Warum sind die Aufenthaltszeiten von Patienten in der Hüft- und Knie-Endoprothetik in Deutschland teilweise doppelt so lang wie im Ausland? Erreichen deutsche Patienten die Entlassungskriterien später? Diese Frage haben Forscher in der prospektiven, multizentrischen und sektorenübergreifenden PROMISE-Studie untersucht.
International haben Patienten in der Hüft- und Knie-Endoprothetik, die einen optimierten Behandlungsprozess durchlaufen, postoperativ deutlich kürzere stationäre Aufenthaltszeiten als in Deutschland. Ziel der PROMISE-Studie war die Untersuchung des Verhältnisses von Entlassbarkeit und Entlassung: Werden die Entlassungskriterien (EK) in Deutschland später erreicht oder bleiben die Patienten stationär, obwohl die Entlassungskriterien bereits erreicht sind?
Hierzu etablierten drei Krankenhäuser unterschiedlicher Versorgungsstufen einen gemeinsam entwickelten, optimierten Versorgungsstandard und setzten diesen für eine weitgehend unselektionierte Patientenkohorte um. Unter anderem wurden Daten zum Erreichen der Entlassungskriterien und der tatsächlichen Entlassung erhoben. Univariate Vergleiche wurden durch Chi-Quadrat-Tests oder Mann-Whitney-U-Tests durchgeführt. Insgesamt waren 1.782 Patienten in die Studie eingeschlossen, von denen 85,3 % nach im Mittel 2,4 Tagen postoperativ alle zuvor definierten EK erreicht hatten. Die Entlassung erfolgte für diese Gruppe jedoch nach im Mittel 5,4 Tagen. Die restlichen Probanden (14,7 %) hatten bei Entlassung nach im Mittel 6,5 Tagen mindestens ein EK nicht erreicht. Verschiedene Subgruppen zeigten signifikante Unterschiede.
Die Daten bestätigen bisherige Analysen aus Deutschland: Das Erreichen der Entlassungskriterien führt im Allgemeinen nicht zu einer zeitnahen Entlassung der Patienten aus dem Krankenhaus. Welche Kriterien die Entlassung tatsächlich bestimmen, bleibt offen. Eine Vielzahl medizinischer, organisatorischer, struktureller und finanzieller Einflussfaktoren könnte bedeutend sein. Denkbar ist, dass die Verantwortlichen den Patienten weitere Tage stationären Aufenthaltes zugestehen, da in Deutschland der Belegungsdruck weit geringer als in fast allen anderen Ländern der Welt ist. In der Praxis beobachten Die Autoren, dass diese Tage von Patienten teilweise eingefordert werden, auch um die Zeit bis zur Aufnahme in eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu überbrücken. Dies ist eine Besonderheit Deutschlands, da nur hier für alle Patienten ein Anspruch auf eine Anschlussheilbehandlung besteht. Auch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen der Krankenhäuser im Rahmen des DRG-Systems könnten ein Faktor sein. Allerdings könnte umgekehrt, so betonen die Autoren, eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer sowohl die Aufnahmezahlen als auch die Umsätze steigern.
Betz U et al,; Orthopäde. 2022 May;51(5):395-402 (DOI 10.1007/s00132-022-04247-4 | PMID 35412087).