der Rest der Kohorte hatte möglicherweise gelegentlich unzureichenden Schlaf, aber im Durchschnitt entsprachen ihre täglichen Schlafstunden nicht den Kriterien für Schlafmangel (die Autorengruppe bezeichnet dies als Einschränkung ihrer Daten). Zur Diagnose verschiedener Herzerkrankungen wurden Krankenhausunterlagen und Informationen aus dem Todesursachenregister verwendet, darunter ischämische Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Schlaganfall.
Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen
Es zeigte sich, dass bei einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von fast 14 Jahren, die Wahrscheinlichkeit, an Herzkrankheiten zu erkranken, bei Personen der Gruppe mit dem meisten kompensatorischen Schlaf (Quartil 4) um 19 % geringer als bei denen mit dem am wenigsten ausgeglichenen Schlaf (Quartil 1). In der Untergruppe der Personen mit täglichem Schlafentzug hatten diejenigen mit dem meisten kompensatorischen Schlaf ein um 20 % geringeres Risiko, an Herzkrankheiten zu erkranken, als diejenigen mit dem wenigsten. Die Analyse zeigte keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Dr. Zechen Liu, auch Co-Autor der Studie, fasst zusammen: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass von dem erheblichen Anteil der Bevölkerung in der modernen Gesellschaft, der unter Schlafentzug leidet, diejenigen, die am Wochenende am meisten Schlaf ‚nachholen‘, eine deutlich geringere Rate an Herzerkrankungen aufweisen als diejenigen mit am wenigsten Schlaf.“
Pressemitteilung „ Catching up on sleep on weekends may lower heart disease risk by up to 20%“. European Society of Cardiology (ESC), Sophia Antipolis, Brüssel, 29.8.2024 (https://www.escardio.org/The-ESC/Press-Office/Press-releases/Catching-up-on-sleep-on-weekends-may-lower-heart-disease-risk-by-up-to-20).