Durch die Entdeckung einer neuen epigenetischen Uhr konnte eine Arbeitsgruppe der Universität Innsbruck nachweisen, dass eine Hormonersatztherapie (HRT) bei postmenopausalen Frauen die epitheliale Zellalterung verlangsamen kann. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass epigenetische Uhren vielversprechend sein könnten, um ‒ neben Effekten auf die Alterung per se ‒ die Effektivität präventiver Maßnahmen zu erfassen.
Als „epigenetische Uhr“ wird eine molekularbiologische Testmethode bezeichnet, mit der anhand des Grads der DNA-Methylierung beispielsweise das biologische Alter bestimmt werden kann. Studienleiter Prof. Dr. Martin Widschwendter, Universität Innsbruck, schränkt allerdings ein: „Dieser Vorteil der HRT wurde bei Frauen mit Brustkrebs nicht beobachtet. Ihre Zellen alterten in derselben Geschwindigkeit wie bei Frauen, die sich keiner HRT unterzogen. Es ist noch nicht ganz klar, weshalb HRT die Zellalterung bei Frauen mit Brustkrebs nicht verlangsamt. Durch weitere Forschung könnten wir aber bald in der Lage sein, anhand von epigenetischen Uhren festzustellen, welche Frauen von einer verlangsamten Zellalterung bei einer Hormonersatztherapie profitieren und wie wir gesundheitserhaltende Maßnahmen individuell anpassen können.“
Im Zuge ihrer Studie analysierten die Forscher 1.941 zervikale Gewebeproben, die eine Mischung aus hormonsensitiven zervikalen Epithelzellen und Immunzellen enthalten, und entwickelten die „WID General Clock“ (Women‘s IDentification of Risk), eine epigenetische Uhr, die bei Epithel- und Immunzellen gleichermaßen vorkommt, und optimierten diese für zervikale Proben. Darauf aufbauend entwickelte die Gruppe die WID-Epitheluhr und die WID-Immunuhr, die epitheliale bzw. immunspezifische Uhren definieren. Es zeigte sich, dass die WID-relative-epithelial-age-Uhr (WID-REA), definiert als Differenz zwischen epithelialer und allgemeiner Uhr, in zervikalen Proben von prämenopausalen Frauen mit Brustkrebs signifikant reduziert ist (OR 2,7; 95%-KI 1,28‒5,72). Derselbe Effekt wird auch in normalen Brustgewebeproben von prämenopausalen Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko sichtbar. Es zeigte sich, dass potenziell risikomindernde Progesteron-Rezeptor-Antagonisten wie Mifepriston oder Ulipristal diesen Effekt umkehren können. Bei postmenopausalen Frauen ist diese Ausrichtung der Uhren umgekehrt. Die Hormonersatztherapie führte bei Frauen ohne Mamma-Ca durchweg zu einem signifikant niedrigeren WID-REA, nicht jedoch bei postmenopausalen Frauen mit Brust- oder Eierstockkrebs.
„Die aktuelle Studie zeigt das enorme Potenzial epigenetischer Uhren als Informationsquelle für unser biologisches Alter“, stellt Chiara Herzog (Innsbruck), eine der Erstautorinnen der Studie, fest. „Es wird besonders interessant, die Alterung individueller Zellarten bei weiteren Erkrankungen zu erforschen und auch zu untersuchen, wie einem vorzeitigen Alterungsprozess gegengesteuert werden könnte.”
Pressemitteilung Universität Innsbruck, Februar 2022
Barrett JE et al., Genome Biol 2022 Feb 22; 23(1): 52, DO 10.1186/s13059-022-02603-3, PMID 35189945