Die Quote der Erstimpfungen bei Kindern ist während der COVID-Pandemie deutlich zurückgegangen. Mit 31% sank die Quote der Erstimpfungen bei Diphterie, Keuchhusten, Tetanus und Kinderlähmung besonders stark. Das geht aus dem Kinder- und Jugendreport der DAK hervor.
Im Vergleich zu 2019 gab es 2021 einen Rückgang der Impfungen von 11%. Hochgerechnet auf die Bevölkerung wurden somit rund 680.000 weniger Mädchen und Jungen geimpft. Für die repräsentative Analyse wurden ambulante Behandlungsdaten von allen bei der Krankenkasse versicherten 782.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren einbezogen und mit der Situation vor der Pandemie verglichen. DAK-Chef Andreas Storm und der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte warnen vor den Folgen der Impflücke und sehen akuten Handlungsbedarf.
„Wir beobachten schon länger einen Rückgang der Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen. In der Corona-Pandemie hat sich dieser negative Trend verstärkt“, sagt Storm. „Vorsorge ist wichtig und Impfen eine Investition in die Zukunft. Es gibt jetzt akuten Handlungsbedarf. Sonst wird die Gesundheit von vielen jungen Menschen plötzlich wieder durch Krankheiten bedroht, die als fast ausgerottet galten. Wir brauchen eine breite Aufklärungskampagne, um Eltern verstärkt über den Nutzen von Impfungen und das Risiko einzelner Krankheiten aufzuklären“.
Auch weniger Arztbesuche
Für den Kinder- und Jugendreport untersuchten Versorgungsanalysten der Bielefelder Vandage GmbH und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 782.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren, die bei der Hamburger Ersatzkasse versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2019 bis 2021. Dabei flossen u. a. aktuell Daten aus 3,3 Millionen Arztbesuchen und 750.000 Impfungen in die Analyse ein. „Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kann die Analyse-Ergebnisse bestätigen“, sagt Präsident Dr. Thomas Fischbach (Solingen). „Die anhaltend hohen Infektionszahlen haben sicherlich auch negative Auswirkungen auf die Impfraten, die teilweise zweistellig gesunken sind. Wir müssen die Impflücken jetzt schließen“.
Nach den Daten der DAK-Gesundheit ging der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die eine Impfung erhielten, insgesamt um 11% zurück. Damit wurden 2021 hochgerechnet bundesweit rund 680.000 weniger Kinder und Jugendliche geimpft als 2019. Auch die Arztbesuche nahmen ab: So gingen bundesweit hochgerechnet rund 1,3 Millionen weniger Mädchen und Jungen in die Praxen als vor der Pandemie (-4%). Die Daten der jetzt vorgelegten Analyse zeigen auch, dass Arztbesuche und Impfungen vor allem in Lockdown-Zeiten stark zurückgegangen sind. Besonders deutlich ist die Abnahme bei der Gesamtimpfung gegen Diphtherie, Pertussis, Tetanus und Poliomyelitis mit -23% (die sogenannte TdPa-IPV-Impfung). Hier wurden 2021 rund 166.000 weniger Kinder und Jugendliche geimpft. Im Bereich Meningokokken C erhielten sogar 200.000 weniger Kinder und Jugendliche eine Impfung (-19%). Unter Gesamtimpfungen werden sowohl die erste und letzte Dosis eines Impfzyklus sowie Auffrischimpfungen zusammengefasst. Bei den Erstimpfungen sind teilweise stärkere Rückgänge zu erkennen: So sank die Erstimpfungsquote gegen Diphtherie, Pertussis, Tetanus und Poliomyelitis beispielsweise um 31%.
Umverteilung bei Masern-Mumps-Röteln
Auch bei den HPV-Impfungen zur Krebsvorsorge gingen die Zahlen 2021 zurück: So sanken Gesamtimpfungen um 13% und Erstimpfungen um 24%. Dabei fiel der Rückgang bei Jungen (-26%) deutlicher aus als bei Mädchen (-22%). Darüber hinaus gibt es Unterschiede bezüglich des sozialen Status: So sind die HPV-Erstimpfungsquoten für Jungen aus Familien mit hohem sozio-ökonomischen Status vor und während der Pandemie signifikant geringer als bei Jungen aus Familien mit mittlerem sozio-ökonomischen Status. Für Mädchen zeigen sich vom sozio-ökonomischen Familienstatus weitestgehend unabhängige Erstimpfungsquoten.
Ein Sonderfall ist die Masern-Mumps-Röteln-Impfung: Während die Dreifach-Impfung (MMR) im Jahr 2021 um 18% zurückging, stieg die Vierfach-Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV) um 18% an, so dass der Rückgang ausgeglichen wurde. „Die ausgeglichene Quote bei den Mehrfachimpfungen mit Masern ist sicherlich die Folge der Masernimpfpflicht“, so Dr. Fischbach. Eine Ausnahme ist die Pneumokokken-Erstimpfung, für die ein fester altersbezogener Impfzeitpunkt besteht (1. Impfung im Alter von zwei Monaten). Hier sind während der Pandemie weitestgehend konstante Impfquoten zu beobachten.
Pressemitteilung DAK-Gesundheit, Hamburg, November 2022